25.04.2006

"Die Schweiz wird wieder als Testmarkt wahrgenommen"

Schweizer PR-Agenturen gehen vermehrt internationale Kooperationen ein. Dies führt zwar zu neuen Mandaten, birgt aber auch die Gefahr einer Abhängigkeit. "persoenlich.com" hat mit Peter P. Knobel über die Situation auf dem Schweizer PR-Markt gesprochen. Dabei erläuterte der Präsident des BPRA auch, warum es ihm Besorgnis bereitet, dass Aufträge immer öfter über einen Pitch vergeben werden. Das Interview:
"Die Schweiz wird wieder als Testmarkt wahrgenommen"

Peter P. Knobel, Sie konnten einen Aufschwung in der PR-Branche verkünden. Geht es der Branche nach eher schwierigen Jahren "nur" besser oder wirklich wieder gut?

Die Branche hat sich erholt. Neben der Steigerung im 2005 hat eine aktuelle Umfrage unter den BPRA-Agenturen ergeben, dass alle auch für 2006 ein markantes Wachstum erwarten. Das erste Quartal hat gezeigt, dass die Anfragen für Neugeschäfte deutlich zugenommen haben.

Die PR-Agenturen sind vermehrt internationale Kooperationen eingegangen. Ist das Wachstum des Honorarvolumens auch darauf zurückzuführen?

Das hat sicher damit zu tun. Wir haben feststellen können, dass die Schweiz von internationalen Unternehmen vermehrt wieder als Testmarkt wahrgenommen wird, um Produktlancierungen auszuprobieren. Kampagnen werden zunächst in der Schweiz -- übrigens in allen drei Landessprachen -- getestet, um Erfahrungen zu sammeln. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Schweizer Markt kommen diese Kampagnen dann auch im Ausland zur Anwendung. Das erklärt auch, warum alle Agenturen das grösste Wachstum im Bereich der Marketing Kommunikation erwarten.

Mit dem Eingehen von Kooperationen entstehen immer auch Abhängigkeiten. Ist darin für eine PR-Agentur auch eine Gefahr verborgen?

Man muss zwei Arten von Kooperationen unterscheiden. Trifft eine Schweizer Agentur mit einem internationalen Agentur-Konzern eine Associate-Vereinbarung und tritt dann faktisch wie eine Filiale auf, entstehen klare Abhängigkeiten. Vor allem in Bezug auf das Reporting und auf gewisse Standards, welche vom Agentur-Konzern vorgegeben werden. Agenturen die keinen Associate-Status eingehen, sondern einem losen Netzwerk beitreten, das als Verein von unabhängigen, inhabergeführten PR-Agenturen zu verstehen ist, begeben sich in keine weitere Abhängigkeit. Die Kooperation dient dann allein der Geschäftszuführung.

Wie gross ist denn der Anteil an Mandaten, die dank internationalen Kooperationen zustande kommen?

Das hängt sehr davon ab, wie stark das entsprechende Netzwerk bzw. der Agentur-Konzern in Europa präsent ist. Bei Agenturen, deren Kooperations-Partner in Europa stark engagiert ist, können die Mandate eine Grössenordnung von 30 bis 35 Prozent ausmachen.

Wie sieht eigentlich das Verhältnis zwischen Mandaten aus der Privatwirtschaft und solchen von der öffentlichen Hand aus?

In der Regel stammen 85 Prozent der Aufträge aus der Privatwirtschaft, 15 Prozent kommen im weitesten Sinn von der öffentlichen Hand oder ihren Regiebetrieben. Bei einer Agentur wie Farner PR, die traditionsgemäss sehr stark mit der öffentlichen Hand zusammenarbeitet und diesbezüglich über beste Kompetenzen verfügt, kann dies deutlich abweichen.

Beim Bund und den Kantonen muss gespart werden. Wirkt sich das auch auf die PR-Branche aus?

Die Auswirkungen sind deutlich spürbar, und zwar in zwei Richtungen. Zum einen ist der Preisdruck enorm. Die öffentliche Hand vergleicht die Preise rigoros und vergibt ihre Aufträge sehr preisbewusst. Auf der anderen Seite ist auch das Bewusstsein für die Wirkungskontrolle ausgeprägt anzutreffen. Die öffentliche Hand setzt bei fast allen PR-Aufträgen ein Instrumentarium ein, um zu prüfen, ob mit den PR-Massnahmen die gewünschte Wirkung erzielt werden konnte. Es wird also sehr genau kontrolliert, ob das Geld gut eingesetzt wurde.

Der BPRA setzt mit der Bekanntgabe der Honorarvolumen und der Skills der Agenturen auf grosse Transparenz. Fehlt es der PR-Branche immer noch an Glaubwürdigkeit?

Man muss das von verschiedenen Seiten her betrachten. Aus der Optik der Werber hat die PR-Branche in Sachen Glaubwürdigkeit enorm aufgeholt und wird heute als gleichberechtigter Partner angesehen. Beim breiten Publikum und den Politikern, um weitere Anspruchsgruppen zu nennen, geniesst die Branche ebenfalls einen guten Ruf. Das zeigt eine Reihe von aktuellen Diplomarbeiten an Fachhochschulen, welche die Glaubwürdigkeit der PR-Branche untersuchten. Das grösste Glaubwürdigkeitsdefizit hat die PR-Branche immer noch bei den Medienschaffenden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es immer noch vereinzelt Agenturen gibt, die versuchen den Medien Geschichten zu verkaufen, die sich nicht als hieb- und stichfest erweisen. Das sind hausgemachte Probleme, die wir nicht den Medien in die Schuhe schieben dürfen.

Zwei BPRA-Agenturen haben ihre Zahlen nicht bekannt gegeben. Was geschieht mit diesen?

Beide Agenturen – Pleon C-Matrix und Creafactory – wurde in einer offiziellen Verwarnung mitgeteilt, dass der BPRA dies nicht toleriert. Für alle Mitglieder besteht die Pflicht, die attestierten Zahlen zu rapportieren. Kommen die Agenturen künftig dieser Verpflichtung nicht nach, droht der Ausschluss. Ausnahmeregelungen wird es nicht geben.

Die Agenturen des BPRA bemühen sich CMS II-zertifiziert zu werden. Ein weiterer Akt der freiwilligen Transparenz?

Bei der CMS II-Zertifizierung wird geprüft, ob die Agentur nach modernstem Management-Standard geführt wird. Dabei muss u.a. aufgezeigt werden, wie die Agentur finanziert ist und ob eine solide Akquisitionspolitik betrieben wird. Es geht ebenfalls um Fragen der Personalführung und -entwicklung. Ein grosses Augenmerk wird sodann auch darauf gerichtet, wie strukturiert, systematisch und überprüfbar die Projekte gemanagt werden.

Entsteht für die PR-Agenturen ein gewisser Marktdruck, der sie zur Zertifizierung zwingt?

Wir haben versucht, möglichst viele Agenturen mit Überzeugungsarbeit zur Zertifizierung zu bewegen, indem wir ihnen die Vorteile aufgezeigt haben. Ende 2006 werden wir voraussichtlich zwölf Agenturen mit CMS II-Zertifikat sein. Dadurch entsteht ein gewisser Druck für die anderen Agenturen gleichzuziehen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Zertifizierung bald zu einer Bedingung einer Mitgliedschaft beim BPRA wird.

Sie haben am Jahresmediengespräch erwähnt, dass Firmen in letzter Zeit häufiger PR-Agenturen zu Pitches einladen. Wie bewerten Sie diesen Trend?

Für die Agenturen ist dies ein kostspieliger Trend. Man muss sich bewusst sein, dass bei einer Pitch-Teilnahme für eine Agentur Kosten in Höhe von ca. 30'000 Franken entstehen. Wir sehen diese Entwicklung mit einer gewissen Besorgnis, weil dies auch zu Lasten der bestehenden Kunden geht. Die Agenturen sind gezwungen Personalkapazitäten für solche Pitches abzuziehen. Wir werden deshalb verstärkt darauf hinweisen, dass es auch andere Wege gibt, effizienter und genauso zielsicher Agenturen zu evaluieren. Wir glauben, dass gute Chancen bestehen, die Schweizer Unternehmen zu einem Umdenken zu bewegen. Bei internationalen Unternehmen kann man die Pitches aber nicht wegdiskutieren, da diese Praxis eine internationale Gepflogenheit darstellt.

Welche Ziele hat sich der BPRA für das laufende Jahr gesetzt?

Wir wollen unseren Mitgliedern vermehrt Workshops auf dem Gebiet der Unternehmensführung bieten. Die ersten beiden Veranstaltungen stehen bereits fest und behandeln die Bereiche Risikomanagement und Unternehmensbewertung. Zudem wollen wir die BPRA-Website www.bpra.ch zu einer Plattform ausbauen, die potenziellen Kunden einen vertieften Einblick über die Angebote der Agenturen ermöglicht und ihnen Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt. Weiter wollen wir auch offensiv auf PR-Agenturen zugehen, die wir als valable Mitglieder für den BPRA betrachten, um sie von den Vorteilen einer Verbandszugehörigkeit zu überzeugen. Grosses Potential sehen wir vor allem bei spezialisierten Agenturen, sei es im Bereich Gesundheitswesen, IT/Telekommunikation oder Investor Relations.


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