Samuel Läubli, bauen Sie momentan grad am Schweizer DeepSeek?
Samuel Läubli: Besser noch: Bei uns lassen sich auch Sätze wie «Taiwan gehört nicht zu China» übersetzen (lacht). Aber im Ernst: Der Fall ist durchaus vergleichbar. Mit unserem KI-Übersetzer zeigen wir, dass man Unternehmen mit viel grösserer Finanzmacht – in unserem Fall DeepL – durch Forschung und geschicktes Engineering übertreffen kann.
Sie lancieren am Donnerstag einen KI-Übersetzer, der in seiner Basisversion gratis nutzbar ist. Eine Verifizierung durch Profis gibt es günstig: eine A4-Seite für 19 Franken statt wie sonst üblich für 90 Franken (persoenlich.com berichtete). Zerstören Sie damit nicht die Existenzgrundlage der Übersetzungsbranche?
Läubli: Die klassische Übersetzerbranche hat ausgedient. Wenn Sie zufällige Leute auf der Strasse ansprechen, kann Ihnen mit Garantie niemand eine Übersetzungsagentur nennen – ein KI-Tool zur automatischen Übersetzung aber ganz bestimmt. Mit unserem neuen Angebot bringen wir Profi-Übersetzung dahin, wo die Leute sind – und ab und zu die Sicherheit, dass eine soeben generierte KI-Übersetzung auch wirklich das sagt, was sie soll. Das bieten wir ihnen auf Knopfdruck. Und weil auch unsere Profis viel mehr KI einsetzen, sind 19 Franken pro A4-Seite für beide Seiten ein Gewinn. Für Übersetzungsagenturen, die nicht umdenken, gilt die alte Binsenwahrheit: Wer nicht geht mit der Zeit, geht mit der Zeit …
Fabian Dieziger: Die Übersetzungslandschaft stellt sich heute ganz anders dar als noch vor ein paar Jahren. Heute kennt jeder DeepL und/oder Google Translate und setzt diese Technologie auch ein, ob in der Firma oder auch privat. Wir schaffen ein neues Angebot, bei dem man den maschinellen Output auf Knopfdruck durch einen Profi überprüfen lassen kann. Dieses Angebot ist eine Chance für professionelle Übersetzer für Arbeit, die sonst spürbar auch bei Firmen intern gemacht wird.
Sind das Dumpingpreise für Privatkunden – oder was kostet Ihr Service Firmenkunden?
Läubli: Gleich viel – oder noch weniger im Abomodell. Im Moment ist er jedoch nur für Freitext. Wir können auch komplexe InDesign-Dateien und vieles mehr übersetzen, dafür gelten aber andere Preise.
Dieziger: Wir bieten Übersetzungslösungen von 0 bis 100 Prozent automatisiert. Die Kosten hängen von der Zielgruppe, der Wichtigkeit und auch vom Budget ab. In Zusammenarbeit mit Firmenkunden setzen wir das passende Setup auf.
Das neue Angebot entstand aus der Fusion von Supertext und Textshuttle. Diese war ungewöhnlich. Was steckt dahinter?
Dieziger: Wer heute auf verschiedenen Märkten aktiv ist, braucht eine Lokalisierungsstrategie. Hierbei sind Technologie und menschliche, sprachliche Expertise Teil einer erfolgreichen Lösung. Durch die Fusion von Supertext und Textshuttle bieten wir die erste Lösung aus einer Hand, bei der beide Elemente nahtlos ineinandergreifen.
«Unsere Sprachprofis haben KI-Expertise»
Sie haben 100 KI-Experten, die den neuen Übersetzer entwickelten. Was machen die traditionellen Übersetzer bei Ihnen?
Läubli: Wir beschäftigen keine «traditionellen Übersetzer». Unsere Sprachprofis haben KI-Expertise und sind viel mehr als Übersetzer:innen. Sie versorgen unsere Technologie mit verlässlichen Daten und führen Tests zur Optimierung und Qualitätssicherung durch, um nur einige Aufgaben zu nennen. Viele Übersetzungsagenturen beschäftigen heute keine Inhouse-Sprachprofis mehr – wir hingegen aus Überzeugung.
Die grossen Player investieren Milliarden. Wie wollen Sie da bestehen?
Läubli: Kennen Sie DeepSeek?
Dieziger: Wir zählen auf Firmen, die daran interessiert sind, dass am Entwicklungsstandort Schweiz in KI-Sprachtechnologie investiert wird. Die Diskussion, wohin Daten fliessen und wo sie verarbeitet werden, nimmt zu.
Mit Ihrem KI-Übersetzer wollen Sie laut interner Studie DeepL in drei von vier Sprachen schlagen. Ist das mehr als Marketing?
Läubli: Überzeugen Sie sich gerne selbst. Unser Research-Team hat ein detailliertes Forschungspapier zu unserer Evaluation verfasst und alle Daten zur unabhängigen Verifizierung veröffentlicht – das geht sehr viel weiter als die Behauptungen von DeepL.
Sie versprechen acht Minuten für eine professionelle Übersetzung – ist das seriös?
Läubli: Ja.
Ich konnte den Service im Vorfeld testen. Nach 1500 Zeichen war Schluss. Kommt da noch mehr?
Läubli: Mit unserem KI-Übersetzer können Sie beliebig lange Texte übersetzen. Zum Beispiel auch eine ganze Bibel in Schweizer Mundart – was ein besonders passionierter User bei uns tatsächlich schon gemacht hat. Beim Profi-Check sind aktuell bis zu 3000 Zeichen möglich, wir bauen das Angebot aber laufend aus.
Ihr System erkennt Corporate Language. Wie funktioniert das?
Läubli: Indem es laufend von unseren Sprachprofis – oder denen in Ihrem Unternehmen – dazulernt. Das ist das wirklich Unschlagbare an unserer Plattform: Wenn Sie starten, kennt unsere KI Ihr Unternehmen nicht – sie ist lediglich so gut wie DeepL. Wann immer Sie etwas von Profis anfertigen lassen – zum Beispiel die Verifikation einer A4-Seite für 19 Franken – fliesst das Ergebnis in Ihre KI ein, mit der sie nun noch besser vollautomatisch übersetzen können.
«Die Datenverarbeitung findet komplett in der Schweiz statt»
Unternehmen sollen so von individuell trainierbaren Sprachmodellen profitieren, welche die Corporate-Sprache übernehmen. Wie schützen Sie Firmengeheimnisse?
Läubli: Unser Unternehmen ist neben Übersetzungsstandards nach ISO 27001 und 9001 zertifiziert. Die Datenverarbeitung findet komplett in der Schweiz statt – ich kenne keinen anderen KI-Übersetzer, der das bietet. Nicht zuletzt deshalb zählen wir Banken wie Raiffeisen oder Versicherungen wie Axa zu unseren Kunden.
Die Enterprise-Version verspricht doppelt so viele druckreife Texte. Ein gewagtes Versprechen, oder?
Läubli: Unsere KI-Division ist ein Spin-off der Universität Zürich. Fachleute bei uns haben die Bewertung von KI-Qualität über Jahre im akademischen Kontext erforscht. Diesen Anspruch haben wir an jedes Spezialisierungsprojekt, das wir mit Enterprise-Kunden durchführen. Bevor wir Sie mit Zahlen langweilen, sprechen Sie am besten direkt mit unseren Kunden – sie werden es Ihnen bestätigen.
Was macht Ihren Service im Vergleich zu ChatGPT oder Gemini einzigartig?
Läubli: Systeme wie ChatGPT und Gemini sind Allrounder bei den verschiedensten Textaufgaben. Supertext ist auf Übersetzungen spezialisiert – und dadurch bei dieser Aufgabe wesentlich genauer.
Und was macht die Schweiz als KI-Standort attraktiv?
Läubli: Das tönt jetzt langweilig, aber vor allem gute Hochschulen und fantastisch ausgebildete Leute. Die Start-up-Szene würde ich mir in der Schweiz – speziell im KI-Bereich – sehr viel lebendiger wünschen.
«Unsere Erträge werden laufend in die Weiterentwicklung investiert»
Planen Sie eine internationale Expansion?
Dieziger: Supertext ist bereits seit über zehn Jahren mit dem Berliner Büro im EU-Raum tätig. Wir sehen hier weiteres Entwicklungspotenzial im Industrie- und Dienstleistungssektor.
Wie finanzieren Sie die Weiterentwicklung?
Dieziger: Unsere Erträge werden laufend in die Weiterentwicklung investiert. Supertext ist privat finanziert und mehr als 50 Prozent der Aktienanteile liegen bei Personen, die eine aktive Rolle innehaben. Das sehen wir als wesentlichen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen, die spekulativer Spielball von Investoren sind.
Wie sieht der Übersetzungsmarkt in fünf Jahren aus?
Dieziger: Fünf Jahre ist eine lange Zeit, wenn wir daran denken, wie der Markt vor fünf Jahren ausgesehen hat. Wir gehen davon aus, dass sich die Frage nicht mehr stellen wird, ob die Übersetzung mit KI gemacht wurde oder nicht, sondern am Erfolg im Markt gemessen wird. Das Thema Verständigung ist dann – fast – gelöst.