Redaktionen vertrauen darauf, dass Bilder von Fotoagenturen wie Keystone-SDA echt sind, sprich nicht von einer künstlichen Intelligenz erstellt oder bearbeitet. Aber wie sieht es mit Bildern von Leserinnen und Lesern aus? Dass da tatsächlich mal ein KI-Bild durchrutschen kann, zeigt ein aktueller Fall: 20 Minuten publizierte an Pfingsten fälschlicherweise ein Bild einer Leserin, das stark mit KI bearbeitet wurde (persoenlich.com berichtete).
Eine Umfrage von persoenlich.com bei grossen Medienhäusern zeigt: Das Problem wurde erkannt, doch die Lösungsansätze unterscheiden sich. Während die einen auf technische Hilfsmittel setzen, vertrauen andere primär auf die Expertise ihrer Redaktionen.
Faktencheck-Taskforce und Slack Channel
20 Minuten erklärt auf Anfrage, bereits «seit Langem verschiedene Tools zur Prüfung von KI-Bildern im Einsatz» zu haben. Doch diese seien fehleranfällig. «Daher werden die Mitarbeitenden in regelmässigen Schulungen für die Problematik sensibilisiert und im Erkennen von KI-Bildern geschult.» Bei Zweifeln würden Bilder nicht publiziert oder von der Bildredaktion respektive der Faktencheck-Taskforce nochmals geprüft.
Auf den aktuellen Vorfall von Pfingsten hat 20 Minuten bereits reagiert. «Unsere News Scouts werden neu ausdrücklich gebeten, keine mit KI erstellten Fotos einzusenden, da diese aufgrund unserer publizistischen Leitlinien nicht publiziert werden», heisst es.
Der Blick setzt auf eine Kombination aus technischen Tools und menschlicher Expertise. «Die Verantwortung für die Prüfung liegt dabei beim Newsdesk», schreibt die Medienstelle. Blick führe interne Schulungen durch und nutze bei Verdacht entsprechende Tools. Zudem sei eigens ein Slack Channel eingerichtet worden, wo fragliche Bilder hochgeladen und von den internen Experten begutachtet werden können – namentlich von Beat Vontobel, Head of Video Technology and Production, und Thomas Benkö, AI Innovation Lead Newsroom. «Gibt es weiterhin Zweifel an der Echtheit, verzichten wir auf die Publikation», hält Blick fest.
Leserbilder nur selten im Einsatz
Die Zeitungstitel und zugehörigen Onlineportale von CH Media sowie Watson setzen keine KI-Erkennungstools ein. Leserbilder würden «über offizielle Stellen» geprüft und die «Entstehung und Echtheit» direkt mit den einsendenden Personen abgeklärt. CH Media schickt allerdings voraus, nur «selten Bilder von Leserinnen und Lesern für den redaktionellen Teil zugesandt» zu erhalten.
Auch die NZZ verwendet Leserbilder «nur sehr zurückhaltend» in redaktionellen Inhalten. «In den seltenen Fällen, in denen wir eine Publikation in Betracht ziehen, unterzieht die Bildredaktion die Bilder einer sorgfältigen Prüfung. Dazu gehört in der Regel der Abgleich mit mindestens zwei unabhängigen Quellen sowie die Einforderung zusätzlicher Informationen zur Entstehung des Bildes», schreibt die Medienstelle. Grundsätzlich verfolge die Bildredaktion gegenüber sämtlichem Bildmaterial «eine kritische Haltung». Unterstützt bei der Verifikation visueller Inhalte werde die Redaktion durch das sogenannte OSINT-Team (Open Source Intelligence). «Darüber hinaus absolvieren unsere Redaktorinnen und Redaktoren regelmässig Schulungen, um ihre Kompetenzen in der Erkennung von KI-generierten Inhalten gezielt zu erweitern», so die NZZ.
Bei Tamedia sind Leserbilder aktuell nur bei der BZ Berner Zeitung bekannt, die ein Format «von Leser.innen für Leser:innen» hat. «Dabei ist nicht immer auszuschliessen, dass Leser:innen KI-generierte Bilder einschicken», stellt Tamedia fest. Genutzt würden «natürlich Tools und Methoden, welche die Echtheit überprüfen». Sollte eine Leserin oder ein Leser Tamedia zu Berichterstattungszwecken ein Bild zukommen lassen, werde die Echtheit geprüft.
Bei Nau.ch heisst es: «Wir arbeiten seit Jahren mit der Problematik von Fake News in Texten. Dasselbe Prinzip gilt nun auch für die Fake-Bilder.» Wenn ein Leserbild die Redaktion erreiche, werde dieses nach dem gleichen Schema wie auch Texte geprüft. «Im Übrigen kennen wir die Fehler der KI-Erkennungstools. Wir verlassen uns deshalb nicht darauf», hält Nau Media fest.
Spezialfall Wetterbilder
Auch SRF verlässt sich nicht auf technische Hilfsmittel: «KI-Erkennungstools können unterstützend eingesetzt werden. Sie sind Stand heute allerdings zu wenig zuverlässig», teilt Schweizer Radio und Fernsehen mit. Stattdessen führe ein Faktencheck-Desk «gewissenhafte und akribische» manuelle Prüfungen durch.
Eine besondere Herausforderung stellen Wetterbilder dar, wie «SRF Meteo»-Redaktionsleiter Thomas Bucheli gegenüber persoenlich.com erklärt. «Wir wollen unseren Zuschauerinnen und Zuschauern möglichst realistische Wetterimpressionen zeigen, aufgenommen und festgehalten von unserem Publikum.» Nebst der optischen Prüfung führe man auch «Sujet- und Wolkenvergleiche» durch sowie einen «Realitätscheck» mit Wetterdaten und Sonnenstand. «Zudem nehmen wir Abgleiche mit Wetterdaten vom gemeldeten Aufnahmeort und der Aufnahmezeit vor und schätzen mit unserer Fachkenntnis ein, ob zum Beispiel gewisse Wolken überhaupt möglich sind», so Bucheli. Zudem würden die Bilder stets auch mit all den anderen eingegangenen Bildern zu diesem Zeitpunkt aus der Region verglichen.
Geprüft werde nun auch die Einführung eines zusätzlichen automatisierbaren KI-Checks – «dies aber im Wissen, dass wir uns allein auf solche technische Mittel nicht verlassen können», so Bucheli.
Die Herausforderung wächst
Die befragten Medien sind sich einig: Die Herausforderung wird künftig noch zunehmen. Wie der Blick festhält, bestehe «die grösste Herausforderung darin, mit der rasanten Entwicklung von KI-Technologien Schritt zu halten und gleichzeitig schnell, verlässlich und glaubwürdig zu bleiben».
20 Minuten zeigt mit spielerischen Quiz oder spezifischen Artikeln auf, «wie schwierig es inzwischen geworden ist, echte Bilder von KI-Bildern zu unterscheiden». Es sei «davon auszugehen, dass sich in Zukunft – trotz aller Massnahmen und Tools – gelegentlich KI-Bilder einschleichen werden». Wichtig sei dann «die umgehende Korrektur sowie der transparente Umgang mit dem Fehler». So wie es 20 Minuten an Pfingsten mit dem KI-bearbeiteten Bild der Leserin auch tun musste.