Am frühen Montagmorgen ging bei ausgewählten Medien sowie der Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine Einladung vom Rüstungskonzern Ruag zur «kurzfristigen Medienkonferenz» ein. Der Verwaltungsrats des Unternehmens habe entschieden, per 1. Oktober auf die Herstellung von Munition zu verzichten. Aus Ruag werde Ruag Green. Details dazu sollte es um 10.30 Uhr im Konferenzsaal Bernina im «Au Premier» beim Hauptbahnhof in Zürich geben.
Die verschickte Einladung zur Pressekonferenz war so gut gefälscht, dass die Nachrichtenagentur Keystone-SDA den Initianten der Aktion auf den Leim ging – zuerst jedenfalls. Die AWP kündigte an, die Pressekonferenz abzudecken, wenig später schickte sie eine Korrektur mit dem Hinweis, dass die Veranstaltung nicht stattfinde und, dass es sich um eine «Kunstaktion» handle.
Im Laufe des Vormittags ging die Fake-Aktion weiter. Im Namen von Ruag verschickten die Initianten eine Pressemitteilung, in der sie die Aktion verurteilten. «Der Technologiekonzern Ruag wird die Welt weiterhin mit Waffen beliefern und gegen die Urheber dieser schändlichen Falschmeldung werden gerichtliche Schritte eingeleitet», war darin zu lesen.
15 Personen an der Pressekonferenz
Durch den Anruf auf eine in der Pressemitteilung angegebene Handy-Nummer waren die Verantwortlichen für die Aktion rasch ausfindig gemacht. Dahinter stecken das Theater Neumarkt in Zürich sowie die internationale Aktivistengruppe The Yes Men. Die «Medien Performance» wurde im Rahmen der dreiteiligen Eröffnungsproduktion «They Shoot Horses, Don’t They?» durchgeführt.
Hayat Erdogan, Co-Direktorin Theater Neumarkt, war am Montagvormittag an der Pressekonferenz vor Ort, zu welcher nach ihren Aussagen gegenüber persoenlich.com rund 15 Personen gekommen waren – darunter Journalistinnen und Journalisten der WOZ, vom «Tages-Anzeiger», «20 Minuten» oder SRF Kultur.
Eingebunden in die Aktion waren zudem die Kabarettisten Patrick Frey und Viktor Giacobbo. Frey trat an der Fake-Pressekonferenz als neuer Pressesprecher von Ruag Green auf und Giacobbo teilte auf Twitter einen gefälschten CNN-Artikel über die Fake-Neuigkeit aus dem Hause Ruag.
Unglaublich - @RUAG_Group, Schweizer Top-Waffenhändler wird friedlich, grün und lieb! Gratulation! https://t.co/ZH4Fyif0Kd
— Viktor Giacobbo (@viktorgiacobbo) September 9, 2019
Man wolle mit der Aktion Fake News thematisieren, sagte Erdogan gegenüber persoenlich.com, und fügte an: Der Begriff werde sonst immer mit Hass und Verschwörung in Verbindung gemacht. Ihre Vision sei gewesen, Fake News in einen positiven Kontext zu setzen. Ein Unternehmen investiert in Windräder statt in Munition – was wäre wenn die Menschen, wenn auch nur wenige Minuten, glaubten, diese Utopie sei wahr?
Strafrechtliche Folgen?
Was von der Vision vom Theater Neumarkt und The Yes Men bis zu den Menschen im Land gelangt, hängt auch von der Berichterstattung der Massenmedien ab. Am Montag nahmen NZZ, «Tages-Anzeiger» oder «20 Minuten» die Aktion auf ihren Onlineportalen auf.
Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hingegen berichtete nicht und ist verärgert. Er habe den Verantwortlichen seinen Unmut über dieses gefakte Communiqué kundgetan, sagt Winfried Kösters, Chefredaktor Keystone-SDA gegenüber persoenlich.com. «Wir behalten uns allfällige Massnahmen bis hin zu strafrechtlichen Schritten vor», fügt er an.
Wohl im eigenen Interesse gelassener nimmt es die Ruag: «Weil sowohl die Einladung zur Medienkonferenz als auch die damit verbundenen Medienmitteilungen weder von Ruag stammen noch etwas mit Ruag zu tun haben, können wir die Aktion nicht kommentieren», sagt Pressesprecherin Kirsten Hammerich auf Anfrage. Sie würden in dieser Angelegenheit keine rechtlichen Schritte einleiten.
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10.09.2019 11:58 Uhr
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10.09.2019 09:10 Uhr