12.02.2004

Aebi geht und bleibt

Jean Etienne Aebi (Bild), Mitglied der Geschäftsleitung und des VR von Publicis, definiert sein Verhältnis zur Zürcher Agentur neu. Der vielfach ausgezeichnete Chief Creative Officer macht sich auf Anfang Juni unter eigenem Namen als "Creative Coach" selbständig. Die Mitarbeiter von Publicis wurden am Montag Abend informiert. Aebis erster Kunde heisst -- Publicis, bei welcher der 58-Jährige 50 Prozent seiner Arbeitszeit zur Verfügung stehen wird. "persoenlich.com" hat bei ihm nachgefasst. Das Interview:

Herr Aebi, welches sind die Hintergründe für Ihren überraschenden Abgang?

Veränderung hält jung (lacht). Und bei optimalen Verhältnissen wie bei Publicis besteht die Gefahr, dass die persönliche Herausforderung auf der Strecke bleibt. Auch reizt es mich, wieder nicht mehr nur einer einzigen Agentur und ihren Kunden zur Verfügung zu stehen.

Sie wollen unter eigenem Namen neue Aufgaben und Mandate wahrnehmen. Gründen Sie eine eigene Agentur?

Ganz sicher nicht! Schliesslich habe ich in meiner langjährigen Karriere alle Ups und Downs erlebt, die man mit einer eigenen Agentur erleben kann (lacht). Ich werde nur à la carte und nach Mass arbeiten. Was mich dabei besonders interessiert, ist "Qualität in Kontinuität". Oft ist das Gesamtniveau der Kommunikationslösungen zu uneinheitlich, agentur- oder kundenseits -- abgesehen davon, dass jeder Personen- oder auch Agenturwechsel immer Unsicherheiten aufwirft. Hier sehe ich Chancen, als eine Art Supervisor für Kontinuität und möglichst exzellente Werbung zu sorgen -- ob im Auftrag von Agenturen oder Unternehmen. Dazu können aber auch ganz andere Aufgaben kommen, zu deren Lösung ich etwas "Spirit and Speed" beitragen kann. Auf VR-Sitze allein bin ich jedenfalls nicht aus.

Man hat Sie in letzter Zeit öfters im Gespräch mit Werbeagentur-Chefs gesehen. Bahnt sich da eine neue Konstellation am Schweizer Werbehimmel an?

Ich rede immer mit Kollegen, die ebenfalls Agenturen leiten. In Zukunft wäre es natürlich nicht unmöglich, dass das auch mal über einen Flirt hinausginge. So oder so hat der Aebi jetzt erst einmal ein eigenes Büröli, bei dem jederzeit die Türen offen stehen. Aber ich werde nur mit bestehenden Strukturen arbeiten, keine eigenen aufbauen. Und einen guten Kunden habe ich ja schon: Publicis. Andere werden folgen oder auch nicht (lacht). Angebote gibt es schon einige -- ich werde mir jetzt schön Zeit lassen und bin nicht unter Stress. Was ich will, ist Spass an meinem Job und Sachen auf meine Art bewegen. Aufgrund meines Buches habe ich im übrigen im Übermass Angebote für Referate und Schulungen -- vor allem aus Deutschland.

Ursprünglich war Cornelia Harder als Managing Director/CEO von Publicis gesetzt. "Wegen ihrer privaten Lebenssituation" erhielt dann Kaspar Loeb den Job. Inwieweit spielt diese Rochade für Ihren eigenen Abgang eine Rolle? Ist er eine Spätfolge?

Nein. Meine Rolle bei Publicis definiert sich unabhängig von anderen personellen Entscheiden. Die Gründe für den Abgang von Cornelia Harder und die Ernennung von Kaspar Loeb sind sehr spezifisch, die letztere verspricht so oder so einiges Gutes für Publicis.

Dem Vernehmen nach hatten Sie und Fredy Collioud das Heu schon länger nicht mehr auf der gleichen Bühne. Ist dieser Zwist mit ein Grund für Ihr Ausscheiden?

Viel wichtiger ist doch, was wir beide zusammen erreicht haben! Tatsächlich sind der Collioud und der Aebi beide zwei Alpha-Tiere. Aber von der Grundkonstellation her auch ein ideales Ticket: Beide haben wir sehr verschiedene Talente, mit ein Grund für unseren Erfolg. Soviel zu Interna.

War Ihr Abgang von langer Hand geplant?

Was ist lang? Was ist kurz? Sagen wir es mal so: Der Entscheid ist mittelfristig gefallen.

Daniel Krieg, Uwe Schlupp und nun Sie: Publicis hat in den letzten paar Wochen drei Viertel ihrer kreativen Führung verloren. Zufall?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, die Gründe für diese Veränderungen sind verschiedener Natur. Fakt ist, dass Publicis und Aebi zusammen ziemlich happy waren, vereinzelte Schattenseiten gibt es immer und überall. Im übrigen habe ich seit dem Zusammenschluss von Aebi,Strebel und Publicis-Farner so ziemlich alles erreicht, was man in dieser Branche erreichen kann. Publicis ist heute wirtschaftlich und kreativ die Nummer Eins in der Schweiz. Wir haben diverse grosse Pitches gewonnen -- von der UBS 1998 bis hin zur Migros 2003. Wir konnten auch alle drei Gold-Effies der letzten Runde mit nach Hause nehmen und haben in den letzten zwei Jahren im Filmbereich sehr stark zugelegt, was vor allem mir ein grosses Anliegen war. Und ich durfte viele Talente fördern, was mir besonders wichtig ist.

Sie waren seit der Zusammenlegung von Publicis-Farner und Aebi,Strebel über den Daumen gepeilt an zwei Drittel der gewonnenen Preise von Publicis substantiell beteiligt. Kann es sich Publicis überhaupt leisten, solch einen kreativen Kopf gehen zu lassen?

Zwei Drittel? So hab ich das selber nie ausgerechnet (lacht). Tatsächlich habe ich meine Nachfolge bereits 2001 aufgegleist, als wir den bestens qualifizierten Markus Gut zum Geschäftsführer Kreation ernannten. Im übrigen ist es nicht eine einzelne Strahlefigur, die eine Agentur kreativ an die Spitze bringt -- es ist die starke Teamleistung. Daher mache ich mir auch keine Sorgen um Publicis.

Sie bleiben Publicis weiterhin als Creative Coach erhalten. Was umfasst die "feste Kooperations-Vereinbarung" im Detail?

Besagtes Mandat sichert, dass Aebi mithilft, die Kontinuität der konzeptionellen Leistung von Publicis zu gewährleisten. Darunter fällt weiterhin die Creative Direction für "meine" bisherigen Kunden wie ZVV, Migros, Gelbe Seiten oder auch Die Mobiliar und Emmentaler, die alle mit kreativer Werbung überzeugen.

Auf wie lange ist die Vereinbarung terminiert?

Unbegrenzt. Oder anders gesagt: Es gilt das Auftragsrecht gemäss OR.

Besteht für Publicis nicht die Gefahr, dass Sie der Agentur Kunden abspenstig machen könnten?

Im vorliegenden Fall ist es genau umgekehrt. Zum einen bin ich bis Ende Mai weiterhin Teil der Führung von Publicis. Da gibt es überhaupt keinen Anlass, mit Kunden etwas zu mauscheln. Zum anderen vertrete ich als mandatierter Brand Creative Director auch weiterhin uneingeschränkt die Interessen von Publicis gegenüber diesen Auftraggebern. Im übrigen gilt noch immer der hübsche Satz, dass die Kunden die Agenturen haben, die sie verdienen und umgekehrt.

(Interview: Almut Berger).

Vita:


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