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Jetzt mal halblang

Christian Beck

«Kommunikativer Overkill beim Blick – wie Ringier alles nur noch schlimmer macht.» So heisst es in der NZZ. Den Overkill sehe ich aber auch bei jenen, die den verbalen Ausrutscher von Ringier-CEO Marc Walder nun instrumentalisieren. Allen voran sind es vor allem Personen, die den bundesrätlichen Corona-Massnahmen kritisch gegenüberstehen.

Klar, Walders Aussage war ungeschickt. In einem Video war zu hören: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung.›»

Jetzt mal bitte alle einen Gang runterschalten. Es waren nicht nur die Ringier-Medien, die zu Beginn der Pandemie einen regierungsfreundlichen Kurs gefahren sind. «Die eher unkritische Berichterstattung in den ersten Märzwochen kann man verantwortungsethisch durchaus für angebracht halten», sagte Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss 2020 in einem persoenlich.com-Interview. Weil: «Journalisten sind einerseits beruflich dazu angehalten, Behörden zu hinterfragen und zu kritisieren. Auf der anderen Seite müssen sie sich auch darüber im Klaren sein, was sie mit ihrer Berichterstattung auslösen könnten.»

Walders Aussage kann jetzt nur gegen ihn verwendet werden wegen des kleinen Nebensatzes: «Da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt.» Hier wittern nun verschiedene Kreise eine Verschwörung. Ein Zürcher SVP-Kantonsrat fordert auf Twitter Walders Rücktritt. Er vergleicht den «#WalderGate» mit der Affäre um den Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand. Die Prognose des SVP-Politikers: «Ringier-Walder wird am Montag seinen Rücktritt bekannt geben.» Danach auch noch Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.

Dass die Suppe momentan derart heiss gekocht wird, nervt nur noch. Dass es vor allem Kritiker der Corona-Massnahmen sind, die in diesem Fall am lautesten gegen Ringier anbrüllen, ist schlicht nur noch peinlich. Der Skandal wird genau von jenen herbeigeredet, die sich zuvor darüber beklagten, dass vor allem Medien einen Keil in die Bevölkerung schlagen würden.

Der Fall Marc Walder ist kein Skandal. Es war nur eine ungeschickte Äusserung. Und diese rechtfertigt keinen einzigen Rücktritt.



Christian Beck ist Redaktor von persoenlich.com.

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Kommentare

  • Cristiano Pierre Coppelli, 11.01.2022 13:15 Uhr
    Ich finde es schon sehr speziell, dass man an der Dreikönigstagung einerseits von qualitativem Journalismus spricht und propagiert, andererseits die Aussage von Herrn Walder verniedlicht. Unter qualitativen Journalismus habe ich "RECHERCHE" verstanden, aber scheinbar muss man das umschreiben auf "Einfach schreiben was der Chef und der Bund sagt oder will". Was ist mit Berufsstolz, Ehre, Werte oder Integrität, kennt man das unter Journalisten nicht mehr?
  • Ueli Custer, 10.01.2022 09:38 Uhr
    Ich stimme Christian Beck zu 100% zu. Da wird eine uralte Aussage in einem damals völlig anderen Umfeld wieder ausgegraben um Argumente gegen das Mediengesetz zu konstruieren. Das ist nur erbärmlich und der Beweis, dass man keine schlagkräftigen Argumente hat.
  • Hans Rudolf Knecht, 08.01.2022 09:46 Uhr
    Wenn er Anstand hätte und seinem Berufsstand Ehre erweisen möchte würde er es von sich aus tun.
  • Pierre Rothshild, 07.01.2022 19:45 Uhr
    Danke, lieber Christian Beck, besser kann man es nicht schreiben. Das ist nun wirklich ein Sturm im Wasserglas. Oder, zu Beginn des Jahres, ein Sturm im Champagner-Glas.
  • Maja Ziegler, 07.01.2022 18:14 Uhr
    Herr Beck hätte sich den Kommentar sparen können. Es ist naiv zu glauben mit Beschönigungen und SVP-Bashing können er Walder Vergehen korrigieren. Wichtiger ist doch dafür zu sorgen, dass sich solches Fehlverhalten nicht wiederholt. Ob Köpfe rollen, entscheiden weder Herr Beck, noch die Andersdenkenden. Es werden die Leser sein, die sich distanzieren oder eben nicht.
  • Gerhard Weber, 07.01.2022 15:25 Uhr
    Jetzt aber mal halblang.....Ringier-CEO Marc Walder hat sich ungeschickt geäussert? Das ist wohl die verniedlichste Darstellung des Sachverhaltes. Gemäss eigenen Angaben hat sich Walder nicht nur ungeschickt geäussert, sondern als Verlagsleiter den Redaktionen aktiv und vorsätzlich Anweisung gegeben, sich staatsnah zu verhalten und sich in volle Abhängigkeit des Staates zu begeben. Das ist ein Verrat an der Demokratie, an der Bevölkerung und vor allem am freien Journalismus, an der vierten Macht. Die Aussage von Ringier-Chef Marc Walder, er habe seine Redaktionen konzernweit angewiesen, die Regierungen in der Pandemie zu unterstützen, rückt die Problematik der Staatsnähe von Medien in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Darum gibt es am 13. Februar 2022 nur ein NEIN zum neuen Mediengesetz, ein NEIN zu zusätzlichen Staatsmillionen für die Verlags-Milliardäre.
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