Herr Schaffner*, gehen Sie jetzt auch wieder zurück zu SRF wie Urs Gredig?
Meine Zukunft ist noch völlig offen. Als operativ Verantwortlicher bin ich bei CNN Money Switzerland derzeit noch am Abwickeln.
Sie sind einer von 25 Mitarbeitenden, die nach dem Konkurs den Job verlieren. Wie ist Ihre Situation aktuell?
Der Konkurs eines Senders ist ja nicht etwas, das von heute auf morgen kommt. Doch wenn es mal klar ist, dass der Stecker gezogen wird: Das ist schon heftig. Und weil keine Löhne bezahlt wurden, trifft es viele hart. Wir haben immer noch jeden Tag eine Sitzung im Team – nur geht es jetzt darum, dass man sich gegenseitig hilft, etwa mit Formularen. Ein Riesenkompliment an alle, die hier mitziehen.
Chefredaktorin Patrizia Laeri schrieb von gesperrten Konten, Tränen und Stress. Wie haben Sie die Wochen vor dem definitiven Aus erlebt?
Es waren die aufreibendsten Tage, die ich beruflich erlebt habe. Der Aufbau und der Betrieb des Start-ups war kein Zuckerschlecken. Aber so ein Zusammenbruch ist wirklich heftig. Es geht auch mir als Manager an die Substanz.
«Das waren die aufreibendsten Tage, die ich beruflich erlebt habe»
Haben Sie an eine Rettung geglaubt?
Irgendwie blieb ich immer optimistisch. Anders geht es nicht. Und von aussen kamen nicht nur negative Signale. Schliesslich habe ich seit Monaten an neuen Business-Modellen gearbeitet, die man unter Umständen hätte finanzieren können. Und ich war sicher, dass wir mit Patrizia Laeri in der Redaktion und Fetah Maliqi im Sales ein schlagkräftiges Führungsteam bilden konnten, das am gleichen Strick zieht.
Nun ist es so gelaufen, wie viele Experten es prognostiziert haben. Inwiefern haben auch Sie selber gratis gearbeitet oder anderes gefragt: Auf wie viel müssen Sie aufgrund des Konkurses verzichten?
Es gibt sehr viele offene Fragen dazu, auch weil ich Teil des Managements bin – oder war. Ich weiss ja noch nicht einmal, wann offiziell mein letzter Arbeitstag ist. Ich schreibe jetzt weiterhin Empfehlungen oder Bestätigungen. Zudem gibt es viele Aufträge von Kunden – wir haben ja im Auftrag von grossen Unternehmen Videos produziert –, die es zu beenden gilt. Wie es am Schluss aussieht, weiss ich nicht.
Generell ist der Wirtschaftsjournalismus ja in einer sehr schwierigen Lage aktuell. Mit SRF-«Eco» ist ein weiteres Wirtschaftsformat vom Abbau betroffen, bei dem Sie von Anfang an dabei waren. Was hat sich denn so radikal verschlechtert in den letzten Jahren?
Sind wir ehrlich: Wirtschaft am TV hat es immer schwer. Konsumentensendungen, wie «Kassensturz», erreichen ein viel grösseres Publikum. Wenn nicht gerade eine Bank oder eine Fluglinie zusammenbricht, ist Wirtschaft kein Quotenbringer. Das habe ich bei den vielen Sendungen und Zeitungen erlebt, die ich von innen gesehen habe.
Was heisst das für die Zukunft des Schweizer Wirtschaftsjournalismus?
Gut recherchierte Wirtschaftsgeschichten sind derzeit weder im Print noch im TV einfach zu finanzieren. Das stellen derzeit nicht nur TV-Sender, sondern auch Publikums- und Fachzeitschriften fest.
Macht aus Ihrer Sicht der Entscheid von SRF Sinn?
Ich war unglaublich überrascht von diesem Entscheid. Das Format war gut eingeführt, es hatte seinen Platz in der Wirtschaftsberichterstattung. Doch ist es für ein neues Publikum bereit? Gibt es ein Werbeumfeld, dass bereit ist, ein solches Format zu finanzieren? Vielleicht muss man hier einfach ehrlich sein: Es hat sich sicher vieles rasant verändert in den letzten Jahren. Kommt hinzu, dass jedes Format immer auch «interne Göttis» braucht. Und die wurden immer weniger in den letzten Jahren.
«Ausgerechnet der Wirtschaftsjournalismus hat es nicht so mit der Strategie und dem Marketing»
Das Umfeld für Wirtschaftsjournalisten generell wird härter. Wie nehmen Sie das wahr, wenn Sie mit Berufskollegen sprechen?
Es ist doch paradox: Wir Wirtschaftsmedien berichten über Fehler unserer Protagonisten, zeigen auf, was man bei einer Grossbank hätte anders machen können oder müssen. Und ausgerechnet der Wirtschaftsjournalismus hat es nicht so mit der Strategie und dem Marketing. Hören wir also auf mit dem Klagen, machen wir, was wir von unseren Protagonisten verlangen: Mehr Marktnähe bitte! Mehr Engagement und mehr Mut zu neuen Formaten! Wir müssen uns selbstkritisch viele Fragen stellen: Wer will unser Produkt und ist die Qualität, die wir anbieten, wirklich gut genug? Und dann auch: Wie will die Konsumentin oder Konsument das Produkt beziehen?
Könnte es nicht auch sein, dass es im Wirtschaftsjournalismus ein Überangebot gibt?
Kann sein. Aber es ist noch etwas ganz anderes passiert: Unsere Zuschauer, unsere Leser sind heute unglaublich gut ausgebildet. Als das «Cash» erfunden wurde, war die Welt noch eine andere. Heute ist die «Wirtschaftselite» top geschult, international vernetzt und lässt sich nicht mit hemdsärmeligen Pseudo-Scoops ködern. Es braucht Kommunikation auf Augenhöhe.
In diesem Fall braucht es vor allem investigative Recherchen im Wirtschaftsbereich. Schönwetter-Storys erzählen die Firmen ja mittlerweile selber über ihre eigenen Kanäle.
Investigativ, das tönt immer sofort aufwändig und geheimnisvoll. Es braucht gut gemachten, verständlichen, unabhängigen, kompetenten und gaubwürdigen Journalismus, ja. Und er muss so attraktiv daher kommen, dass ihn eine neue Generation konsumieren möchte. Relevant sein, also im wahrsten Sinn des Wortes.
«Heute ist die Wirtschaftselite top geschult, international vernetzt und lässt sich nicht mit hemdsärmeligen Pseudo-Scoops ködern. Es braucht Kommunikation auf Augenhöhe»
Was für Auswirkungen befürchten Sie durch den Schwund der Wirtschaftsberichterstattung?
Ich bin nicht so pessimistisch und halte unsere Branche jetzt auch nicht für so matchentscheidend. Länder oder Gesellschaften mit top Wirtschaftsblättern, wie die Financial Times oder das Wallstreet Journal, sind derzeit viel in grösserem Schlamassel verwickelt als wir.
Wie geht es nun weiter für Sie persönlich?
Ich lass es auf mich zukommen. Wer weiss, vielleicht kommt doch noch der Weisse Ritter und kauft die Konkursmasse auf.
Andreas Schaffner ist seit 2018 bei CNN Money Switzerland, zuletzt als COO. Vorher arbeitete er bei SRF, Cash, Ringier und bei der Aargauer Zeitung respektive Schweiz am Wochenende. Bei SRF war er Teil des Teams, das «Eco» lancierte. (eh)
Das Interview wurde schriftlich geführt.
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25.08.2020 09:37 Uhr