21.07.2022

Hanspeter Bäni

«Ich dachte niemals ans Aufgeben»

Hanspeter Bäni, vielgekrönter Dok-Filmer des Schweizer Fernsehens, ist nach seiner Pensionierung mit seinem Kumpel Jürgen Podlass quer durch Deutschland gewandert. Jetzt ist er angekommen. Ein Gespräch über harte Böden und herzliche Begegnungen.
Hanspeter Bäni: «Ich dachte niemals ans Aufgeben»
«Meine 65-jährigen Knochen bewiesen mir, dass sie noch immer viele Nächte im Zelt auf hartem Boden überstehen können», so der ehemalige Dok-Filmer Hanspeter Bäni. (Bilder: zVg)
von Matthias Ackeret

Herr Bäni, kaum sind Sie beim SRF weg, durchqueren Sie Deutschland zu Fuss. Kann man dies auch als Flucht interpretieren?
Flucht vor was? Das SRF musste ich ja nicht fluchtartig verlassen, sondern ordnungsgemäss durch die Pensionierung. Diese ist natürlich ein einschneidendes Erlebnis. Das soziale Arbeitsumfeld bricht weg, der leidenschaftlich ausgeübte Job ist passé. Insofern entsprach die Fernwanderung auch einer Auseinandersetzung mit dem bisherigen und dem bevorstehenden Leben. Zudem wollte ich jeden Moment der langen Reise geniessen – so gut es ging. Das Ganze hielt ich mit der Kamera fest. Daraus sollte ein Film fürs Kino entstehen. Thema: Zwei Neurentner auf neuen Wegen.

Was gab den Ausschlag, ausgerechnet Deutschland zu durchqueren?
Deutschland ist derselbe Sprachraum wie die Schweiz. Das bietet sich natürlich an bezüglich Filmprojekt. Zudem war ich schon in aller Herren Länder, aber Deutschland war für mich mehr oder weniger Terra incognita. 

Wie lange dauerte die Wanderung und welche Erfahrungen haben Sie dabei gewonnen?
10,5 Wochen. Wir machten tolle Bekanntschaften, lernten die deutsche Gastfreundschaft kennen. Meine 65-jährigen Knochen bewiesen mir, dass sie noch immer viele Nächte im Zelt auf hartem Boden überstehen können. Zudem durchlief ich einen inneren Prozess, der mich mit mehr Gelassenheit und dem Sein in Berührung brachte.

Was waren für Sie die Höhepunkte der Wanderung?
Die vielen Bekanntschaften. Abends klingelten mein Wanderkollege und ich als Fremde an einer Haustüre mit der Bitte, im Garten des Hauses zelten zu dürfen. Wir erhielten nicht nur die Erlaubnis, sondern auch Gelegenheit zu duschen sowie oft Abendessen und Frühstück. Sensationell. Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns als «Freunde».

Und die Tiefpunkte?
Die ersten zwei Wochen musste ich einiges an Lehrgeld bezahlen. Mein Gepäck war nicht wasserdicht. Die Folge davon nach einem verregneten Tag: Auf 1000 Metern über Meer mitten im Schwarzwald an einem abgelegenen Ort bei fast null Grad eine Nacht lang zelten und nächtigen im nassen Schlafsack. Auch der Deichselbruch des Wanderwagens aufgrund wenig Erfahrung mit der Steuerung des Wagens auf unebenen Pfaden hätte ins Auge gehen können. Ohne Deichsel ist der Wanderwagen nicht mehr zu gebrauchen. Glücklicherweise brach die Stange in der Nähe eines Campingplatzes. Dort erhielt ich von einem netten Wohnwagenbesitzer eine Zeltstange und Werkzeug, sodass wir eine provisorische Lösung basteln konnten. Lehrreich waren auch tagelange Wanderungen durch entlegene Gebiete ohne Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten. Der fehlende Proviant hatte zur Folge, dass wir mit ein paar Feigen und Nüssen auskommen mussten. 

«Wir waren überall willkommen, wo wir anklopften»

Gab es einmal den Moment, an dem Sie ans Aufgeben dachten?
Niemals.

Wie haben Sie sich auf die Wanderung vorbereitet?
Gar nicht. Bin ja sonst sportlich unterwegs. Meine Frau sagte mir, ich solle wenigstens einmal vor Beginn der Reise im Zelt schlafen. Da sagte ich zu ihr, dass ich meine romantischen Vorstellungen von Nächten im Zelt nicht bereits in meinem Garten zunichtemachen möchte.

Was hat Sie an Deutschland am meisten überrascht?
Die Gastfreundschaft. Wir waren überall willkommen, wo wir anklopften. Von der Arztfamilie zur alleinerziehenden Mutter, vom Bauern zum Handwerker. Niemand wies uns ab.

Nun kehren Sie in die Schweiz zurück. Gibt es bereits nächste Wanderpläne?
Vorläufig nicht. Ich reise einfach weiter durchs Leben.



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Kommentare

  • Anita Krebs, 21.07.2022 16:01 Uhr
    Ich freue mich auf die Dok und habe die Hoffnung, dass sie vielleicht so ein klitzekleinwenig zur Imagekorrektur meiner Landsleute in der Schweiz beiträgt ...
  • Hanspeter Bäni, 21.07.2022 12:03 Uhr
    Die Postproduktion des geplanten Kino-Doks rollt bereits an. Aber da ich nicht mehr Termindruck habe, lassen wir uns Zeit.
  • Reto Brennwald, 21.07.2022 10:22 Uhr
    Und was ist jetzt mit dem Film? Anyway, herzliche Gratulation zu diesem Abenteuer!
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