06.02.2025

SRF

«Wir haben den ganzen Tag geweint»

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr wird die SRF-Vorabendsendung «G&G – Gesichter und Geschichten» eingestellt. Redaktionsleiterin Paola Biason spricht im Interview über den überraschenden Sparentscheid, der 20 Mitarbeitende trifft, verteidigt die Effizienz ihrer Redaktion und erklärt, warum der Verlust besonders die Schweizer Kulturszene schmerzt.
SRF: «Wir haben den ganzen Tag geweint»
«Wer mit uns zu tun hatte, wusste, wie effizient wir unterwegs sind», so Paola Biason, Redaktionsleiterin der Gesellschaftssendung «G&G – Gesichter und Geschichten». (Bild: SRF/Oscar Alessio)

Paola Biason, schon im Vorfeld der «No Billag»-Initiative wurde immer wieder die Absetzung von «G&G» gefordert. Kränkte Sie das?
Natürlich. Weil diejenigen, welche die Absetzung von «G&G» forderten, oft nicht einmal den Inhalt der Sendung kannten. Wir produzieren seit Jahren sehr guten Gesellschaftsjournalismus und fördern die Popkultur und Kleinkunst. Und das alles kostengünstig. 70 Prozent all unserer Beiträge sind selbst gedreht und selbst geschnitten.

Spürten Sie als Redaktionsleiterin einen internen Druck, dass «G&G» im Hinblick auf die SRG-Initiative «200 Franken sind genug» im Abstimmungskampf ein Klotz am Bein sein könnte?
Sagen wir es mal so: Wer mit uns zu tun hatte, wusste, wie effizient wir unterwegs sind. Wer nicht, belächelte uns vielleicht auch einmal. 

Welche Argumente waren am Ende entscheidend für die Einstellung von «G&G»? Zwei Millionen Franken Sparpotenzial erscheinen mir als Argument etwas schwach.
Das müssen Sie die Geschäftsleitung fragen. Uns wurde gesagt, dass man einerseits sparen muss und den Vorabend neu ausrichten will. Ich hätte mir gewünscht, dass man mit uns gemeinsam nach Lösungen für die knappen Ressourcen sucht. Mein Team und ich haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass man Sparmassnahmen auch kreativ umsetzen kann, ohne eine so starke Marke wie «G&G» gleich abzusetzen.

Die Aargauer-Zeitung schreibt, Sie seien «eine Rebellin» und hätten sich geweigert, eine Vorgabe der SRF-Geschäftsleitung umzusetzen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Ich konnte meine Kritik immer anbringen bei SRF und wurde von meinen Chefs stets unterstützt.

«G&G» hat sich stark für die Schweizer Kulturszene engagiert und vielen Kunstschaffenden eine Plattform geboten. Wie hat sich diese Rolle über die Jahre entwickelt?
Die Anwesenheit von «G&G» bei einer Premiere, Plattentaufe oder einer Buchvernissage ist über die Jahre fast schon zwingend geworden, um sich in der Kulturszene behaupten zu können und kommerziell Erfolg zu haben. Früher waren wir geduldet, heute ist man beleidigt, wenn «G&G» nicht kommt.

Und wer soll diese Rolle künftig übernehmen?
Fünf Vollzeitstellen sollen erhalten bleiben, um im Newsroom weiterhin über Gesellschaftsthemen zu berichten. Mehr weiss ich nicht.  

«Wir haben eine gute Verlinkung zwischen TV und Social Media geschaffen»

Wie hat sich das Format über die Jahre verändert, um auf neue Sehgewohnheiten und Mediennutzung zu reagieren?
Wir haben eine gute Verlinkung zwischen TV und Social Media geschaffen. Auf Instagram haben wir mittlerweile über 44'000 Follower, all unsere Beiträge sind «streamable», das heisst, sie eignen sich für die zeitversetzte Nutzung.

Was waren für Sie persönlich die prägendsten Momente der Sendung?
Alle verstorbenen Persönlichkeiten, die wir innert weniger Stunden mit einer Sondersendung gewürdigt haben. Ebenso alle royalen Hochzeiten, die wir übertragen haben. Das soll uns zuerst jemand nachmachen.

20 Jahre sind ein stolzes Alter. Was war das Erfolgsrezept der Sendung?
Dass wir nie von A-, B- und C-Prominenz gesprochen haben, sondern allen Kulturschaffenden mit demselben Respekt begegnet sind. Und dass wir ethisch immer korrekt waren.

Ihr Lebenspartner Edi Estermann leitet die Kommunikation des Eurovision Song Contests in Basel, der im Mai über die Bühne geht. Wissen Sie beide schon, wie Ihre berufliche Zukunft aussieht?
Das ist eine private Frage, die im jetzigen Moment keine Rolle spielt. Meine Gedanken drehen sich jetzt nur um den gefährdeten People-Journalismus und um mein Team. Die Nachricht hat uns alle sehr hart getroffen. Wir haben den ganzen Tag geweint.


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KOMMENTARE

Boris Wyss
11.02.2025 17:01 Uhr
Dies ist wohl am falschen Ort gespart, es wäre wohl besser teure Leute in der SRF-Verwaltung abzubauen, aber sicher nicht an der "Front", wo man dies als Zuschauer sofort merkt. g&g ist eine gute Sendung, etwas fürs Herz mit vielen Emotionen, noch besser war der Titel Glanz und Gloria...
Peter Jaeggi
07.02.2025 14:40 Uhr
So langsam wird es kriminell. Die Verantwortlichen gehören vor Gericht. Straftat: massive Verstösse gegen den Konzessionsauftrag. SRG-Zitat: "Wir schaffen Vertrauen. Unsere Angebote sollen unser Publikum befähigen, die Zukunft weitsichtig und vielfältig zu gestalten." Frauen wieder an den Herd?? Der WapplerWille will es offenbar. Mit Kochen, Auswandern, Jassen und anderen gesellschaftlich relevanten und tiefgründigen Produktionen. Da hat ein "Kontext" (wichtiges Wissen- und Hintergrund-Radioformat) keinen Platz mehr. Da muss das Radiofeature-Format "Passage" (zusammen mit dem ebenfalls abgeschafften Hörspiel das genuinste aller Radioformate) weg. Da wird eine der kompetentesten Wissenschaftssendungen zum Schrecken von Quotenfetischistinnen. Geld macht Geist kaputt: Es wird mit sinkenden Hörer(innen)-und Zuschauerzahlen argumentiert. Hey, hallo, wer sonst als die SRG muss sich solche Anti-Mainstream-Journalismus zwingend leisten?! Siehe Konzessionsauftrag. In den Abfallkübel befördert: das Wirtschaftsmagazin "Trend", die Kultursendungen "G&G sowie "Swiss Comedy Swiss Award" und früher schon "Netz Natur", die fachlich brillant gemachte Naturreihe ... Um die kritischen Stimmen zu besänftigen, verteilen WapplerWille & Co. eine Art Betäubungspillen und sagen, dass zum Beispiel Wissenschaft ja nachher auf viele andere Gefässe verteilt werde. Doch genau so verbrösmelt, verzettelt und vernichtet die SRG letztlich essentielle Teile ihres Konzessionsauftrages. Und apropos Millionen sparen nur ein Beispiel. Ein Schweizer Tatort kostet laut "Blick" 2,1 Millionen. Notabene die genau gleiche Sendung, die man anderswo auch haben kann. Statt vernichten gäbe es vielleicht noch andere Möglichkeiten, die im Printsektor schon lange mehr oder weniger gut funktionieren: unabhängiges Sponsoring (wäre evc. Bei der Wissenschaft und der Kultur möglich).Und halt in der Not wieder mal die Studiostandorte. Braucht es, wenn Inhalte doch alles bedeuten, wirklich so viele? Und so viele Aussenstellen?
Beatrice Zollinger
06.02.2025 11:59 Uhr
Ein unverständlicher Entscheid! Ein Riesenverlust für die TV-Zuschauer, für die einheimischen Künstlerinnen und Künstler, Paola Biason hat mit ihrem Team eine interessante, sehrenswerte und unterhaltende Sendung gemacht. Nun, jetzt werden noch mehr schweizerinnen und Schweizer zu ausländischen Sendern ausweichen. Wir werden ja richtiggehend dazu gezwungen.
Simone Meier
06.02.2025 09:37 Uhr
Wer noch nie versucht hat, sich sein Brot im harten Kulturbetrieb zu verdienen, hat keine Ahnung, wie wichtig G&G hierzulande für viele Kleinkunstunternehmen, aber auch E-Kultur-Schaffende ist. Wie viele unglaublich seriös, aber auch mit Herzblut vorbereitete und umgesetzte Beiträge da entstanden sind und wie selbstverständlich der Brückenschlag zum Publikum noch bis Sommer gelingt. Service public eben. Andere Sendungen und Feuilleton-Beiträge sind toll und wichtig fürs Renommee, aber wer sein Theater oder Konzertlokal füllen will, wer wenigstens ein bisschen Geld mit all der Arbeit, die in einem Buch, einem Album oder einem Film steckt, verdienen möchte, ist unendlich dankbar, dass es einen Ort wie G&G gibt. Und leider bald nur noch gegeben haben wird.
Pierre Rothschild
06.02.2025 06:16 Uhr
Treue Begleiter waren sie, die Mitarbeiter von Glanz und Gloria, mit dem späteren Sendenamen konnte ich nie etwas anfangen. Es sollte um Glanz und Gloria gehen, die Schweiz hat und hatte mit diesem Teil des Alltages immer etwas Mühe. In den vielen Jahren meiner Tätigkeit für Arthur Cohn war die Redaktion immer zuverlässig und brachte die Highlights immer sachlich auf die Bildschirme. Hier, in Cannes und auch in Hollywood. Dafür waren wir immer dankbar. Die Show-Berichte, erfolgreich wenn im Boulevard-Stil, werden so in anderen SRG-Sendungen kaum mehr zu sehen sein. Zwei Millionen sollen eingespart werden. Die hätte man anderswo finden sollen. Die Sendung dokumentierte den Spielplatz der Eitelkeiten gut, zu dem so viele von uns beitragen und den unser Land so nötig hat. Danke, liebe Paola, danke dem ganzen Team.
Rainer Luginbuehl
05.02.2025 23:17 Uhr
Zwei Jahrzehnte lang wurde in Dauerschleife vorgeführt, wie man aus wenig Substanz möglichst viel Bling-Bling macht. Schweizer «Promis» im Eigenbau, irgendwo zwischen Lokal-TV und Wunschdenken, begleitet von der behäbigen Arroganz, man sei unverzichtbar. Das war nie Gesellschaftsjournalismus, sondern Kleinstaat-Theater. Roger Federer bleibt, «G&G» geht. Richtige Entscheidung. (Nur echt mit dem falschen Blinzeln und den geblähten Nüstern).
Lahor Jakrlin
05.02.2025 23:15 Uhr
Es mögen wohl die eine oder andere Sendung fürs G&G-Team oder irgendwelche Baschis unvergesslich sein, fürs Publikum waren sie es nicht – G&G bleibt als fürs Ø-lich 65-jährige SRF-Publikum verzichtbar und in Erinnerung. Die Absetzung der Sendung ist allerdings nichts anderes als eine durchsichtige Anti-Halbierungsinitiativen-Aktion. Da müsste schon die Nichtübertragung der Lauberhornabfahrt her, um Panik auszulösen.
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