10.01.2014

Serviceplan

Die Grünen fahren plötzlich BMW

Werden Marken nach besonders grünem Image sortiert, rangieren auf den vordersten Plätzen Toyota, Ford, Honda, Nissan oder VW. Automarken gelingt es also besonders gut, sich umweltfreundlicher dazustellen, als sie es in Wirklichkeit sind. Nun will sich auch der Sportwagenbauer BMW als nachhaltig und ökologisch positionieren. Ende 2013 startete die Ecoist-Kampagne für den i3, in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Serviceplan. Die Werbemassnahmen sind so wirksam, dass BMW Schweiz zusätzliche Fahrzeuge für Probefahrten bestellen musste.
Serviceplan: Die Grünen fahren plötzlich BMW

Toyota, Ford, Honda - diese drei Marken rangieren bei den "Best Global Green Brands 2013" zuoberst auf der Rangliste. Nissan auf Platz fünf und VW auf Platz sieben beweisen, dass Autos in den Augen der Konsumenten keine Energiefresser oder Umweltzerstörer sind, im Gegenteil: Sie werden ökologischer wahrgenommen, als sie es aufgrund der ressourcenintensiven Herstellung und der aufwändigen Entsorgung sind. Interbrand's "Best Global Green Brands"-Studie von 2013 untersucht nämlich die Lücke, die zwischen tatsächlicher nachhaltiger Unternehmensführung und der Verbraucherwahrnehmung dieser grünen Unternehmensaktivitäten entsteht. Mit anderen Worten: Automarken verstehen es besonders gut, sich nachhaltiger zu inszenieren, als sie tatsächlich sind. 

Welche Strategien stecken dahinter? BMW beispielsweise konnte in Deutschland Joschka Fischer als Testimonial gewinnen. Die Grünen-Ikone verrät im Werbefilm: "Isch bin beeindruckt." Und fährt jetzt BMW. Dabei schlägt Fischer nicht nur Applaus entgegen. Er helfe BMW beim "Greenwashing", also beim Etikettenschwindel, sagen Kritiker in einem Bericht auf Spiegel Online

Zielgruppe ist immun gegen klassische Produktewerbung
Anders der Ansatz in der Schweiz. BMW Schweiz und die verantwortliche Agentur Serviceplan verzichten auf klassische Produktewerbung, sondern haben kurzerhand einen neuen Lifestyle kreiert, den "Ecoisten".

Erst in einem zweiten Schritt, über die Identifikation mit diesem Lebensstil, wird deutlich, für welches Produkt der "Ecoist" steht: für den neuen i3 – das erste Elektromobil aus dem BMW-Konzern, welches ab 39'950 Franken erhältlich ist. "Wenn wir gleich das Fahrzeug in den Vordergrund gestellt hätten, wäre dies weniger wirkungsvoll gewesen, denn diese Zielgruppe ist immun gegen diese Art der Werbung", erklärt Sacha Moser, Kreativchef und Geschäftsführer von Serviceplan bei einem Treffen mit persoenlich.com. Er fügt an: "Natürlich assoziiert man alle Werte, die man vorher schon mit einem nachhaltigen Lebensstil verknüpft hat, dann auch mit diesem vollkommen neuartigen Fahrzeug- und Mobilitätskonzept." Eine clevere Strategie, mit der sich nicht nur bestehende Kunden erreichen lassen, sondern auch Menschen, die BMW gar nicht kennen oder sich nicht einmal wirklich für Autos interessieren.

Im Fokus sind Leute, die BMW bisher nicht kannten
"Die Kampagne soll selbstverständlich bestehenden Kunden gefallen, aber vorrangig Aufmerksamkeit und daraus resultierende Begehrlichkeiten bei neuen Zielgruppen entfachen", sagt Mark N. Backé, Marketingleiter bei BMW Schweiz (vgl. Bild unten). 

Statt auf einen Testimonial-Werbefilm wie in Deutschland setzt man in der Schweiz auf Print-, Onlinebanner und Plakat-Werbung, inszeniert ähnlich wie eine klassische Teaserkampagne (persoenlich.com berichtete). Doch deren Auflösung erfolgt nicht wie erwartet ebenfalls auf dem gleichen Kanal zu einem einzigen Zeitpunkt, sondern laufend über verschiedene Kanäle, vor allem online auf ecoist.ch. Auf dieser Blog-ähnlichen Webseite publizieren Journalisten Text- und Bild-Storys, die sich nicht nur mit dem BMWi3 befassen, sondern das Themenspektrum des Bereiches Nachhaltigkeit mit erfassen, wie etwa der Bericht über den Basler Pop-up-Store "Raum 49 plus" von Jeroen van Rooijen oder die Gastrokritik über das Bio-Restaurant Equitable Sankt Meinrad von David Schnapp. 

Blogger und Journalisten schreiben für Ecoist.ch
Mit Jeroen van Rooijen, David Schnapp, Play Hunter oder Anna Kaminsky schreiben für ecoist.ch bekannte Autoren, die selber Blogs betreiben oder journalistisch tätig sind. Stilexperte van Rooijen amtet als Gatekeeper. "Meine Aufgabe ist es, die freien Mitarbeiter zu sortieren je nach Inhalt, Sprache oder fotografischem Anspruch. Zudem wollen wir Interaktion auf unserer Webseite. Die Leute sollen nicht alles zu hundert Prozent befürworten, sondern mit uns in einen Dialog treten", sagt er gegenüber persoenlich.com.

David Schnapp schreibt Kolumnen für die "Weltwoche" und betreibt einen eigenen Blog über Autos und Essen. "Ich mache keine Werbung für ein Auto, sondern schreibe über Autos und übers Essen – jetzt halt noch in einem weiteren Medium. Ich gehe davon aus, dass Jeroen van Rooijen Texte bei mir bestellt, weil er sie interessant findet. BMW bestellt keine Texte bei mir. Alle Artikel von mir, die auf ecoist.ch publiziert wurden, hätte ich auch in der Weltwoche oder auf meinem Blog dasfilet.ch so publiziert", sagt er auf die Frage nach der Vereinbarkeit seiner Tätigkeiten.

Vierstellige Warteliste für Testfahrten
Die Strategie scheint aufzugehen: Auf ecoist.ch wurden von Mitte November bis Mitte Dezember 260'000 Page Impressions und über 70'000 Unique Clients gemessen, wie Moser von Serviceplan erklärt. Und auch BMW jubelt: "Die Zahl der Anfragen für Probefahrten übersteigt derzeit unsere kühnsten Erwartungen", sagt Marketingleiter Backé. "Um darauf angemessen reagieren zu können, haben wir einen zentralen Concierge Service eingerichtet, der sich um eine gezielte Betreuung dieser Interessenten bemüht. Und dennoch bewegt sich derzeit die Warteliste im vierstelligen Bereich. Und das, obwohl aktuell pro Agent mehrere Fahrzeuge ausschliesslich für Probefahrten im Einsatz sind. Selbstverständlich werden wir diese weiter erhöhen".

BMW äussert auch schon die Absicht, ecoist.ch über die Lancierung hinaus, 2014 weiterzuführen.

Das offizielle Lancierungsvideo des vollständig elektrischen BMW i3.

Im BMW-Bulletin, das bei den Schweizer BMW-Händlern aufliegt, sind Texte zu lesen, die vorher online auf ecoist.ch publiziert wurden.

Bericht: Edith Hollenstein

 

 

 

 

 


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