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Der «unsensible» Herr Schaeppi

Matthias Ackeret

Die Aussage war gut platziert und sollte auch so wirken: Die Swisscom verzichte nächstes Jahr «weitgehend» auf Print- und TV-Werbung. Der neue Marketingkommunikationschef Achill Prakash wurde mit einem einzigen Satz im persoenlich.com-Interview in unserer Branche weltberühmt – und inspirierte die hiesigen Verleger zu akrobatischen Höchstleistungen: Er brachte sie buchstäblich auf die Palme. Cirque du Soleil würde über soviel Gelenkigkeit staunen.

Der Protest ist nicht unbegründet: Opfer der Prakashen Ankündigung sind nicht nur die SRG und die Lokalstationen, sondern auch die vielen regionalen und überregionalen Zeitungsverleger, die es immerhin noch gibt. Es braucht eine gewisse Chuzpe, aus der sicheren Laube in Worblaufen einer ganzen Branche, die – das muss betont werden – ohne staatliche Gelder auskommt, mit einem einzigen Satz die Zusammenarbeit zu kündigen. Was die Swisscom-Chefs um CEO Urs Schaeppi gerne vergessen: die Swisscom ist nicht ein Betrieb wie die anderen, er ist – dank staatlicher Mehrheit – ein «Staatsbetrieb» und hat sich deswegen auch gewissen Gepflogenheiten zu unterziehen. Etwas sentimental – oder naiv? – könnte man dies als «mediales Gemeinwohlhandeln» bezeichnen. In einem «normalen» Betrieb hätte man die Einstellung eines Internetportals wie Siroop und den damit verbundenen Millionenverlust nicht mit einem Lächeln abtun können.

Zweifelsohne kann es nicht Aufgabe der Swisscom sein, die lädierte Presse – auf die man hierzulande trotz der erschwerten Ausgangslage immer noch stolz ist – auf Teufel komm raus zu unterstützen und damit indirekte Presseförderung zu betreiben. Dies wäre wirklich zu viel verlangt. Gleichzeitig ist bezeichnend, dass sich Betriebe, die dank staatlicher Bevorzugung gross und mächtig geworden sind, gegenüber der Öffentlichkeit und der restlichen Wirtschaft oftmals durch wenig Sensibilität auszeichnen. Als wolle man durch besonders exaltiertes marktwirtschaftliches Gebärden überdünken, dass man staatliche Protektion geniesst. Die Post beweist diese Unsensibilität beispielsweise beim Poststellenabbau in den Regionen, die SRG beim stillen Ausbau ihres Onlineangebots. Vielleicht ist es höhere Ironie, dass schon bald mehr Swisscom-Werbegelder zu den amerikanischen Technologieriesen Google und Facebook abfliessen als in unsere Verlagshäuser.

Für die Mitbewerber Sunrise und Salt ergibt sich dadurch die einmalige Chance, die Visibilitätshoheit in den Schweizer Zeitungen zu gewinnen. Bei Migros und Coop, den grössten Schweizer Werbe-Auftraggebern, gehört es zur ungeschriebenen Doktrin, die Regionalpresse zu unterstützen. Eine Aussage, wie sie von Swisscomseite gemacht wurde, wäre – laut führenden Exponenten – undenkbar. Aber Migros und Coop sind auch nicht so modern wie die Swisscom. Oder glaubt zu sein.

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Kommentare

  • Michael M. Maurantonio, 07.09.2018 16:25 Uhr
    M.E. spielt die Musik hier auf verschiedenen Bühnen. Bleiben wir mal bei MarKomm& Sales: ich kenne (leider) die Strategie der Swisscom nicht. In der Strategiefindung sollten u.a. Parameter wie Personas, Communication gaps, touch points, CDJ etc. analysiert werden. Nehmen wir mal an, aus einer dieser hoffentlich fundierten, nicht-aus-dem-Bauch-raus-erfolgten-Analysen stellte die Swisscom fest, dass TV und Print für die Aktivierung der ZG und den Abverkauf ihrer Produkte und DL weniger effizient und relevant sind, als andere Touchpoints in ihrem Omnichannel-System. Muss ein börsenkotiertes Unternehmen nicht dafür schauen, dass die Ausgaben nach Relevanz, Effizienz, Effektivität, Nachhaltigkeit getätigt werden? Aber eben, in dubio pro reo. Politisch gesehen, sind Dissonanzen in Kauf zu nehmen und zu erwarten. Vollprivatisierung vs. Vollverstaatlichung? Davon habe ich zum Glück keine Ahnung, aber eine eigene Meinung…
  • Noé Tondeur, 06.09.2018 10:24 Uhr
    Ich weiss, es tönt unsensibel, und in der Kommunikation sind Aspekte von Emotionen und Sensibilität durchaus sehr wichtige Aspekte. Aber andererseits: Als eines der führenden ICT-Unternehmen ist es halt irgendwie schlicht konsequent. Und das gehört eben auch zu einer glaubwürdigen Strategie.
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