09.12.2015

MEYER FRANK A., Oktober 2015

Frank A. Meyer ist eine der spannendsten Figuren im Schweizer Journalismus. Seit 30 Jahren beflügelt der langjährige Ringier-Kolumnist und -Journalist die Fantasie der Branche. Heute lebt er in Berlin, wo er Kontakte und auch gute Beziehungen zu den höchsten Regierungskreisen hat. Zeit für ein ausführliches Gespräch.

Herr Meyer, die Schweiz ist im Aufbruch. Soeben haben Sie sich gegen die unbeschränkte Einwanderung gestellt. Hat Frank A. Meyer sich gewandelt?
Ich habe mich in dieser Frage überhaupt nicht gewandelt. Das hat jüngst sogar die NZZ festgestellt – es ist gewissermassen amtlich: Ich schrieb schon 1993 gegen die unbeschränkte Einwanderung. Es geht mir darum, dass die Migration, die ja in einer Welt der sozialen und politischen Ungleichgewichte gar nicht zu vermeiden ist, in geregelten Bahnen verläuft: Die Zahl der Einwanderer darf die Integrationskraft eines Landes nicht überfordern, denn es sind die ganz einfachen Bürgerinnen und Bürger, die den Fremden aufnehmen und in unsere Gesellschaft einführen – im Mietshaus, auf der Strasse, bei der Arbeit, in der Schule. Andererseits hat der Fremde sich unserer Kultur anzupassen: Er muss sich unsere Gesetze, unsere Riten und Regeln, unsere Zivilisation anverwandeln. Ein Muslim muss also seine religiöse Überzeugung säkularisieren, was bedeutet, dass seine Frauen zu befreien sind vom Zwang zu Schleier und Kopftuch, denn die Gleichberechtigung der Geschlechter gilt nach unserem Recht bis in die Familie hinein. Koran und Scharia sind Verfassung und Gesetz untergeordnet.   

Wie beurteilen Sie den Zustand unseres Landes?
Die Schweiz ist ein Land im Umbruch, das sich diesem Umbruch leider lediglich auf Druck von aussen stellt. Das beste Beispiel dafür ist das Bankgeheimnis. Auch das Verhältnis zur Europäischen Union verändert sich nur, weil Brüssel auf einer grundsätzlichen Regelung, auf einem Rahmenvertrag besteht. Die drei Affen, die nicht sehen, nicht hören, nicht reden, sind leider auch symbolisch für die Schweiz, die politisch nicht auf die Welt kommen will.

Blenden wir zurück: Kürzlich waren Sie nach vielen Jahren wieder einmal im Berner Hotel Bellevue, in welchem Sie lange Zeit residierten. Was empfanden Sie dabei?
Bei solchen Erlebnissen komme ich mir selbst auf die Schliche. Man reservierte mir dieselbe Suite, die für mich viele Jahre ein festes Heim in Bern gewesen war. Im Bellevue hatte ich mein Bundeshaus-Büro. Ich stand also in diesem Raum, schaute durch die hohen Fenster, vor mir die Aare, der Gurten und die Berner Alpen. Da versuchte ich, die Zeitmaschine zurückzudrehen, und fragte das Doppelbett, die Sessel und das Tischchen, ob sie mich noch kennen würden. Sie antworteten nicht. Ein seltsamer Augenblick.
 



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