06.03.2024

Nachhaltigkeit in der Werbung

Labels und CO2-Reduktion werden immer wichtiger

Jung von Matt, In Flagranti oder Ammarkt haben sich neu bei Evocadis bewerten lassen. Auch weil immer mehr Kunden diese Zertifizierung voraussetzen. Der LSA reagiert und integriert Green Media ins Klimapaket. Der Fokus: CO2-Reduktion statt Kompensation.
Nachhaltigkeit in der Werbung: Labels und CO2-Reduktion werden immer wichtiger
Eine Arbeitsgruppe von LSA und SWA setzt sich für mehr Nachhaltigkeit in der Werbebranche ein. Und die Allianz Green Media wird in den LSA integriert: Roland Ehrler (SWA-Direktor), Audrey Arnold (LSA-Geschäftsführerin) und Tobias Zehnder (Webrepublic-Gründer und LSA-Vorstandsmitglied). (Bilder: zVg)

Wie viel CO2 verursacht unsere Kampagne? Unter welchen Bedingungen werden die Werbemassnahmen produziert? Und wie kommen unsere Mitarbeitenden ins Büro? Solche Fragen werden für die Werbe- und Kommunikationsindustrie immer wichtiger. Roland Ehrler ist als Direktor vom Schweizer Werbe-Auftraggeberverband (SWA) im engen Austausch mit den Werbeauftraggebern. Er sagt: «Die Erwartungen punkto Nachhaltigkeit gegenüber allen Partnern werden in den nächsten Jahren steigen.» Bisher hätten Werbekreation, Produktion oder der Mediaeinsatz im Rahmen der diversen unternehmerischen Nachhaltigkeitsmassnahmen nicht erste Priorität gehabt. Der Fokus sei verstärkt auf diejenigen Bereiche gelegt worden, in denen der Hebel am grössten ist. Doch nun muss sich auch die Werbebranche der Nachhaltigkeit stellen.

Auch Leading Swiss Agencies (LSA), der Verband der führenden Kommunikationsagenturen im Land, definiert Nachhaltigkeit als eines der grossen Verbandsthemen für das aktuelle Jahr, wie Geschäftsführerin Audrey Arnold im Gespräch sagt. Aktuell können LSA-Agenturen mithilfe von ClimatePartner berechnen lassen, wie viel CO2-Emissionen ihre Werbung verursacht, und diesen ermittelten CO2-Fussabdruck kompensieren.

Dieses Angebot vom Verband wird als umfassendes LSA-Klimaschutzprogramm künftig neu ausgerichtet, wie Tobias Zehnder, Mitgründer von Webrepublic und LSA-Vorstandsmitglied, gegenüber persoenlich.com sagt. Zehnder hat sich in den letzten Jahren stark mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Werbebranche auseinandergesetzt. Vor zwei Jahren hat er die Klimaallianz Green Media initiiert (persoenlich.com berichtete). Im Rahmen der Initiative verpflichten sich zahlreiche Agenturen selbst dazu, ihre eigenen betrieblichen CO2-Emissionen zu reduzieren und die restlichen Emissionen komplett zu kompensieren. Zudem bieten sie den Werbekunden an, ihre CO2-Emissionen der Kampagne zu ermitteln und komplett zu kompensieren.

LSA setzt auf Reduktion statt Kompensation

«Die Initiative Green Media wird nun ins LSA-Klimaschutzprogramm integriert», sagt Zehnder gegenüber persoenlich.com. Allerdings werde es mittelfristig darauf hinauslaufen, dass nicht mehr die Kompensation, sondern die Reduktion von CO2-Emissionen im Fokus steht, ergänzt er. Für Zehnder macht dies am Schluss «einfach mehr Sinn». Wie können Agenturen zur CO2-Reduktion von Kampagnen beitragen? Zehnder stellt dazu Fragen in den Raum: «Muss die Gewinnerin oder der Gewinner eines Gewinnspiels unbedingt auf die Malediven fliegen, oder reichen vielleicht auch die Zermatter Berge?» Ein Klassiker seien die Crews, die für den Dreh der Sommerkampagne im Winter davor nach Südafrika reisen. Zehnder fragt: «Lässt sich das vielleicht nachhaltiger lösen?»

Der Werber ist grundsätzlich zufrieden mit dem, was Green Media bisher erreicht hat. «Wir haben der laufenden Diskussion um mehr Umweltbewusstsein noch mehr Aufwind verliehen», sagt er. Künftig wird das Thema Nachhaltigkeit integriert im LSA noch mehr Impact haben. Das Ziel sei, dass sich alle Mitgliedagenturen eine Selbstverpflichtung in Bezug auf ihre CO2-Emissionen auferlegen.

Viele neue Ecovadis-Zertifizierungen

Im Kampf für mehr Nachhaltigkeit in der Branche werden auch Nachhaltigkeitszertifizierungen immer wichtiger. Ein breit anerkanntes Label in der Schweizer Werbeindustrie ist mittlerweile Ecovadis. Einerseits setzen immer mehr Werbeauftraggeber wie die SBB oder die Unternehmen der Post für ihre Zulieferer eine solche Bewertung voraus. Andererseits wird die mehrdimensionale Bewertungsmethode mit dem Blick auf ökologische, aber auch soziale und ethische Aspekte als aussagekräftig angesehen. Dies geht aus Gesprächen von persoenlich.com mit mehreren Agenturen und Werbeauftraggebern hervor.

Wer sich zertifizieren lassen will, muss seine Bemühungen in den Bereichen Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und nachhaltige Beschaffung schriftlich einreichen. Beim Ranking stehen dann im Laufe der Zeit auch die Verbesserungsbemühungen im Fokus. Die Gebühren für die Zertifizierung belaufen sich je nach Modell jährlich auf 700 bis 2800 Franken. Vor allem bei der Erstanmeldung ist der Prozess zeitaufwendig.

In den letzten Monaten haben sich mehrere Schweizer Agenturen erstmals von Ecovadis zertifizieren lassen. Eine davon ist die Kommunikationsagentur Jung von Matt, die in Zürich 140 Mitarbeitende beschäftigt. «Zertifizierungen geben einen guten Überblick darüber, wo man sein Haus in Ordnung bringen sollte. Sie helfen Verbesserungspotenzial aufzudecken und Prioritäten zu setzen», sagt Stefan Näf, Managing Partner von Jung von Matt, gegenüber persoenlich.com. Ecovadis hat die Agentur zum Beispiel darin bestärkt, rasch eine Messung des CO2-Fussabdrucks anzugehen. Für das Rating relevant sind aber auch im Agenturalltag erlebbare Veränderungen. Bei Jung von Matt ist die gesamte Agenturverpflegung vegetarisch und Mitarbeitende werden mit einem Halbtax beim nachhaltigen Reisen unterstützt.

Auch die Kommunikationsagentur In Flagranti hat sich einer Ecovadis-Bewertung unterzogen. Die Agentur beschäftigt in Lyss rund 30 Mitarbeitende. «Es geht darum, zu dokumentieren, was für Massnahmen, Richtlinien, Vorgaben und Schulungen wir in den Themenbereichen Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und nachhaltige Beschaffung vornehmen, erlassen beziehungsweise durchführen», beschreibt Michael Hählen, Managing Director und Partner von In Flagranti, den Prozess. Positiv eingeflossen ist, dass die Agentur intern Schulungen zu Gesundheits- und Sicherheitsrisiken sowie zum Thema Diskriminierung durchführt. Und dass sie mit dem «Nachhaltigkeits-Dashboard» auf ihrer Website generell das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen fördert.

Auch die Agentur Ammarkt, die in St. Gallen und Zürich 32 Mitarbeitende zählt, hat ihre Unterlagen im vergangenen Herbst erstmals bei Ecovadis eingereicht. «Wir haben auf Anhieb besser abgeschnitten als rund 50 Prozent aller geprüften Unternehmen», sagt CEO Danijel Sljivo auf Anfrage. Im Grundsatz gehe es ihm nicht darum, ein möglichst hohes Rating zu erreichen, sondern den Kunden und Partnern zu zeigen, dass man nachhaltig arbeite, erklärt er.

Kein Korsett, sondern ein Dialog

Als einer der grossen Werbeauftraggeber setzt PostFinance Ecovadis als CSR-Tool für ihre Lieferanten voraus. «Wir beurteilen das Tool als verständlich, intuitiv und einfach in der Betreuung», sagt Derya Bastas-Rösch. Sie arbeitet bei der PostFinance in der Beschaffung und begleitet verschiedene Agenturen auf dem Weg zur Zertifizierung. Das Label sei ein guter Weg, um den Unternehmen Corporate Social Responsibility näherzubringen. Bastas-Rösch sagt: «Wir sehen diese Zertifizierung nicht als Korsett, sondern als Dialog und sind mit den Lieferanten stetig im Austausch.»

Auch wenn sich immer mehr Agenturen und Auftraggeber für ein Ecovadis-Ranking entscheiden: Eine Nachhaltigkeitszertifizierung, die von der Schweizer Werbeindustrie offiziell als Standard anerkannt wird, existiert bislang nicht. «Zertifizierungen können helfen, Transparenz, Vertrauen und Sicherheit zu schaffen», sagt SWA-Direktor Ehrler. Dennoch fehle es aktuell am Durchblick. «Für mich herrscht ein Wildwuchs an Nachhaltigkeits-Labels und ich weiss selbst nicht, was bei Agenturen oder Kunden im Moment gefragt ist», kritisiert er die Situation. Ähnlich klingt es beim LSA, der aktuell zwar in Bezug auf CO2-Emissionen einen Schritt macht, bei Zertifizierungen aber keine Hand bietet.  

Die beiden Verbände wollen hier künftig mehr tun. Auf Initiative vom SWA hat im letzten Herbst ein «grüner Tisch» zur Nachhaltigkeit in der Werbebranche stattgefunden. Inzwischen ist eine Arbeitsgruppe tätig, die sich um Standards in Bezug auf Nachhaltigkeitslabels bemüht. Nebst dem LSA ist hier auch IAB Switzerland involviert. Ehrler: «Das Ziel ist, bald zu einer Branchenlösung oder Empfehlungen zu kommen.»


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