07.01.2020

Die Zeit

«Wir betrachten unsere Abonnenten als Freunde»

Rainer Esser, Geschäftsführer der deutschen Wochenzeitung Zeit, ist an der Dreikönigstagung in Zürich zu Gast. Im Interview spricht er über Diversität in der Redaktion, das Wachstum bei den Digitalabos und den Schweiz-Teil.
Die Zeit: «Wir betrachten unsere Abonnenten als Freunde»
«Das Marketing der Zeit kommt aus der Zeit heraus»: Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser. (Bild: zV.g)
von Matthias Ackeret

Herr Esser, Sie sind nun seit zwanzig Jahren Geschäftsführer des Zeit-Verlags. Wie hat sich die Zeit in diesen zwei Jahrzehnten verändert?
Die Zeit ist eine starke und wachsende Marke geworden mit mehr als zwei Dutzend Beibooten. Sie ist die grösste Qualitätszeitung Deutschlands, und das mit grossem Abstand! Sie ist die führende Plattform für den demokratischen Diskurs in unserer Gesellschaft. Gerade in den letzten Jahren führte Giovanni di Lorenzo zahlreiche grundlegende Neuerungen ein. Von unseren Leserinnen und Lesern hören wir trotzdem immer wieder, dass sich die Zeit gar nicht verändert habe. Das ist das schönste Kompliment überhaupt, bedeutet es doch, dass die Entwicklung unserer Zeitung im Gleichklang mit derjenigen unserer Leser verläuft.

Aber die Zeit hatte vor zwanzig Jahren bereits ein gutes Renommee.
Wir hatten immer eine recht hohe Auflage, doch sie war vor zwanzig Jahren leider im Sinkflug. Dadurch drohten wir an Einfluss zu verlieren. Die früheren Chefredakteure Roger de Weck, Michael Naumann, Josef Joffe und in den vergangenen fünfzehn Jahren ganz besonders Giovanni di Lorenzo kehrten den Trend um. Es wurden neue Ressorts gegründet, es wurde umgebaut, aufgebaut, gelegentlich auch abgebaut und viel umgestaltet. Wir haben ein enges Verhältnis zu unseren Lesern gefunden. Unterstützt wurde die Redaktion dabei durch ein ordentliches Marketing.

«Die Lebenswirklichkeit unserer Leserinnen und Leser spiegelt sich im Redaktionsteam wider»

Aber gab es einen bestimmten Tipping-Point, als die Zeit wieder im Zeitgeist lag?
Ja, die Trendwende setzte bei der Jahrtausendwende mit Roger de Weck ein. Er und seine Nachfolger haben wesentliche Reformen eingeleitet. 1999 beschäftigten wir bei der Wochenzeitung achtzig Journalisten, heute sind es doppelt so viele. Dazu kommen dann noch weit über hundert Redakteure bei Zeit Online, ze.tt und den gut fünfzehn Magazinen. Das heisst, wir haben unsere Redaktion in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdreifacht. Heute beschäftigen wir viele junge Journalistinnen und Journalisten, wir haben viele Frauen in der Redaktion und Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund. Damit spiegelt sich die Lebenswirklichkeit unserer Leserinnen und Leser auch im Redaktionsteam wider.

Sie haben das Marketing erwähnt. Wie muss man sich dieses vorstellen?
Ganz einfach: Das Marketing der Zeit kommt aus der Zeit heraus. Wir machen jährlich über zweihundert Veranstaltungen, bei denen Leserinnen und Leser und potenzielle Abonnenten unseren Redakteurinnen und Redakteuren begegnen. Die grösste Wahrnehmung erzielen wir aber, indem wir alle zentralen News aus der Redaktion auf möglichst vielen Kanälen spielen. Die sozialen Medien haben dabei eine starke Bedeutung. Unsere Journalistinnen und Journalisten sind nicht nur bei Veranstaltungen oder in Talkshows präsent, sie teilen ihre Geschichten auch in Podcasts und den sozialen Medien.

Aber damit hat man noch kein Geld verdient.
Stimmt. Zunächst wollen wir über möglichst viele Kanäle neue Leserinnen und -Leser gewinnen. Dann setzt das klassische Marketing ein. Über E-Mail-Marketing und Zeit Online gewinnen wir viele neue Abonnentinnen und Abonnenten. Wir haben auch ein sehr schönes Programm mit den «Freunden der Zeit». Das bedeutet, dass wir unsere Abonnenten als Freunde betrachten, die wir jede Woche mit Neuigkeiten verwöhnen, die über das hinausgehen, was in der Zeitung steht. Wir laden sie zu uns in die Redaktion ein, ermöglichen ihnen Kulturrabatte oder machen Reisen mit ihnen.

«Wir gewinnen viele junge Menschen – vorwiegend weibliche – zwischen 20 und 35 Jahren»

Was andere Verlagshäuser auch machen. Es ist trotzdem sehr interessant, dass bei der Zeit entgegen jedem Trend die Anzahl bezahlter Abos zunimmt und die Kioskumsätze nicht einbrechen.
Das ist keine Zauberei. Das ist ordentliche Arbeit von Redaktion und Verlag. Die Zeit ist eine starke Marke, die für Qualitätsjournalismus steht. Mit dieser Marke bedienen wir die vielfältigen Interessen unserer Leser, auch mit weiteren Publikationen für Kinder, Schüler und Studenten und für besonders an Geschichte und Wissen Interessierten. Besondere Freude bereitet uns «Zeit Verbrechen», das vor einem guten Jahr gestartet ist. Dabei publizieren wir in einem vierteljährlich erscheinenden Magazin spannende Kriminalfälle aus Deutschland. Der dazugehörige Podcast, in welchem sich die stellvertretende Chefredakteurin Sabine Rückert mit Wissen-Ressortleiter Andreas Sentker über diese Geschichten unterhält, wird teilweise von 400
'000 Menschen heruntergeladen. Damit ist er regelmässig der meistgehörte Podcast in Deutschland. Das Tolle dabei: Wir gewinnen viele junge Menschen – vorwiegend weibliche – zwischen 20 und 35 Jahren, die wir an die Marke Zeit heranführen.

Welchen Stellenwert hat bei Ihnen das digitale Abo?
Von unseren 350'000
voll bezahlten Abos sind über 60'000digital, und deren Zahl wächst besonders.

Sind Sie zufrieden mit dem Schweiz-Teil?
Die Schweiz ist ein grossartiges Land. Ich habe ein Jahr in Genf studiert, und seither liebe ich die Schweiz. Deswegen ist die Schweiz-Ausgabe auch eine Herzensangelegenheit. Matthias Daum, Barbara Achermann und Sarah Jäggi machen in unserem Schweizer Büro einen grossartigen Job. Sie haben die Auflage der Zeit in der Schweiz von 7000 auf 17
000 Exemplare erhöht, Tendenz steigend. Ausserdem haben wir mit der Alpen-Ausgabe ein vielversprechendes neues Projekt am Start, das wir nach den guten Premieren-Erfahrungen 2019 im Jahr 2020 ausbauen werden: Unter der Leitung des Verantwortlichen für die Länderausgaben, Patrik Schwarz, wird es 2020 statt zwei vier Ausgaben mit einem Alpen-Buch geben, das gemeinsam von den Zeit-Büros Wien und Zürich bestückt wird. Und auch der zugehörige Podcast für «Servus.Grüezi.Hallo» ist sehr erfolgreich und macht uns viel Freude.


Das vollständige Interview mit Rainer Esser lesen Sie in der aktuellen Ausgabe vom Printmagazin «persönlich». Abo-Informationen finden Sie hier.

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