25.09.2003

"David Honegger, steht Genf vor dem Aus?"

McCann-Erickson hat die Geschäftsleitung erweitert. Timo Kirez, der die Agentur bislang in Genf betreute, bestimmt ab dem 1. Oktober als Chief Creative Officer über die Geschicke der Agentur mit. "persoenlich.com" wollte von CEO David Honegger (Bild) wissen, was mit der Umstellung bezweckt wird, ob er die beim Stellenantritt gesteckten Ziele erreicht habe und wie die Verhandlungen mit Edi Andrist stehen. Das Interview:
"David Honegger, steht Genf vor dem Aus?"

Timo Kirez, der bisher CD in Genf war, übernimmt als Chief Creative Director zusätzlich die kreative Leitung von Zürich. Ist das der Anfang vom Ende für Genf?

Nein, gar nicht, im Gegenteil. Vielmehr ist das der Anfang einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den beiden Standorten. Zwischen Genf und Zürich findet bereits heute eine intensiver Austausch statt, ich bin jede Woche ein bis zwei Tage in Genf und Stratege Urs Jaermann wird mich zunehmend begleiten. Umgekehrt wird Timo Kirez künftig zweimal wöchentlich nach Zürich kommen.

Das Zentrum der Werbung ist in der Schweiz Zürich -- das sagen selbst die welschen Werber. Lohnt sich der personelle Einsatz denn überhaupt noch?

Natürlich habe ich mich beim Stellenantritt gefragt, ob zwei Standorte Sinn machen. Heute weiss ich, dass dies in der derzeitigen Situation absolut der Fall ist. Man kann ja nie für die Ewigkeit reden, aber mittelfristig ist die bestehende Lösung mit Sicherheit die beste: Genf arbeitet genau so rentabel wie Zürich, nur die Kundenstruktur ist anders. Wir schreiben hier wie dort dunkelschwarze Zahlen. Dass wir als letzte Grossagentur in der Romandie einen Full Service anbieten, bringt uns einen Wettbewerbsvorteil, den wir nicht aufgeben wollen. Es gibt auch Kunden, die explizit von Genf aus betreut werden wollen. Andererseits ist unser Brückenkopf in der Romandie bei Pitches immer wieder ein starkes Argument für uns. Nicht zuletzt schätzen aber auch einige unserer sehr international zusammengewürfelten Mitarbeiter den Standort Genf.

Es gibt also keinen Stellenabbau in Genf?

Es wurden aufgrund des Budgetdrucks eine Entlassung nötig und zwei natürliche Abgänge nicht ersetzt. Weitergehende Restrukturierungen waren aber keine nötig.

Die Beförderung von Timo Kirez könnte als De-facto-Rückstufung des zuvor gleichgestellten Zürcher CDs Dominik Imseng verstanden werden.

Dominik Imseng wird weiterhin in Zürich und Genf als CD tätig sein, Timo Kirez ist in der Geschäftsleitung neu für die Gesamkreation zuständig. Es stimmt, dass die beiden zuvor gleichgestellt waren. Ich weiss aber, dass Dominik Imseng sich freut, von der langjährigen Erfahrung des gestandenen Kreativen Kirez profitieren zu können. Alle Beteiligten sind von dieser Weichenstellung überzeugt, was ich als wichtiges Fundament für den Erfolg ansehe. Timo Kirez schaut sich in Zürich bereits um und sucht nach Möglichkeiten, wie wir hier einen zusätzlichen kreativen Schub hereinbringen können.

Sie möchten die Synergien zwischen Genf und Zürich stärker nutzen. Musste dazu wirklich eine Geschäftsleitungsstelle geschaffen werden?

Nein, tatsächlich schlagen wir hier zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen habe ich mir vor einem Jahr auf die Flagge geschrieben, Synergien vermehrt zu nutzen, und habe inzwischen feststellen müssen, dass das nicht von einem Tag auf den anderen geht. Hier wird Timo Kirez einen wichtigen Beitrag leisten, ein Geschäftsleitungssitz wäre dafür allein aber tatsächlich nicht notwendig gewesen. Allerdings möchte ich, dass das kreative Moment in der Geschäftsleitung ein grösseres Gewicht bekommt -- die bestehenden Mitglieder vertreten ja alle mehr oder weniger die Zahlenseite. Hier ein bisschen "kreativen Ungehorsam" hineinzubringen, war mein zweiter Grund für die Ernennung. Denn nur auf die Bottom Line zu schauen, kann für eine Agentur nicht die Lösung für die Zukunft sein.

Es macht den Eindruck, man habe von Ihrer Agentur in letzter Zeit nicht rasend viel gehört. Liegt das nur an der Kommunikation?

Wir sind möglicherweise nicht mit dramatischem New Business aufgefallen, das ist in der gegenwärtigen Situation aber sowieso bei den wenigsten Agenturen der Fall. Wir versuchen einfach, die Ausgangslage zu nutzen, die wir mit unseren spannenden Kunden haben. Zudem ist es so, dass das tolle und bedeutende Projekt XL Capital in der Schweiz nicht die gleiche Visibilität hat wie auf der internationalen Ebene. Insgesamt haben wir kreativ gesehen aber sicher Potential, noch besser zu werden. Ich wäre bei den Award-Rankings gerne wieder weiter vorne dabei. Früher profitierte die Agentur eben während Jahren von Einzelkämpfern, die mit Kleinkunden Preise gewannen. Wir versuchen nun, mit bezahlenden und auch mit den grossen Kunden zu punkten, was schwieriger ist.

Sie sind seit einem Jahr CEO der McCann-Erickson Schweiz. Sie wollten die Agentur beim Stellenantritt zu "einer der begehrtesten Agentur für Kunden und Mitarbeiter" machen. Ziel erreicht?

Mehrere Schritte in diese Richtung haben sicher stattgefunden. Wir werden an viele grosse und wichtige Pitches eingeladen. Wir sehen aber auch, dass wir an einige nicht eingeladen werden. Und dann passiert es auch, dass wir mal verlieren. Das ist aber normal. In Bezug auf New Business und Wachstum bin ich natürlich noch lange nicht zufrieden, die vergangenen zwölf Monate standen unter dem Zeichen der Konsolidierung. Während andere Agenturen nach unten korrigieren mussten, konnten wir das Niveau aber mehr oder weniger halten. Würden wir unsere Zahlen für das BSW-Ranking noch bekannt geben -- was wir wegen des nach "Enron" entstandenen Sarbanes-Oxley-Act nicht mehr können --, so hätte sich der Abstand auf die Spitze verringert.

Zum Schluss noch etwa Anderes: Edi Andrist hat vor Monaten eine Klage gegen Ihr Netzwerk angekündigt. Was ist der Stand?

Das kommentiere ich nicht.


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