12.01.2005

Hans Klaus

"In Bern hat man Angst vor den Medien"

Ein Heer von Mediensprechern bevölkert die Bundesämter in Bern. Trotzdem, oder besser gerade deshalb habe die Politik dringenden Bedarf an professioneller Kommunikation, findet Hans Klaus, der frühere Pressesprecher von alt Bundesrätin Ruth Metzler. Für Wirz Corporate eröffnet er kommende Woche eine Niederlassung in Bern. "persoenlich.com" sprach mit dem Kommunikationsspezialisten über das schwindende Ansehen der Politiker, nötige Simplifizerungen und das Hinterherhinken der Politik gegenüber der Wirtschaft . Das Interview:
Hans Klaus: "In Bern hat man Angst vor den Medien"

Wirz Corporate eröffnet am 20. Januar in Bern ein Büro für Kommunikationsberatung. Besteht in der Politik eine derart grosse Nachfrage nach PR-Beratung?

Ja. Es gibt in Bern vor allem einen grossen Bedarf nach professioneller Kommunikationsarbeit. Während eine Unmenge von Lobbying-Aktivitäten ausgeübt werden, hat es kaum professionelle Kommunikationsagenturen, die sogenannte Sensibilisierungsprozesse und Abstimmungskampagnen durchführen können. Bei meiner Tätigkeit als Informationschef des EJPD habe ich die Erfahrung gemacht, dass in Bern diesbezüglich ein echter Mangel vorhanden ist. Insofern glauben wir bei Wirz Corporate, dass nicht nur von Seiten der Regierung, sondern auch der Verwaltung ein grosser Bedarf nach professioneller Kommunikation besteht.

Es gibt immer mehr PR-Berater für Politiker, zugleich sinkt das Ansehen von Politikern stetig. Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Nein. Meines Erachtens hinkt die Politik im Umgang mit den modernen Medien der Wirtschaft hinterher. Ein Zusammenhang besteht insofern, dass Politiker, aber auch die Verwaltung und öffentliche Organisationen, das Tempo und die sich ständig verändernde Arbeitsweise der Medien nicht nachvollziehen können. In Bern hat man Angst vor den Medien. In der Wirtschaft nutzt man die Medien für die eigenen Interessen besser.

Gibt es nicht im Gegenteil viel zu viele Personen in den Ämtern, die sich mit Pressearbeit beschäftigen?

Es ist richtig, dass sehr viele Informationsleute in Bern beschäftigt sind. Manchmal wäre weniger mehr. Es geht nicht um die Anzahl der Informationsleute, sondern um deren Qualität und deren Fähigkeit mit professionellen externen Stellen arbeiten zu können. Genau hier können wir als externe Kommunikationsspezialisten unsere Unterstützung anbieten, indem wir helfen Strukturen in der Verwaltung zu schaffen, die effizient sind. Zum Beispiel mit einem Audit der Informationsabteilungen.

In der Schweiz sind die meisten Politiker nebenamtlich tätig. Mangelt es deshalb an professioneller Kommunikation?

Dies ist eindeutig so. Auch wenn Kommunikation bei vielen zu Unrecht als Softdisziplin betrachtet wird: In der heutigen Zeit sind die einzelnen Instrumente dermassen professionalisiert, dass Einzelpersonen -- in diesem Falle Politiker/Innen -- ihre eigene Kommunikation kaum mehr selbst im Griff haben können.

Ein Politiker ist ein Verkäufer seiner Prominenz und seiner Ziele. Richtig?

Nein, ich glaube nicht, dass dies generell für die Politik in der Schweiz gilt. Ich habe in meiner Polittätigkeit erlebt, dass vor allem die Sachpolitik im Vordergrund stand und das Erreichen optimaler Lösungen für das Land. Auch wenn Profilierungssüchtige kurzfristig mehr Medienaufmerksamkeit auf sich ziehen können, langfristig macht sich seriöse Arbeit bezahlt.

In welchen Medien sollte ein Politiker Präsenz markieren?

Die Priorität liegt immer noch bei den Printmedien, da gerade komplexe Inhalte über dieses Medium immer noch am einfachsten transportiert werden können. Komplexe Sachverhalte lassen sich nicht in einem fünfzehnsekundenlangen TV-Beitrag vermitteln. In der Politik geht es schliesslich nicht nur darum, Entscheidungen zu fällen und diese zu transportieren, sondern vielmehr auch um die Lancierung von Themen und die darauf folgende politische Debatte.

Sie haben Vertreter der Wirtschaft ebenso beraten wie Politiker. Inwiefern unterscheidet sich die Kommunikationsstrategie dieser beiden Bereiche?

Kommunikationstechnisch gesehen gibt es keinen Unterschied. Bei der Definition der Inhalte jedoch sehr wohl. Ein Unternehmen hat klare, gewinnorientierte Zielsetzungen in der inhaltlichen Kommunikation. In der Politik ist man hingegen gezwungen, sich auf die politischen Opportunitäten abzustützen. Es reicht nicht aus, mit viel Idealismus und Zielstrebigkeit auf die Sache loszugehen, vielmehr ist die vorausschauende Sensibilisierung der Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung.

Ist es Ihre Hauptaufgabe die Komplexität der Sachverhalte zu reduzieren?

Ja und nein. Auch wenn die Simplifizierung sehr viele Gefahren birgt, man kommt nicht um sie umhin. Heute sind Vorlagen so komplex, dass oftmals gar Kommissionsmitglieder überfordert sind. Wer hat etwa zu Beginn der Diskussionen um die Bilateralen Verträge schon gewusst, um was es bei Schengen genau geht?

Ist jener Politiker am erfolgreichsten, der seine Ziele am einfachsten vermitteln kann?

Dies ist auch eine Frage der Plausibilität. Jener Politiker ist am erfolgreichsten, der seine Themen in eine Sprache übersetzen kann, welche die meisten Bürger verstehen und als plausibel erachten.



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