Am Montag wurde an einer Medienkonferenz bekannt, dass der Versicherungskonzern 25 Prozent der Aktien von Ringier übernimmt (persoenlich.com berichtete). Die Kommentarschreiber und Medienjournalisten äusserten sich dazu in den Tageszeitungen von Dienstag. Die Redaktorinnen und Redaktoren sind sich aber bei der Einordnung nicht ganz einig, für wen sich der Deal besser auszahlen werde. Lesen Sie auch den Kommentar von Matthias Ackeret.
«Fette Dividende für Ringier»
Rainer Stadler von der NZZ kann bei der Beteiligung der Mobiliar keinen «unmittelbaren Nutzen» fürs Versicherungsgeschäft erkennen. Die Mobiliar gehe vielmehr eine teure Wette auf die Zukunft ein. «Sie verknüpft damit die Hoffnung, dereinst besser bestehen zu können auf einem digitalen Markt, der alle Dienstleister zunehmend herausfordert, weil er Chancen für neue Wettbewerber schafft», schreibt Stadler.
Der Medienjournalist sieht dabei Ringiers weitläufige Firmenbeteiligungen als Plattform, wo die Mobiliar entsprechende Erfahrungen sammeln will. Die hohe Dynamik im Technologiesektor erlaube es indessen keinem Akteur, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, so Stadler. Mit dem Einstieg von Mobiliar könne Ringier aber eine «fette Dividende» auf die digitalen Engagements beziehen. Das wiederum verschaffe dem Unternehmen Kraftstoff für neue Investitionen.
«Den Redaktionen der Mediengruppe drohen Interessenkonflikte, wenn sie kritisch über einen bedeutenden Schweizer Finanzdienstleister berichten wollen, der gleichzeitig ein grosses Aktienpaket ihres Arbeitgebers besitzt», schreibt Stadler weiter. Ringier sei nun zu einem weitverzweigten Konglomerat mit vielen Kooperationspartnern herangewachsen, was die publizistischen Interessenkonflikte unübersichtlich mache und gleichzeitig damit etwas relativiere. «Ringiers Expansion in neue Felder ermöglichte es der Firma immerhin, am kriselnden publizistischen Sektor festzuhalten.»
Not macht erfinderisch
Für Claudia Blumer, Inlandredaktorin beim Tages-Anzeiger, wird die Transaktion publizistisch nicht folgenlos bleiben. Denn die Mobiliar habe nicht dieselben Ziele wie eine Zeitungsherausgeberin. «Mit dem Aktienkauf, der die Mobiliar laut Schätzungen gegen eine Milliarde Franken kostet, sichert sich die Versicherung einen grossen Einfluss auf Medientitel wie Blick, Handelszeitung, Bilanz und viele mehr», schreibt Blumer.
Mit dieser Beteiligung nähere sich die Schweiz gar den Verhältnissen in Frankreich an, wo viele grosse Medien einem einflussreichen Unternehmen gehören. Dies sei nur dem guten Ruf der Mobiliar zu verdanken, dass keine Kritik geäussert werde, so Blumer. Mit ihrer genossenschaftlichen Organisation und der herzigen Werbung, mit Bleistift auf Häuschenpapier gezeichnet, komme der Versicherer sogar sympathisch daher. Dennoch sei diese Art der Mittelbeschaffung «demokratiepolitisch nicht ungefährlich», ermahnt Blumer. «Not macht erfinderisch. Darum ist es gut, dass Bundesrat und Parlament einen Notfallplan für die Medienbranche entwerfen.»
Springer-Beteiligung stehe bald auch zur Disposition
«Die Mobiliar dürfte tatsächlich nicht nur an Ringiers Digital-Expertise interessiert sein, sondern auch an der Reichweite der Titel, über die sich das schon heute aufwendige Mobiliar-Sponsoring ausbauen lässt», schreibt Christian Mensch, Wirtschaftsredaktor bei der CH-Media-Zentralredaktion. Walder habe sicher noch manche Ideen, in welche Start-ups er investieren oder welche Akquisitionen er tätigen könne. «Ein grösserer Mittelbedarf steht allerdings für ein traditionelles Geschäft an: Ausgehend von den Desinvestitionen, die der deutsche Springer-Konzern auf Druck ihres neuen Finanzinvestors KKR im Verlagsgeschäft vorantreibt, ist zu erwarten, dass auch die Springer-Beteiligung in der Schweiz zur Disposition steht.»
Die Wahrscheinlichkeit, für die Rückübernahme dieses Geschäfts einen Investor zu finden, hätte sich sonst für Ringier schwierig gestaltet. Mit der Mobiliar sei jedoch ein Schweizer Partner gefunden, der diese Investition mittragen werde. «Selbst wenn der digitale Nutzen bescheiden sein wird, so wird dies durch die gewonnene Reichweite mehr als kompensiert werden», so Mensch. (lol)