07.05.2003

"Wer die Hitze nicht erträgt, sollte nicht Koch werden"

Genau vor einem Jahr, nämlich am 8. Mai, erschien die erste Weltwoche im Magazinformat. "persoenlich.com" wollte aus diesem Anlass von Chefredaktor Roger Köppel (Bild) wissen, was sich bewährt hat und was weniger, warum er so wenig Frauen beschäftigt und was ein Chefredaktor an der Kriegs-Front zu suchen hat. Das Interview:
"Wer die Hitze nicht erträgt, sollte nicht Koch werden"

Vor einem Jahr erschien die Weltwoche erstmals im Magazin-Format. Was hat sich bewährt, was nicht?

Bewährt hat sich die grundlegende Entscheidung bezüglich des Formats. Natürlich gibt es immer Dinge, die man nicht so gut findet, etwa einen einzelnen Artikel. Man kann sich eben immer noch verbessern, intelligenter, witziger werden. Tendenziell bin ich immer leicht unzufrieden.

Sie reden vom Inhalt. Wie steht es mit formalen Aspekten? Da fanden doch immer wieder Anpassungen statt.

Eine Idee wird bei uns immer schnell umgesetzt, wenn sie besser als das Bestehende ist. So gesehen ist das ein offenes System.

Ihr Konkurrent Facts hat im vergangenen Jahr stark an Auflage verloren, während die Weltwoche zulegen konnte. Wo sehen Sie einen Zusammenhang?

Facts war und ist ein starker Konkurrent, welcher der Weltwoche in der Vergangenheit sehr zusetzte -- zumal die Weltwoche jahrelang unter ihrem Wert gehandelt wurde. Ich selber würde die Auflagenzahlen der beiden Titel aber nicht so direkt auf einander beziehen, weil die Blätter unterschiedliche Leserschaften ansprechen. Mir geht es auch nicht darum, irgendwem Leser abzujagen. Wenn ein Produkt gut ist, wird es gelesen.

Die Weltwoche bezahlt ihre AutorInnen dem Vernehmen nach ausnehmend gut. Wieviel teurer sind gute JournalistInnen?

Ich habe nicht vor, mein Honorarsystem hier offenzulegen. Auch nicht in Prozenten. Prinzipiell versuchte ich bereits beim Magazin des Tages-Anzeigers, leistungs- und aufwandrelevant zu bezahlen. Das tue ich weiterhin. Gerade freischaffende sind gegenüber festangestellten Journalisten insofern im Nachteil, als sie kein regelmässiges Einkommen beziehen. Auch deshalb dürfen grosse Geschichten auch mal mehr kosten.

Die Mehrzahl Ihrer Redaktionsmitglieder sind Männer. Warum beschäftigen Sie nicht mehr Journalistinnen?

Keine Ahnung. Da steht keine Strategie dahinter. Ich schaue nicht auf Quote, sondern auf Qualität. Gute Personen, die auffallen, sind unabhängig von ihrem Geschlecht willkommen. Ich bin ja für Anstellungsgespräche mit Frauen auch schon mal um die halbe Welt gereist.

In der Leitung des Wirtschaftsressorts besteht nach dem Abgang von Alain Zucker eine Vakanz. Da könnten Sie doch gegen die Männerlastigkeit vorgehen.

Ja sicher, wenn wir eine gute Frau finden, die zum Team passt. -- Bezüglich Zuckers Nachfolge habe ich meine Optionen, und werde kommunizieren, wenn die Zeit dafür reif ist.

Während des Krieges versuchten Sie in den Irak zu gelangen, obwohl Sie bereits einen Reporter vor Ort hatten. Was hat ein Chefredaktor an der Front verloren?

Vermutlich nichts. Aber es ist trotzdem immer wieder sehr wichtig, raus zu kommen. Das hier hat mich einfach interessiert. Aber natürlich konnte ich wegen der Gesamtverantwortung für das Blatt nicht zu lange wegbleiben -- obschon ich das gerne getan hätte und auch mehr Risiken eingegangen wäre.

Die Weltwoche ist für viele das "Projekt Köppel", an Ihrer Person hängt einiges. Opponierte Ihr Verwaltungsrat nie gegen Ihre Reise-Pläne?

Zumindest habe ich nichts gehört. Jean Frey-CEO Filippo Leutenegger war über meine Absichten informiert, und wir haben gemeinsam eine Risiko-Evaluation gemacht. Ich bin ja, als es heikel wurde, auch weitergezogen.

Die Weltwoche bemühte sich im Krieg gegen den Mainstream zu schreiben, was zum Boykottaufruf durch eine SP-Exponentin geführt hat. Wieviele Abonnements hat Sie Ihre Kriegsberichterstattung gekostet?

So genau weiss ich das nicht, es mögen so um die Hundert sein. Grundsätzlich zeigt der Boykottaufruf, wie der Meinungspluralismus in gewissen politischen Kreisen ausgelegt wird. Ich bin es mir inzwischen aber gewohnt, an die Kasse zu kommen. Am Ende stimmt man uns ja dann doch oft zu, so etwa bei meinem Kommentar zum "letzten Staatsmann" Ueli Maurer, in der Marthaler-Diskussion, aber auch bezüglich der Subventionitis oder der Flüchtlingsdebatte. Wir haben meiner Meinung nach bewiesen, dass wir bei wichtigen Themen gut dabei sind.

Aus dem Umfeld Ihrer Redaktion war von anonymen Drohungen gegen Weltwoche-MitarbeiterInnen zu hören. Wie verhält es sich damit?

Jeder Mensch muss seine Meinung auf die Art äussern, auf die er kann. Widerspruch gehört eben dazu, wenn man sich exponiert. Wer die Hitze nicht erträgt, sollte nicht Koch werden.

Wann schreibt die Weltwoche schwarz?

Ich sortiere Buchstaben, für die Zahlen sind andere verantwortlich. Von meiner Seite deshalb nur so viel: Ich will so schnell wie möglich zur Wirtschaftlichkeit kommen, nur das garantiert Unabhängigkeit. Wir sind auf gutem Weg und gar nicht mehr so weit entfernt.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren