TV-Kritik

Lieber Kilchsperger als Fussballnati

Schöner Sommerabend, tolle Stimmung, längst keine nervende Schweizer Fussballnati mehr, Roman Kilchsperger in gewohnter Bestform – der «Donnschtig-Jass» aus Zweisimmen hat Spass gemacht. Der Moderator steht über der Sache. Gottig ist die Laune bloss bei den Bürokraten am Leutschenbach. Grund: In einem offenen Gespräch mit der «Weltwoche» erzählte der ehrliche Kilchsperger unter anderem, wie er sich bei SRF selbst zensieren musste und «quasi eingeschläfert» wurde (persoenlich.com berichtete). In den nächsten Tagen muss er wegen seinen aktuellen Aussagen bei seinen Chefs antraben.

Es ist das alte Lied: Das Schweizer Fernsehen tut sich seit seinem Bestehen schwer mit echten (und dünngesäten!) Stars. Heidi Abel und Mäni Weber können sich leider nicht mehr darüber beklagen, hatten es zu Lebzeiten aber oft und immer wieder getan. Sascha Ruefer, der beste Schweizer Fussball-Kommentator, musste wegen lockeren Worten immer wieder beim früheren Sportchef Urs Leutert antreten und Schimpfe einstecken. Beni Thurnheer klopfte zwar auch gerne Sprüche, nur waren diese nicht so frech und mutig wie jene von Kilchsperger oder Ruefer. Darum gingen sie durch.

Bei seinen SRF-Teams konnte sich Roman Kilchsperger immer auf Rückendeckung verlassen. Auch dann, wenn einer seiner Sprüche mal für Ärger sorgte. Seine Chefs hingegen versagten. Und liessen ihn im Stich. Selbst dann, als ihr grösster Star von der Juso-Präsidentin Funiciello vulgär als «sexistisches Arschloch» bezeichnet worden war.

Ganz anders lief es auch diesbezüglich schon immer bei den öffentlichen-Sendern in Deutschland. Stars wie Thomas Gottschalk und Harald Schmidt durften im Boulevard-Medium Fernsehen jahrzehntelang «aus der Hüfte» reden. In der ZDF-Show «Na sowas!» sagte Gottschalk 1986 zu einer leicht bekleideten, älteren Akrobatin: «Erkälten Sie sich nicht – in dem Alter muss man mit den Eierstöcken vorsichtig sein.» Geschmacksfrage. Die damaligen ZDF-Chefs waren auch nicht glücklich darüber. Aber sie hatten Eier und liessen Gottschalk nicht im Regen stehen. Im selben Jahr übrigens wurde der Entertainer für diese Sendereihe mit der «Goldenen Kamera» ausgezeichnet. Die Intendanten wussten immer, was sie an Gottschalk hatten. Neben «Wetten, dass…?» und Specials für den Mainzer Sender durfte er gleichzeitig eine tägliche Late-Night-Show bei RTL moderieren.

Die Deutschen wissen und nutzen auch, dass manche Moderatoren aus der Unterhaltung auch Sport können. Oder umgekehrt. Oliver Welke, Reinhold Beckmann oder Johannes B. Kerner machen oder machten erfolgreich beides. Roman Kilchsperger, auch ein talentierter Sportmoderator, hatte jahrelang bei der SRF-Sportabteilung annonciert. Vergeblich. Jetzt dürfen sich die Teleclub-Zuschauer auf ihn freuen.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Victor Brunner, 13.07.2018 16:46 Uhr
    Wenigstens kann Hildbrand mit dem "armen, hilflosen und geprügelten" Roman noch etwas SRF Bashing machen. Peinlicher gehts nicht mehr. Wenn ein Kommentar zu früh oder ohne Faktenkenntnisse geschrieben wird kann er daneben gehen. Geschrieben nach dem Motto: Was interessiert mich der Schrott den ich gestern geschrieben habe morgen. RH immer noch im BLICK-Modus!
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