04.06.2013

FCB

"Viele Spieler würden jeden IQ-Test gegen Sie und mich bestehen"

12 Jahre lang war Josef Zindel Mediensprecher des FC Basel. Nun tritt er in den Hintergrund. In seinem Abschiedsinterview nennt er die wichtigste Regel, die Spieler im Umgang mit den Medien beachten müssen, blickt auf den hektischsten Tag im Laufe seiner Tätigkeit zurück und erklärt wie auf einem Matchblatt plötzlich der Name "Schweingruber" auftauchte. Zindel geht zudem auf das zurückgezogene Interview mit den Degen-Zwillingen ein, das im letzten Jahr für grossen medialen Wirbel sorgte. Und sagt: Heute würde er anders entscheiden.
FCB: "Viele Spieler würden jeden IQ-Test gegen Sie und mich bestehen"

Herr Zindel, bald verlassen Sie Ihren Posten als Mediensprecher des FCB. Wieso?
Ich habe den 60. Geburtstag und ein äusserst intensives Berufsleben hinter mir. Deshalb wollte ich den an sich ungemein spannenden, aber auch fordernden Job des Mediensprechers abgeben, so lange man mich noch brauchen kann. Zudem wuchs das Bedürfnis nach Rückzug aus der Öffentlichkeit. Ich bin aber sehr froh, weiterhin in einem selbst gewählten, reduzierten Umfang für den FCB arbeiten zu können.

Der FC Basel, gegründet 1893, ist ein Traditionsklub mit einer langen Geschichte. Welche Traditionen pflegten Sie während Ihrer Tätigkeit?
Obwohl ich sehr an der Historie des FCB interessiert und darüber auch gut informiert bin, gehörte nicht die Pflege der Traditionen zu meinen Kernaufgaben, sondern die Kommunikation, die Öffentlichkeitsarbeit und die mediale Betreuung aller Clubexponenten und aller am FCB interessierten Medien. Allerdings achten sowohl Präsident Heusler und ich auf die gute Tradition des FCB, nicht die Bodenhaftung und vor allem nicht den Kontakt zu unserer ungemein treuen Anhängerschaft zu verlieren.

Was werden Sie am meisten vermissen?
Diese Frage werde ich erst in ein, zwei Jahren beantworten können.

Erinnern Sie sich an den hektischsten Tag der letzten 12 Jahre?
Der hektischste Tag war eine Nacht: Die Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2006 mit den schweren Ausschreitungen nach dem FCZ-Heimspiel, die ein unglaubliches Medienecho auslösten und in der ich handstreichartig eine Medienkonferenz für den anderen Mittag mit allen wichtigen Exponenten des Clubs und den Behörden organisieren musste. Dazu kam die Sprachregelung. Immerhin führte dieser schlimme Tag dann Schritt um Schritt zu einer positiven Dialog-Annäherung zu unseren eigenen Fans, mit denen bis dahin kaum Kontakt bestand – was ein schwerer Fehler des Clubs war.

Benjamin Huggel (links im Bild) und Ivan Ergic (ganz rechts), zwei, die laut Zindel "jeden IQ-Test gegen Sie und mich bestehen würden".

Die grösste Panne?
Spontan kommt mir das letzte Testspiel gegen den FC Bayern im vergangenen Januar in den Sinn, als ich auf dem Matchblatt in der Eile des Gefechts bei der Bayern-Aufstellung Bastian Schweingruber statt Schweinsteiger schrieb – was selbst für die "Bild"-Zeitung zum höhnischen Thema wurde.

Wie wird Ihre neue Tätigkeit genau aussehen?
Ich werde Clubredaktor und Club-Historiker sein, also für unsere internen Medien federführend arbeiten, die Vereinsgeschichte weiter erforschen und dem Verwaltungsrat bei Bedarf in schwierigen Kommunikationsfällen beratend zur Seite stehen.

Durchlaufen die Spieler eigentlich ein Medientraining bei Ihnen?
Nein, denn das ginge auf Kosten der Authentizität des Einzelnen. Aber unsere Spieler und Trainer wurden von mir immer wieder situativ, also bei Ereignisfällen, beraten – und alle Interviews gegengelesen.

Was ist die wichtigste Regel, die ein Spieler im Umgang mit den Medien beachten muss?
Ehrlichkeit im Rahmen der Möglichkeiten und das Bewusstsein, dass er in einem Interview im Prinzip nicht mit dem interviewenden Journalisten, sondern zu den Fans spricht.

Wird auch das TV-Interview nach dem Spiel geübt? Oft scheint es, als sei das nicht die Lieblingsbeschäftigung der Spieler.
TV-Interviews werden nicht geübt. Und es ist auch nicht der Auftrag an die Spieler, hollywoodreif auftreten zu müssen. Aber sie sollen diese Interviews als "Part of the Game" betrachten. Spieler, die kamerascheu sind, wurden von mir aber nie zu TV-Interviews gezwungen.

Im letzten Jahr hat ein Interview, das die Degen-Zwillinge einem Online Medium gegeben hatten, grossen Wirbel ausgelöst (persoenlich.com berichtete). Die Degens bestanden schlussendlich darauf, dass das eigentlich ziemlich harmlose Interview nicht veröffentlicht wird. Was ist Ihr Standpunkt? Kann man einfach alles, was man in einem Interview gesagt hat, wieder zurückziehen?
Normalerweise sollte man das nicht tun. Im vorliegenden Fall habe ich die Degens unterstützt, das Interview zurückzuziehen, weil es nicht mehr als Interview, sondern als unbearbeitetes Transkript veröffentlicht wurde und weil der Online-Journalist nicht eben kooperativ beim Richtigstellen vieler Aussagen war. Allerdings würde ich heute anders entscheiden, weil der Entscheid, das gesamte Interview nicht zu autorisieren, ein grosses Medienecho ausgelöst hatte und damit einer subalternen Website, die kaum jemand kannte, zu kurzer Popularität verhalf – mit Betonung auf kurz, denn ich selbst habe den Namen der Website schon wieder vergessen…

Die beste Mannschaft, die der FCB je hatte?
Ist nicht zu definieren. Erstens, weil ich zum Beispiel die Mannschaft von 1923/24 nie spielen sah und zweitens, weil "beste" nicht immer mit "erfolgreichste" identisch ist. Klar dünkt mich, dass sie, wenn man es dann tun muss, in diesem neuen Jahrtausend zu suchen ist, also ab 2002.

Die grösste Spielerpersönlichkeit, die Sie je kennen gelernt haben?
Roger Federer. Das sage ich, weil er tatsächlich in den Kreis der grössten Spielerpersönlichkeiten gehört, aber vor allem, weil ich mich bei den FCB-Spielern nicht festlegen will. Klar aber ist, dass viele Spieler, die ich kennen lernen durfte, die Mär von "dummen" Fussballern krass widerlegten: Fabian Frei, Beni Huggel, Ivan Ergic, Julio Rossi, Marco Zwyssig, Franco Costanzo, Sébastien Barberis, Reto Zanni, Behrang Safari, Fabian Schär, um nur ein paar Beispiele zu nennen, würden jeden IQ-Test gegen Sie und mich bestehen.

Im Fussball geht es mittlerweile um viel, sehr viel Geld. Sind die Vereine heute Spielbälle wirtschaftlicher Interessen?
Nein, nicht die Spur. Im Gegenteil. Der Profifussball ist weltweit neben seiner unermesslichen emotionalen Kraft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ein FCB ist mittlerweile ein grösseres KMU und in Basel ein nicht ganz unwichtiger Arbeitgeber für annähernd 200 Menschen.

Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin Andrea Roth mit auf den Weg?
Im richtigen Moment das Richtige zu sagen – und im richtigen Moment zu schweigen, was ich bei dieser Frage tue. Denn ich muss ihr nichts auf den Weg mitgeben, sondern sie am Anfang einfach dort unterstützen, wo ihr allenfalls noch etwas die Erfahrung abgeht.

Interview: Adrian Schräder



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