26.08.2004

Wie kommuniziert die Bundesverwaltung?

Die eidgenössische Verwaltung mit ihren über 37'000 Angestellten steht durch die zunehmende Komplexität der Wirtschaft und dem dadurch entstandenen Bedarf an Informationen vor immensen Herausforderungen. Hierzu benötigen die Kommunikationsverantwortlichen in den rund 70 staatlichen Institutionen ein komplexes und weit verbreitetes Kommunikationsnetzwerk. Die Piar Bern unter Geschäftsführer René Bucher ist in persönlichen Interviews mit den Direktoren und Kommunikationsverantwortlichen von 40 Departementen und Bundesämtern sowie von staatlichen Organisationen dem Thema "Information und Kommunikation" auf den Grund gegangen. Das überraschende Fazit: Anders als von der Öffentlichkeit wahrgenommen, ist ein "Kommunikationsheer" eher die Ausnahme.
Wie kommuniziert die Bundesverwaltung?

In der Studie ging es darum, die Funktionsweise des Kommunikationsnetzwerkes in der eidgenössischen Verwaltung abzuklären. Konkret wurde nach informellen Informationsbedürfnissen gefragt, nach dem Vorhandensein und der Nutzung von Kommunikationskanälen sowie nach der Verbreitung von Informationen. Im Weiteren sollte eruiert werden, ob es Kommunikationsbedürfnisse gibt, die aus der Sicht der Befragten unzureichend befriedigt werden.

In die persönlich geführten Interviews wurden fünf Departemente, 30 Bundesämter und fünf weitere staatliche Institutionen einbezogen. Auf Stufe Departement wurden zwei Kommunikationsverantwortliche und drei Generalsekretäre befragt. Bei den Interviewpartnern aus den Bundesämtern und anderen staatlichen Institutionen handelte es sich um 25 Kommunikationsleiter und -leiterinnen, drei Generalsekretäre, sechs Direktoren, einen Stellvertretenden Direktor, einen Kommissionspräsidenten und einen Ressourcenmanager.

Das Kommunikationsnetzwerk spielt

Die Ergebnisse weisen auf ein stark verzweigtes, gut gepflegtes und -- verwaltungsseitig -- äusserst personenbezogenes Netzwerk hin. Die Verästelungen gehen bis weit in die verschiedensten Interessenorganisationen hinein. Marginaler Informationsbedarf besteht für ein Arbeitgeberrating oder für ein Lohnmonitoring. Damit ist ein standardisierter, periodisch durchgeführter Vergleich der Staatsangestellten mit den Angestellten der Privatwirtschaft gemeint. Drei Interviewpartner gaben an, dass der Kontakt zu Verantwortlichen aus der Privatwirtschaft noch zu optimieren wäre.

Interessanterweise wird in vielen Bundesämtern ein Grossteil der Informationsbeschaffung über den Direktor oder die Direktorin abgewickelt. Dieses Vorgehen beruht auf der Tatsache, dass die Leiter/-innen der staatlichen Institutionen das Kontaktnetz -- und somit den Grundstein für das Informationsnetz -- in ihren Pflichtenheften finden. Meist stützen sich die Departemente stark auf das Netzwerk der Fachpersonen in den Ämtern ab. In keiner der befragten Verwaltungseinheit existiert jedoch ein klar erkennbares System, wie man zu den gewünschten, meist projektbezogenen Informationen gelangt.

Fluch und Segen der Elektronik

Nun kann ein Informationsnetzwerk nicht nur in eine Richtung funktionieren. Hier spielt das Prinzip von Geben und Nehmen eine zentrale Rolle. Ausserdem gehört es zum staatspolitischen Auftrag der eidgenössischen Verwaltung, alle Bürgerinnen und Bürger sowie Körperschaften so zu informieren, dass sich diese korrekt verhalten können. Kein leichtes Unterfangen unter den teilweise engen Rahmenbedingungen, die sich in der Schweiz durch die sehr hohe Regulierungsdichte mit Gesetzen, Verordnungen und sonstigen staatlichen Schranken ergeben.

Wie sieht es nun konkret mit dem Geben von Informationen aus? Über welche Informationsinstrumente verfügt die Verwaltung, und wie werden diese in Zukunft aussehen? Das Spektrum an Informationsinstrumenten ist sehr breit. Zu den klassischen gehören Medieninformationen, Pressekonferenzen, Websites, Broschüren, Jahresberichte und Newsletter. Dann werden natürlich auch Kolloquien, Schriftenreihen, Fachartikel, CDs und Filme benutzt, um die Bevölkerung und die Interessenorganisationen über die Tätigkeiten der Verwaltung zu informieren. Der Chef eines Bundesamtes umschrieb das von seinem Amt genutzte Angebot an Kommunikationsmitteln vielsagend mit "alles nur Mögliche".

Wenn man bedenkt, wie breit die Zielgruppe der öffentlichen Verwaltung ist, erstaunt die Vielzahl von Informationsinstrumenten nicht. Unter dem immensen Spardruck aber werden die Kommunikationsaktivitäten -- auf die der Steuerzahler ein Anrecht hat -- in hohem Tempo eliminiert oder zumindest elektronisiert. Die Krux ist: Je weniger wir über die Tätigkeiten unserer Staatsverwaltung erfahren, desto mehr verbreitet sich die Angst, dass aus einem grossen Input (sprich Steuergelder) nur ein kleiner Output in Form von Arbeitsleistung resultiert. Auch bröckelt die Serviceleistung, denn Elektronisierung heisst allzu oft: weg von der Verbreitung von Informationen als Bringschuld, hin zur Holschuld. Erforderliche Informationen muss man deswegen immer häufiger selbst aus den tausenden Websites des Bundes holen, und von der manchmal recht zeitaufwändigen Sucherei kann wohl jeder ein Lied singen.

Ambivalenz verbreitet sich auch beim Dialog in elektronischer Form. Dem E-Mail-Verkehr können längst nicht alle Menschen etwas abgewinnen. E-Mail-Verkehr kann das Misstrauen der Bevölkerung in die Verwaltung beispielsweise durchaus fördern, da die für das menschliche Empfinden wichtigen Sensorien wie Klang, Stimme und Auge nicht beteiligt sind. Ein Abbau erfolgt auch bei den internen Informationen. Diese werden mittelfristig wohl nur noch in elektronischer Form als Intranet zur Verfügung stehen, nicht zuletzt auch wegen der Sparnotwendigkeiten.

Ein 'Kommunikationsheer' ist nicht die Regel

Eines ist sicher: All die Instrumente zur Vermittlung oder Gewinnung von Informationen müssen von Menschen bedient werden. Hierzu verfügen 80 Prozent der Befragten über ein spezialisiertes Team. 20 Prozent müssen ohne Kommunikationsspezialisten oder mit einer Teilzeitkraft auskommen. Angesichts des breiten und zum Teil sehr fachspezifischen Informationsbedarfs gegenüber der Verwaltung ist erstaunlich, dass es bei den meisten Ämtern nur ein sehr kleines Kommunikationsteam gibt, das sich im Bedarfsfall an das Departement wenden kann. Im Gegensatz dazu findet man kommunikationsseitig durchaus gut bestückte Departemente und Bundesämter. Doch es ist wohl nicht zuletzt den Medien zuzuschreiben, dass allgemein die Meinung vorherrscht, die Verwaltung sei mit einem Heer von Kommunikationsfachleuten ausgestattet.

Mehr interne Leistungen versus Flexibilität

Wie sieht nun das Verhältnis von internen zu externen Kommunikationsressourcen aus? Wie viel wird verwaltungsintern umgesetzt, und welcher Anteil finanzieller Mittel für Kommunikation geht an die Agenturen? Im Schnitt liegt das Verhältnis heute bei 80 Prozent interner zu 20 Prozent externer Leistungserbringung. Etwa die Hälfte der Befragten erwartet in den nächsten drei bis vier Jahren keine Verlagerung zwischen intern und extern. Je ein Viertel sieht eine Verlagerung zu noch mehr interner Leistung resp. zu mehr extern eingekaufter Kommunikationsleistung. Der Vertreter eines grösseren Amtes will das derzeitige Verhältnis von 90 Prozent intern zu 10 Prozent extern zukünftig gerade umkehren. Er verspricht sich davon tiefere Kosten und bessere Qualität. Hier scheint jemand die hohen Qualitätsansprüche und -leistungen der Public-Relations-Branche erkannt zu haben. Vorherrschend ist allerdings die Meinung, dass durch die Verlagerung von noch mehr Ressourcen nach innen gespart werden kann. Dies ist nur insofern richtig, als die Löhne und die Arbeitsplatzkosten über ein anderes Konto gebucht werden als Drittaufträge. Wegen des zunehmend schwankenden Arbeitsvolumens wird aber allgemein erkannt, dass ein höherer Anteil an Drittleistungen Vorteile punkto Flexibiltät bringen würde.

Interne Kommunikation hat höchste Priorität

Die Interviewpartner haben sieben gängige Kommunikationsarten favorisiert (siehe Grafik). Dabei erhielt die interne Kommunikation die höchste Priorität. Platz zwei belegten die persönlichen Gespräche, und auf Rang drei ist die Medienarbeit zu finden. Auf den letzten Rang kam die Business-to-Business-Information. Ambivalente bis schmerzliche Erfahrungen musste der Autor bei den Terminvereinbarungen machen. Hier fielen einige wenige Ämter durch Top-Service, Zuverlässigkeit und kurze interne Wege auf. Das Gros der angefragten staatlichen Institutionen zeigte aber wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit einer telefonischen Anfrage. Im Schnitt waren vier Telefonate nötig (total 264 Anrufe bei 66 Ämter), bis schliesslich 40 Termine standen. Beim Rekordhalter gingen der Terminvereinbarung elf (!) Anrufe voraus.

Fakten und Fragen als Grundlage für die Studie

In zahlreichen Verwaltungsstellen und insbesondere bei einzelnen konkreten Projekten ist die Komplexität der Aufgaben sehr hoch. Die Absicherung der Akzeptanz oder des Erfolges der einzelnen Vorhaben setzt eine professionelle und gezielte Kommunikation gegenüber den entsprechenden -- internen wie externen -- Zielgruppen voraus. Die Verwaltung verfügt im eigenen fachtechnischen Bereich über einen höheren Informationsstand als derjenige von Parlament, Wirtschafts- oder Branchenorganisationen resp. ihrer Vertreter. Diese wiederum haben oft bessere Kenntnisse über das aktuelle Marktgeschehen. Der Austausch von Informationen und somit eine gegenseitige Anhebung des Wissenstandes fördert -- und fordert! -- die Offenheit zu Veränderungen bei den verschiedenen Entscheidungsträgern. Findet dieser Austausch aber statt?

Die fachtechnische Kompetenz bei Vorschlägen von den über 37'000 Angestellten in der eidgenössischen Verwaltung wird sowohl vom Parlament wie auch von Interessenorganisationen abgelehnt, und zwar aus grundsätzlichen, ideologischen oder taktischen Gründen. Oft werden die daraus resultierenden Lösungsvorschläge in eine neue, vielfach sogar von den Urhebern unerwünschte Richtung gedrängt. In diesem Bereich ist ein gutes Pre-Marketing oder eine informelle Vernehmlassung bei wichtigen Entscheidungsträgern äusserst wichtig. Werden diese "Sicherungswerkzeuge" aber auch angewendet?

Um den Erfolg eines verwaltungsintern erarbeiteten Projektes oder einer geplanten Gesetzesrevision abzusichern, reicht der Kontakt zu wichtigen Entscheidungsträgern häufig nicht. Es muss vielmehr ein regelrechtes pädagogisches Informationsprogramm angewendet werden. Sind die hierfür benötigten Informationskanäle und Kommunikationsplattformen vorhanden, und werden diese genutzt?

Von der eidgenössischen Verwaltung werden ebenfalls Informationen verlangt. Die Interessenorganisationen und alle in der Schweiz wohnhaften oder tätigen Personen, die unter den von Parlament und Verwaltung gestalteten Rahmenbedingungen leben (müssen), sind an neuen Erkenntnissen, an wichtigen Überlegungen und Trends in unserem Staat interessiert. Und dies möglichst frühzeitig. Hier besteht ein Informationsauftrag der Verwaltung gegenüber allen Info-Interessierten. Werden diese vielfältigen Bedürfnisse genügend befriedigt?

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