11.03.2003

Edi Andrist bricht das Schweigen

Edi Andrist (Bild) wurde im vergangenen Herbst nach eineinhalb Jahren als CEO von McCann-Erickson Schweiz durch David Honegger abgelöst. Nach Andrists Karriere innerhalb der McCann-Mutter Interpublic Group of Companies (IPG) erfolgte die Freistellung unvermittelt. Über die Umstände befindet er sich derzeit in Gesprächen mit der kürzlich umgestellten IPG-Spitze. "persoenlich.com" hat Andrist gefragt, worum es dabei geht, was er die vergangenen sechs Monate getan hat und welches seine Pläne sind. Das Interview:
Edi Andrist bricht das Schweigen

Was geschah im vergangenen September?

Meine Freistellung kam überraschend, denn auch die Zürcher Agentur war zu diesem Zeitpunkt wieder sehr erfolgreich. Wir hatten gerade das globale Budget von XL Capital in der Höhe von mehreren Dutzend Dollarmillionen gewonnen. Hinzu kamen Cablecom -- ebenfalls ein zweistelliger Millionenbetrag --, PriceWaterhouseCoopers, Swisscard und Netzwerkmandate wie Credit Suisse oder Siemens. Insgesamt belief sich der Etat-Zuwachs auf mehr als 50 Mio. Franken, trotzdem warf man mir fehlendes Neugeschäft vor. Mir ist schleierhaft, wie man auf diese Begründung kam.

Eine andere Erklärung gab es nicht?

Nein. Diese Sprachlosigkeit zeigt, dass es keine relevanten Gründe gibt. Meine Freistellung hat sicher etwas mit dem Eintreffen des neuen Chairmans Schweiz und Deutschland von McCann, Helmut Sendlmeier, zu tun, der seine Aufgaben naiv-gefährlich angeht. Vielleicht gibt es offene Rechnungen seinerseits, die mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Auf meiner Seite bestehen jedenfalls keine Probleme. Nach meiner Meinung wurde ich geopfert -- dem hat Herr Sendlmeier sogar beigepflichtet. Und das ist doch eine eher fragwürdige Argumentation.

Mit ihrer Bilanz als CEO von McCann-Erickson Schweiz sind Sie jedenfalls zufrieden?

Ja und nein. In einer wirtschaftlich so schwierigen Phase kann man wohl nie ganz zufrieden sein. Ich habe versucht, schnell und richtig zu handeln. Dabei musste ich auch harte Entscheidungen fällen, das wäre aber jedem so gegangen. 2001 habe ich vor allem die Suppe anderer ausgelöffelt. Zudem hatte ich harte Vorgaben des Netzwerks, die ich aber 2002 allesamt erfüllte. Auch konnten wir 2002 sehr gut starten, was vom damaligen Worldwide CEO von McCann-Erickson, Jim Heekin, lobend erwähnt wurde. Bei meinem Weggang war die Agentur denn auch wieder balanciert und befand sich im Aufwärtstrend. Angesichts der positiven Zahlen kann ich meine Zeit als erfolgreich betrachten.

War es rückblickend richtig, den Managing Director von McCann Zürich, Erwin Brunner, gehen zu lassen?

Das habe ich mich damals auch gefragt. Führende Leute im Netzwerk waren aber der klaren Meinung, man müsse Erwin Brunner -- aus welchen Gründen auch immer -- entlassen. Zuerst habe ich dies mitgetragen, nach Gesprächen mit Brunner habe ich mich aber bei den Verantwortlichen für ihn eingesetzt, wenngleich erfolglos. Es gab anscheinend auch Schwierigkeiten zwischen meinem Vorgänger Heinz Flückiger und Erwin Brunner. Da war ich dann der Vollstrecker der Entlassung. Der Zeitpunkt war sicher nicht der Günstigste.

Was werden Sie nun tun?

Ich bin mit gewissen Forderungen an den kürzlich entlassenen Jim Heekin und an John Dooner herangetreten, der soeben vom Posten als IPG-Chef zurückversetzt wurde zum Worldwide CEO der McCann-Erickson WorldGroup. Sollte es zu keiner schnellen Lösung kommen, dann hätte meine Freistellung ein gerichtliches Nachspiel in den USA. Das dürfte der IPG und McCann-Erickson in der gegenwärtigen Lage nicht unbedingt willkommen sein. -- Meiner Meinung nach sind die Rochaden in der Konzernleitung übrigens erst die Spitze des Eisbergs. Es würde mich nicht überraschen, wenn andere Topmanager folgten.

Können Sie präzisieren, worum es bei Ihren Divergenzen geht?

Thema sind gewisse schwerwiegende Fehlentscheide von Führungsleuten, die nicht verargumentiert wurden, sowie Vertragsbrüche. Zudem kleinere Unregelmässigkeiten, die ich als Mitglied des Verwaltungsrates festgestellt habe.

Geht es bei Ihrem Kampf um Geld? Um Ehre?

Sowohl als auch.

Werden Ihnen Dinge angelastet, für die Sie in Wahrheit nicht verantwortlich sind?

Das ist offensichtlich so.

Hätten die Ursachen Ihrer Freistellung demnach besser begründet werden müssen?

Ja, ansonsten ist das willkürlich und missbräuchlich.

Sie fechten also die Kündigung an?

Ja, mein Vertrag wird nur teilweise erfüllt, und es gibt ein paar Inhalte, die ich jetzt nicht ausführen kann.

Was haben Sie seit dem vergangenen Oktober getan?

Erst war ich schockiert, das geht in dieser Situation wohl jedem gleich. Ich habe versucht, die Freistellung zu verarbeiten, was mir mehr oder weniger gelang. Jetzt liegt mein Fokus auf dem Dialog mit John Dooner und Nicholas J. Camera.

Bis wann erwarten Sie eine Entscheidung?

Das wird sehr schnell gehen, wenige Wochen. Kommt es zum Prozess, dauert es etwas länger.

Entscheidet sich jetzt, ob Sie innerhalb der IPG verbleiben?

So kann ich das leider nicht beantworten.

Aber sie könnten sich vorstellen, in die Gruppe zurückzukommen?

Nein, das ist momentan sehr schwer vorstellbar. Doch man soll nie "nie" sagen.

Wie sehen Ihre beruflichen Pläne aus?

So lange die jetzige Geschichte nicht abgeschlossen ist, kann ich auch nicht von einer anderen Zukunft sprechen. Ich setze mich aber sehr intensiv mit unserer Branche und unserem Tun auseinander. Ich liebe diesen Beruf, mache gerne Kommunikation und denke über neue Werbung und neue Inhalte nach. Ich versuche, zu einer Substanz zu kommen, die auch die Branche bewegen könnte. In welcher Form das möglich ist, wird sich zeigen.

Werden sie wieder im kreativen Bereich tätig sein?

Ich habe meine kreativen Tätigkeiten in der Gruppe nie eingestellt, denn ich glaube an Involvement. So war ich bei allen Neugeschäften der Zürcher Agentur direkt involviert, die Konzeptidee stammte oft von mir. Das hat uns letztlich den Erfolg gebracht, den McCann-Erickson -- zumindest in der Schweiz -- hoffentlich wird weiter ausbauen können. Ich kann da nur Allen Gutes, viel Glück und Erfolg wünschen.


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