12.05.2020

Corona-Spots

So werben Firmen in Zeiten von Corona

Auch wenn erste Lockerungen stattfinden: Viele Werberinnen und Werber sind weiter im Homeoffice, Drehs können nicht stattfinden. Wie greifen ihre Spots die Pandemie auf? Wir haben die Kampagnen von Migros, Groupe Mutel, Fondation Beyeler und dem Wallis analysiert.
von Edith Hollenstein

Groupe Mutuel

Groupe Mutuel nutzt die derzeitige Lagerfeuerstimmung: Hundertausende verfolgten die Medienkonferenzen, an denen der Bundesrat jeweils die neusten «Corona Updates» bekannt gab. Vor allem im März war das Interesse an diesen Konferenzen gross. So dürften viele Schweizer das Bild kennen, das Gesundheitsminister Alain Berset damals benutzte, um die Lage zu erklären: «Das ist kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Marathon.» Mit dieser Formulierung beginnt der Spot von der Agentur Franz&René für Group Mutuel, der online und am TV zu sehen ist.

Eine sich immer länger ausbreitende Wegstrecke, gesäumt von alten Bäumen soll verdeutlichen, dass dieser Marathon mit 8,5 Millionen Teilnehmenden Geduld und Solidarität braucht. Groupe Mutuel will damit Emotionen wecken – und sich selber als Akteurin darstellen mit ähnlichen Werten wie sie derzeit der Staat vertritt: als fürsorglich und umsichtig. Der Spot ist seit 4. Mai zu sehen. Also genau seit dem Zeitpunkt, als das Ende des Lockdowns absehbar wurde. Laut eigenen Angaben will Groupe Mutuel «die Schweiz daran erinnern, dass die Ziellinie in Sicht ist».

 

Der Kommentar von persoenlich.com: Ein emotionaler Film, der die aktuelle Lage ungekünstelt aufgreift. Hoffentlich ist das im Spot tatsächlich die Ziellinie und nicht erst die Markierung einer Zwischenetappe. 


 

Valais/Wallis

Auf Geheiss des Bundesrats sollen Schweizerinnen und Schweizer dieses Jahr im eigenen Land Ferien machen. Um im Gespräch zu bleiben und in der Hoffnung auf Gästezustrom, wenn dann irgendwann Radius und Mobilität wieder ansteigen, lanciert die Tourismusregion Wallis in Zusammenarbeit mit der Agentur Contexta eine TV-Kampagne, die von Online- und in Print-Massnahmen flankiert wird. Die Spots nehmen ebenfalls ein Motiv aus dem öffentlichen Corona-Diskurs auf: die Sache mit den Coiffeurbesuchen, die für lange Zeit eingeschränkt waren. Bei der Wahl des Themas haben sich die Verantwortlichen an den via Google meist gesuchten Begriffen orientiert

 

Der Kommentar von persoenlich.com: Clevere Idee, nach den am meisten gegoogelten Begriffen zu forschen! Neben aktuell besonders vielen Anfragen im Zusammenhang mit Masken bei Google Trends, war offenbar die Tage davor «Haare selber schneiden» besonders häufig im Google-Suchfeld eingetippt worden. Fast jeder im Land kann sich damit mit diesen Bad Hair Times identifizieren. Der Film wirkt vielleicht erzählerisch wie auch handwerklich nicht ganz rund, da im zweiten Teil eine andere Bildsprache eingesetzt wird (wohl weil auf Archivmaterial zurückgegriffen werden musste). Das dürfte der Wirkung jedoch nicht abträglich sein.  

 


 

 

Fondation Beyeler

Museen sind vom Corona-Lockdown sehr stark betroffen. Um während der Schliessung im Bewusstsein der Leute zu bleiben, hat sich die altehrwürdige Fondation Beyeler für einen progressiven Weg entschieden: eine Webserie auf Social Media. Dazu hat die Zürcher Filmproduktionsfirma Addictive Films Lockdown-konform zehn Episoden produziert. In der Hauptrolle zwei bekannte Namen: Mike Müller und Patrick Frey. Bei einem Besuch der aktuellen Ausstellung «Stilles Sehen – Bilder der Ruhe» finden die beiden Charakterköpfe im leeren Museum neue Ansätze der Werkbetrachtung.


Der Kommentar von persoenlich.com: Eine pragmatische Idee, die die Zielgruppe ansprechen dürfte. Eine sympathische Art, um die Fans sogar in ihren Wohnzimmern zu erreichen.

 



 

Migros

Grillwerbung soll Grillgut verkaufen, also Cervalats, Maiskolben, Vegiburgers, Steaks oder gefüllte Champignons. Aber nicht nur. Grillwerbung kurble den Verkauf von Alkohol an: zum Grillgut werde häufig Bier, Wein und Ähnliches getrunken – ein lukratives Geschäft, das eigentlich wichtiger sei als der Verkauf von Bratgut, verriet mir vor einigen Wochen ein langjähriger Werber. Wie dem auch sei: Die Migros jedenfalls verzichtet trotz Pandemie nicht auf Grillwerbung. Der Spot von der Agentur Publicis nimmt Bezug auf die Corona-Regeln, etwa auf Social Distancing und Staying at Home. Die Grossverteilerin rechnet also damit, dass in diesem Sommer vor allem auf dem eigenen Balkon und mit der eigenen Familie grilliert wird.


 

Der Kommentar von persoenlich.com: Solange es Grillwerbung gibt, besteht Hoffnung auf einen guten Sommer. Der Spot ist also durchaus ein positives Zeichen, auch wenn wir anmerken müssen: Die eigenartige Wortkreation «Grillitarien» wäre nicht zwingend nötig gewesen. Aber vielleicht müssen wir auch einfach damit leben, dass die Diskussion um die Begrifflichkeiten in der Grillwerbung schon fast zum jährlichen Ritual gehört (wir erinnern uns an «grillieren vs. grillen»). Dass der Spot die aktuellen Rahmenbedingungen aufnimmt, macht ihn zum besonderen Hingucker und dürfte ihm grössere Beachtung bescheren als ein Grillspot, der daherkommt wie zu normalen Zeiten. Sympathisch, dass er Leichtigkeit verströmt und ein positives Grundgefühl erzeugt. Das «Hey Ciao» und die Musik erzeugen einen Hauch Italianità – vielleicht, um dem einen oder anderen das Fernweh nach Ferien am Mittelmeer etwas zu nehmen.



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