Am vergangenen Donnerstag war es für die SRG-Auguren klar: Die Topfavoritin macht das Rennen, Susanne Wille wird neue SRG-Generaldirektorin. Der Grund: Die 50-jährige Aargauerin nahm trotz Anmeldung nicht am SwissMediaForum, dem wichtigsten Medienanlass des Landes, teil. Angeblich, so wurde in den dunklen Gängen des KKL kolportiert, feile sie bereits an ihrer Rede für die samstägliche SRG-Delegiertenversammlung. Die mediale Resonanz, die diese Wahl hatte, erinnerte fast schon an die Trainersuche beim FC Bayern München, nur mit befriedigenderem Ausgang.
Am SwissMediaForum hätte die frischgekürte Generaldirektorin, die den Anlass während vieler Jahre selbst moderierte, nicht nur die einflussreichsten Verleger des Landes, sondern auch ihre beiden Vorgänger, den zurücktretenden Gilles Marchand und Roger de Weck, wie auch ihre bisherige Chefin, SRF-Direktorin Nathalie Wappler, getroffen. Diese – selbst lange als Favoritin gehandelt – nahm sich vor einigen Tagen mediengerecht mit einem Videofilm selbst aus dem Rennen, so wie auch der oberste SRF-Stratege Bakel Walden, der es dank seinem Jurorenjob beim Eurovision Song Contest in den letzten Tagen zu grosser medialer Präsenz schaffte. Walden hätte – so die Idee – mit Susanne Wille eine Doppelspitze bilden sollen. Auch eine Premiere: der SRG-Generaljob im Jobsharing.
Besonders pikant wäre aber die Begegnung mit Patrik Müller, dem Initianten des SwissMediaForum, gewesen. Dieser wurde letzte Woche von der NZZ kurzfristig als Favorit für den prestigeträchtigsten Schweizer Medienjob gehandelt und war – wie verschiedene Stimmen bestätigen – mehr als nur eine Lückenfüller-Kandidatur. Doch Müller, hauptberuflich mächtiger und auch gut vernetzter CH-Media-Chefredaktor, blieb den Wanner-Medien einmal mehr treu. Bereits als es um den neuen SRF-Chefposten ging, war Müller als Aussenstehender ernsthafter Kandidat gehandelt worden. Was keineswegs unüblich ist: Früher war es vielfach Usus, dass auch Persönlichkeiten ohne SRG-Stallgeruch zum Generaldirektor gewählt wurden: Mit Roger de Weck ein Publizist, mit Armin Walpen ein Spitzenbeamter des Bundes und für Leo Schürmann, der zudem zur Nationalbank-Spitze gehörte, war der SRG-Topjob Entschädigung für die verlorene Bundesratswahl.
Doch dies ist alles Tempi passati: Mit Susanne Wille tritt jetzt erstmals eine Frau an die Spitze des grössten Schweizer Medienunternehmens. Zudem verfügt die ehemalige «10 vor 10»-Moderatorin über die Medienbranche über grosse Bekanntheit und Beliebtheit, was im Abstimmungskampf gegen die «200 Franken sind genug»-Initiative nur von Vorteil ist. Zudem hat die studierte Germanistin in den vergangenen Jahren als SRF-Kulturchefin Managementerfahrung gesammelt. Als ehemalige Mitarbeiterin des Aargauer Regionalfernsehens Tele M1 kennt sie zudem die Welt der Privatmedien. Das alles ist nicht unwichtig: Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Gilles Marchand dürfte die mehrsprachige Susanne Wille verstärkt im medialen Scheinwerferlicht stehen, die SRG steht mittlerweile auch parteiübergreifend unter politischem Druck.
Susanne Willes Leistung wird schlussendlich daran gemessen, ob es ihr gelingt, die für die SRG existenzielle «200 Franken sind genug»-Initiative zu bodigen oder nicht. Verschiedene Indizien der letzten Monate deuten darauf hin, dass man sich bei der SRG-Spitze der Sprengkraft dieser Initiative noch nicht ganz bewusst ist und das Ganze – mit Nemo im Rücken – immer noch als Spaziergang wertet. Das kann gut möglich sein. Doch seit dem triumphalen Sieg bei der «No Billag»-Initiative vor sechs Jahren hat sich die mediale Welt – und vor allem die Zahlungsbereitschaft grosser Bevölkerungsschichten, wie die verlorene Abstimmung über die indirekte Presseförderung zeigte –, stark verändert.
Zudem dürfte die Sympathie gegenüber der SRG bei den anderen Medienhäusern nicht mehr so gross sein wie 2018, da mittlerweile viele selbst mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen und der SRG nicht mehr alle gesetzlichen und auch finanziellen Privilegien zugestehen. Das zeigte sich auch bei der «Elefantenrunde» beim diesjährigen SwissMediaForum, als CH-Media-CEO Michael Wanner, immerhin grösster privater Radio- und TV-Betreiber des Landes, unter bestimmten Voraussetzungen Sympathien für die Initiative bekundete. Dies beweist, dass das Volksbegehren nicht einfach als «SVP-Spinnerei» abgetan werden kann. Marc Walder (Ringier) hingegen stellte sich klar gegen das Volksbegehren, dies im Gegensatz zu Pietro Supino (TX Group), der sich nicht weiter zur Vorlage äusserte.
Im Gegensatz zu den vorherigen Medienministern (Sommaruga, Leuthard und Leuenberger) ging die SRG-Spitze bei Albert Rösti in einer für Schweizer Verhältnisse ungewohnten Brüskheit auf Oppositionskurs und verwarf dessen Idee, die Gebühren als Zeichen des Entgegenkommens bereits vor der Abstimmung in zwei Jahren auf 300 Franken zu senken. Das ist eine neue Tonalität zwischen Bundeshaus und Giacomettistrasse. Susanne Wille – dies ist jetzt schon klar – dürfte es in ihrer neuen Funktion nicht langweilig werden. Die Erwartungen – intern und extern – sind hoch, die grösste – und entscheidendste Hürde – stellt sich aber vor der Urne. So oder so: Wir gratulieren, Frau Generaldirektorin!
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.
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