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Auf leisen Sohlen

Matthias Ackeret

Der Start kam überraschend, ohne grosse Ankündigung. Erst dieses Wochenende vermeldete die Sonntagspresse und persoenlich.com, dass nach Wochen des Wartens das Ringier-Prestigeobjekt Blick TV endlich starte: am Montagmorgen, 6 Uhr. Die Absicht erkennbar: keine zu grossen Erwartungen schüren, die nicht erfüllt werden können und unter denen das Image des Senders schon von Beginn weg leiden könnte. Solche Beispiele gibt es viele, denken wir an die Republik oder den damaligen TV-Sender S Plus Anfang der Neunzigerjahre. Aufgrund der harschen Kritik wurde der Programmbetrieb nach einem Jahr eingestellt.

Doch nun zurück zu Blick TV. Zusammenfassend kann man sagen: der Start des ersten Schweizer Digital-TV-Senders ist geglückt, keine technischen Pannen, ein grosszügiges Studio, eine solide Startsendung mit dem Moderationspaar Reto Scherrer und Simone Stern, wobei ersterer als ehemaliger SRF-Star («Samschtigs-Jass») das eigentliche Aushängeschild von Blick TV ist und in seiner neuen Funktion als Anchorman überzeugt.

Thematisch waren die neuen Sparmassnahmen bei der Post, ein Mieterknatsch im Schaffhausischen Beringen, der Geisterfahrer von Rubigen, der Hooligan-Prozess von Basel, eine falsch verlinkte Internetseite und der Umzug der Superstar-Gewinner in die Schweiz die Topthemen. Dazwischen eine Zusammenfassung der Fussball- und Eishockeyresultate (mit Bewegtbildern) sowie – unumgänglich – das Wetter. Eine klassische News-Sendung, wie man es von TeleZüri kennt, mit dem kleinen Unterschied, dass sie ständig ergänzt und aktualisiert werden kann. Klar, kann man über die Themenwahl diskutieren, doch das war heute morgen noch zweitrangig. Wie predigte TV-Pionier Roger Schawinski beim Start des Zürcher Lokalsenders vor 25 Jahren, bei dem auch schon Ringier beteiligt war: «Erst in der Rückschau erkennt man, dass die erste Sendung die Schlechteste war.»

Was auffällt, weder Blick-TV-Chef Jonas Projer, Blick-Chefredaktor Christian Dorer oder Ringier-CEO Marc Walder waren in der Startsendung präsent. Für das Haus Ringier untypisch und den Schreibenden fast schon zu viel der Zurückhaltung, schliesslich handelt es sich doch um das Prestigeprojekt des Verlagshauses, in welches sehr viel Geld investiert und für das sogar grössere bauliche Veränderungen beim Pressehaus an der Dufourstrasse vorgenommen wurden.

Die Frage aber, die sich für den Betrachter stellt: Hat jemand am Morgen überhaupt Zeit und Musse eine solche Sendung anzuschauen? Man kann davon ausgehen, dass sich dies die Macherinnen und Macher auch überlegt haben. Durch die permanente Wiederholung der Sendung, der Untertitelung sowie der Dauerpräsenz auf der Blick-Seite ist der neue Digitalsender nicht zu übersehen. Die wahre Bewährungsprobe für Blick TV stellt sich aber erst bei wirklich grossen Ereignissen, bei denen der Sender seine eigentlichen Stärken – Flexibilität, Geschwindigkeit und Livebilder – ausspielen kann. Es wäre interessant gewesen, wie Blick TV vergangene Woche über den Sturm «Sabine» berichtet hätte. Ein Ereignis, das visuell ist, das ganze Land betrifft und auch über eine hohe Emotionalität verfügt.

Blick TV wird seinen Weg gehen, wenn es sich nicht zu fest als Konkurrenz zu den bestehenden Sendern sieht, sondern vielmehr als deren Ergänzung. Zielpublikum ist die Generation Smartphone, die ein über ein ganz anderes Medienverhalten verfügt als ihre Eltern. Wird sich dieses Prinzip durchsetzen, werden es die etablierten Programme mit ihren Fixzeiten noch schwerer haben auf dem täglichen Marktplatz der Aufmerksamkeit.


Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von «persönlich». Die Starts der Fernsehsender S Plus, TeleZüri und Tele24 wohnte er als Redaktor bei.

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Kommentare

  • Koller Blanca, 17.02.2020 11:56 Uhr
    Ich finde, der Start ist fürs Erste geglückt und bin überzeutgt, dass die Generation der SmartPhones eine echte Lücke gefunden hat. Von Reto Scherrer als Anchor, erwarte ich bald mehr "freche, jedoch auch überzeugende, persönlche Einlagen", die ihn als Person, von allen anderen Moderaten abzeichnen kann, (siehe CNN Don Lemon und Chris Cuomo,) wobei Letzterer der Sohn eines Vaters, der Politiker ist.
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