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Richtig organisiert ist halb gewonnen

Thomas Ruck

Es ist heute unbestritten und viele Studien haben es bereits gezeigt: Unternehmen, die auf das Kundenerlebnis als Unterscheidungsmerkmal setzen, sind erfolgreicher. Eine unserer Studien hat zum Beispiel aufgezeigt, dass sogenannte «Businesses of Experience» sechsmal profitabler sind als Organisationen, die nicht alle ihre Unternehmensfunktionen auf die Optimierung des Kundenerlebnisses ausrichten.  

Um aber über das Kundenerlebnis erfolgreich eine Präferenz für die eigene Marke zu schaffen, müssen drei Dinge vorhanden sein:

1. Für die Zielgruppen relevante, wertstiftende und möglichst einzigartige Produkte und Dienstleistungen.

2. Eine glaubwürdige Marketingkommunikation, welche die Differenzierung der Produkte und Dienstleistungen auf eine authentische Art und Weise verstärkt.

3. Eine «Big Idea», die radikal, sozial und über obige Produkt-, Service- und Kommunikationserlebnisse greifbar ist.

Damit das alles Wirklichkeit werden kann, müssen zweifelsohne viele Eigenschaften zusammenkommen: Mitarbeitende und Management im Unternehmen müssen vermeintlich Gegebenes hinterfragen, sie müssen empathisch sein, kreativ, analytisch und Geschäftssinn zeigen. Und sie müssen mutig genug sein, Wetten auf die Zukunft einzugehen.

Doch um das Produkt- und Serviceerlebnis (was ein Unternehmen tatsächlich anbietet und tut) mit dem Marketing- und Kommunikationserlebnis (was ein Unternehmen sagt, dass es tut) in Einklang zu halten, braucht es vor allem auch eins: eine voll integrierte Kunden- und Marketing-Funktion.

Wie schaut eine solche Organisation aus, die «Experience first» denkt und handelt? Sie hat sechs Kernelemente:

1. Segments & Themes: Bisher richten viele Unternehmen ihre Organisation vor allem nach Produktgruppen aus. Im Zeitalter der Experience-Economy ist das der falsche Weg. Sinnvoller ist es, sich an den strategischen Kundensegmenten oder Themen zu orientieren, welche es bedienen möchte und für welche es sich eine Differenzierung und einen kommerziellen Erfolg erhofft. Jedes dieser Segmente (z.B. Job-Einsteiger) oder Themen (z.B. Nachhaltigkeit) wird daher von eigenen Teams verantwortet; sie sind die Schaltzentrale für alles, was mit diesen Zielgruppen passiert. Sie haben das tiefste Wissen über die Bedürfnisse ihrer Segmente und die Aufgabe, die besten Produkt- und Kommunikationserlebnisse für diese Zielgruppen zu orchestrieren und mittels der richtigen Metriken laufend zu optimieren. Dafür arbeiten sie in multidisziplinären und voll integrierten Squads mit Experten aus «Proposition» und «Campaigns» zusammen. Und wichtig: Nicht nur die Experience-Orchestrierung, sondern auch die Verantwortung für das Geschäftsergebnis für die einzelnen Segmente liegt bei ihnen.

2. Brand & Experience Strategy: Dieses Team entwickelt die «Big Idea» des Unternehmens. Sie legen also fest, wofür ein Unternehmen stehen soll. Gleichzeitig sind sie das Bindeglied zwischen der grossen Idee und der konkreten Umsetzung über die Produkte und die Kommunikation der Marke. Damit setzt es die Leitplanken für die Arbeit der Segmentverantwortlichen und sorgt dafür, dass deren Angebote und Kommunikationen im Unternehmenskern verankert und konsistent sind.

3. Propositions: Dieses Team ist die Design-Werkstatt des Unternehmens. Es entwickelt im Auftrag der Segmentverantwortlichen herausragende und für die strategischen Segmente oder Themen relevante und wertstiftende Produkte und Dienstleistungen. Qualitativer Research, Business- und Service-Design, UX- und Visual-Design sowie das richtige methodische Rüstzeug sind hier angesiedelt. Das Team überwacht auch die Implementierung der von ihnen entworfenen Erlebnisse, damit auf dem Weg vom Design bis zur Lancierung kein relevantes Detail verloren geht.

4. Campaigns: Dieses Team steht für die glaubwürdige Zielgruppenansprache. Es findet kreative Ideen, Botschaften und Wege, wie das Unternehmen die besonderen Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung mit authentischen Kommunikationskampagnen verstärken kann. Es stellt sicher, dass Produktversprechen und Zielgruppe «zusammenfinden». Dafür arbeitet es von Beginn weg Hand-in-Hand mit dem «Propositions»-Team und dessen gemeinsamen Auftraggeber «Segments & Themes». Vielerorts ist dies heute das (reduzierte) Verständnis oder die Rolle der Marketingfunktion.

5. Customer Insights & Analytics: Diese Gruppe ist das «Superhirn des Unternehmens» in Bezug auf Kundendaten: Alles, was sich damit messen und daraus ableiten lässt, ist hier bekannt. Dieses Team ist daher der dritte Musketier, welcher zusammen mit «Propositions» und «Campaigns» die Entwicklung der effektivsten Produkt- und Kommunikationserlebnisse vorantreibt.

6. Marketing Operations: Diese Einheit ist der Maschinenraum und produziert allen kanal-, sprach-, kultur- und mikro-segment-spezifischen Content, bestimmt das datenseitige Targeting, aktiviert die verschiedenen Kampagnen auf allen Kanälen, überwacht deren Wirksamkeit mittels multi-touch Attribution und optimiert diese laufend. Erfolgsfaktoren, damit diese Schwerarbeit schnell, verlässlich, effizient und zu bezahlbaren Kosten abgewickelt werden kann, sind Industrialisierung, Automatisierung, «Right-Shoring» und der scharfe Fokus auf die Wertschöpfung jedes Marketingfrankens.

Sie mögen nun einwenden, dass in Ihrem Unternehmen ja alle diese Themen irgendwo abgedeckt werden. Und das ist in der Tat oft so. Es geht hier aber um mehr: Es geht um eine voll integrierte Kunden- und Marketingorganisation, die das gesamte Kundenerlebnis für die wichtigsten Zielgruppen eines Unternehmens orchestriert – und den damit erzielten Geschäftserfolg verantwortet. Ein Modell, mit welchem CMOs wieder die Kontrolle über die 4Ps des klassischen Marketing-Mix einnehmen und so zum Wachstumsmotor des Unternehmens werden können. 

In einer Zeit, in welcher neue Titel wie Chief Growth Officer, Chief Revenue Officer oder Chief Client Officer Einzug in die C-Level-Etage halten ist das notwendiger denn je. Denn was ist ein/eine CMO ohne die Verantwortung für Wachstum, Umsatz oder Kunden? 

Darum: Richtig organsiert ist schon mal halb gewonnen.


Thomas Ruck ist Managing Director bei Accenture Interactive.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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