01.08.2023

Nationalfeiertag

Das sagte die SRF-Direktorin am 1. August

An der Bundesfeier in der Stadt Zürich hat Nathalie Wappler über Zusammengehörigkeit gesprochen. Ihre 1.-August-Rede vor rund 1500 Personen im Grossmünster hatte einen persönlichen Anstrich. Für die 55-Jährige war der Auftritt an einem Nationalfeiertag eine Premiere.
Nationalfeiertag: Das sagte die SRF-Direktorin am 1. August
Sprach am Nationalfeiertag im Zürcher Grossmünster vor 1500 Besucherinnen und Besuchern: SRF-Direktorin Nathalie Wappler. (Bilder: persoenlich.com/cbe)

Der diesjährige 1. August ist ein besonderer Tag gewesen für Nathalie Wappler, Direktorin Schweizer Radio und Fernsehen SRF und stellvertretende Generaldirektorin der SRG. Sie trat als Ehrengast und Festrednerin an der Stadtzürcher Bundesfeier auf. Reden hielt Wappler zuvor zwar schon einige, doch eine 1.-August-Ansprache gehörte bislang noch nicht zu ihrem Repertoire (persoenlich.com berichtete). Sie sei schon etwas angespannt vor ihrem Auftritt, sagte Wappler kurz zuvor gegenüber persoenlich.com. Möglich, dass es am speziellen Ambiente des Grossmünsters gelegen hat. Sie habe am Morgen einige Nachrichten von Bekannten, darunter befreundete Produzenten, erhalten. Diese hätten ihr Beisein angekündigt, erzählte sie mit Erstaunen.

«Hätte man mir vor 39 Jahren gesagt, dass ich 2023 in Zürich die 1.-August-Rede halten würde, ich hätte es für schlicht unmöglich gehalten», begann Nathalie Wappler ihre Ansprache an die «geschätzte Festgemeinde» – nach einigen anderen teils jungen Vorrednern und musikalischen Einlagen. Damals sei sie, Tochter von deutschen Eltern, 16 Jahre alt gewesen. Sie habe sich gerade entschieden, im nahen Konstanz zur Schule zu gehen und dort Abitur zu machen. «Wenn man an der Grenze aufwächst, ist die Frage des Dazugehörens weniger eine der Nation als eine der Region. In diesem Fall der Bodenseeregion», sagte Wappler in dem «für Thurgauer schönsten Dialekt der Schweiz». Diese Aussage wurde quittiert mit einem spontanen Lachen des Publikums. Ihr anfänglich leicht hörbares Zittern in der Stimme verflog dadurch flugs.

Zürich sei damals weit weg gewesen, weiter als Deutschland, das nur ein paar Strassen entfernt lag, fuhr Wappler fort. Um Zusammengehörigkeit drehte sich dann auch ihre Rede. «Jetzt steh ich hier und spreche zu Ihnen am Nationalfeiertag der Schweiz. Und das in Zürich. Dann gehört man wirklich dazu, nicht wahr?»


Petrus jedenfalls schien kein Fan des Schweizer Nationalfeiertages zu sein. Einige Tage vor der Stadtzürcher Bundesfeier hiess es auf der Website noch, es werde das Schönwetterprogramm auf der Stadthausanlage beim Bürkliplatz durchgeführt. Doch tags zuvor kam dann die Programmänderung: «Auf Grund der schlechten Wettervorhersagen findet die Feier um 11.30 Uhr im Grossmünster statt.» Der zuvor geplante Festumzug wurde abgesagt.

«Hören ist der intimere Sinn als Sehen»

Das Zürcher Grossmünster war bis auf den letzten Platz gefüllt – mehr noch: In den Gängen standen unzählige Besucherinnen und Besucher, viele darunter älteren Semesters. Gebannt lauschten die rund 1500 Anwesenden der Rede der gebürtigen Ostschweizerin – sie wurde in St. Gallen geboren und wuchs in Kreuzlingen auf. Apropos «lauschen»: Als sie Ende 2018 für den Job als SRF-Direktorin in die Schweiz zurückkehrte – zuvor war sie Programmdirektorin beim Mitteldeutschen Rundfunk MDR –, hätten ihr drei Dinge signalisiert, wieder daheim zu sein: das Glockengeläut, die ÖV-Durchsagen in vier Landessprachen und das Kurvenquietschen der Trams in Zürich. «Die Quietschzuverlässigkeit der ersten Trams am Morgen bringt die Gewissheit und Stabilität eines neuen Tages, trotz aller Sorgen und Nöte, die Sie vielleicht des Nachts verspürt haben», sagte Wappler.

Alle ihre drei Beispiele seien Höreindrücke gewesen. «Die Frage des Dazugehörens ist nämlich auch eine des Hörens, der Geräusche. Hören ist der intimere Sinn als Sehen», sagte die 55-Jährige auf der Kanzel, wo sonst der Grossmünster-Pfarrer vor vermutlich weniger Anwesenden jeweils seine Predigten hält. Es folgte ein sprachlicher Exkurs über die Wortherkunft von «hören» – und ihr Fazit: «Zusammengehörigkeit entsteht, wenn wir zusammen gehört haben: ‹ghöört› und ‹glosed›.»


Auch SRF als öffentliches Medienhaus «losed zue». Der Dialog mit der Bevölkerung sei zentral. «Es ist unsere Aufgabe, alle unterschiedlichen Standpunkte zu einem Thema abzubilden und damit der Bevölkerung eine Grundlage für eine unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen», so Wappler. Die SRG sei als öffentliches Medienunternehmen gemeinschaftlich finanziert. «So können wir sicherstellen, dass ein gleichwertiges und regional verankertes Angebot in allen vier Sprachregionen jeden Tag entstehen kann.» Über die letzten 90 Jahre sei so das grösste audiovisuelle Gedächtnis der Schweiz entstanden.

«Wie schaffen wir es, diese Zusammengehörigkeit aufrechtzuerhalten – in einer Zukunft mit zunehmenden Fake News oder den Gefahren, aber auch Chancen der sogenannten künstlichen Intelligenz?», fragte Wappler mit Blick zur Festgemeinde. Es brauche glaubwürdige Stimmen, die durch transparente Quellenlage und verantwortungsvolles Fakten-Checking die Zusammenhänge erläutern würden. «Und diese Stimmen braucht es auch für ein jüngeres Publikum, das sich fast ausschliesslich über soziale Medien informiert», sagte Wappler.

In Ostdeutschland habe sie gesehen, was es bedeute, wenn es fast keinen Service public mehr gibt. «Und darum bin ich heute dankbar, in einem Land zu leben, das den Regionen Sorge trägt, das seiner Infrastruktur und seinen Traditionen gleichermassen Sorge trägt wie auch seiner Innovationskraft», so Wappler weiter.

Auch Gilles Marchand trat auf

Für Nathalie Wappler war die 1.-August-Rede wie erwähnt eine Premiere. Doch: «Es kam und kommt immer wieder vor, dass höhere SRG-Kadermitarbeitende, insbesondere Mitglieder der Geschäftsleitung der SRG oder auch Verwaltungsräte, für 1.-August-Reden angefragt werden», hiess es auf Anfrage. So hielt auch SRG-Generaldirektor Gilles Marchand bereits Reden zum Schweizer Nationalfeiertag – und tat dies auch in diesem Jahr im Schloss Aigle im Kanton Waadt.

Doch nicht nur SRG-Kadermitarbeitende halten Reden. Auch SRF-Aushängeschilder werden gerne angefragt, wie Beispiele aus jüngerer Vergangenheit zeigen. So trat «Arena»-Moderator Sandro Brotz 2021 im aargauischen Spreitenbach auf. Ein Jahr später sprach Michael Weinmann, Moderator von «Schweiz aktuell», zur Thurgauer Gemeinde Gachnang. Gülsha Adilji hielt, ebenfalls 2022, eine Rede am 1.-August-Fest im bernischen Grosshöchstetten. Und Sebastian Ramspeck, Internationaler Korrespondent und Moderator, trat in diesem Jahr im thurgauischen Horn vor das Publikum.

Zurück nach Zürich, wo die Thurgauerin Nathalie Wappler ihre Rede mittlerweile beendet hatte. Es folgte ein herzlicher Applaus, ein Blumenstrauss für die Rednerin und das abschliessende Singen der Nationalhymne. Nicht alle der 1500 Besucherinnen und Besucher stimmten ein. Nathalie Wappler jedenfalls schon.


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