17.06.2019

Cannes Lions 2019

Von Prominenten, Löwen und Katern

Welches ist das grösste Cannes-Lions-Momentum? Diese Frage hat «persönlich» an Schweizer Kreative gestellt. Michael Conrad, Markus Ruf, Frank Bodin, Alexander Jaggy und viele weitere erinnern sich. Zudem liefern sie eine Einschätzung zum Ist-Zustand des Festivals.
Cannes Lions 2019: Von Prominenten, Löwen und Katern
Die Cannes Lions finden vom 17. bis 21. Juni statt. (Bilder: zVg./Grafik: Corinne Lüthi)

Markus Ruf
Gründungspartner und Creative Director Ruf Lanz

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«Als ich Juror in Cannes war, erhielt jedes Jurymitglied beim Einchecken ein kleines, martialisches Präsent vom Jurypräsidenten: The Golden Bullet, eine goldene Patrone. Im Begleittext wurde erklärt, was wir bei der Jurierung ins Visier nehmen sollten: ‹The best idea that directly hits the heart of our consumers. And as in real life, sometimes you only have one shot, which in the end decides. Let’s try to find these killer-ideas›. Cannes ist auch heute noch ein Festival, in dem grandiose neue Ideen ausgezeichnet werden. Mich stört allerdings die immer bizarrere Kategorienvielfalt. Man kann heute dieselbe Kampagne für teures Geld in sechs, sieben Kategorien einreichen und dort nochmals in unzähligen Unterkategorien. Diese Inflation macht Cannes zu einer frivolen Geldmaschine und schmälert leider den Wert der Löwen etwas. Das tollste Erlebnis? Weil auch Cannes beim ersten Mal am aufregendsten ist: mein erster Löwe in den Neunzigerjahren – und der dazugehörende Kater.»



Achill Prakash

Leiter Marketing- und Image Communication Swisscom

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«In Cannes habe ich Berufsseelenverwandte kennengelernt, Cannes ist für mich immer der intensive Austausch mit internationalen Stimmen unserer Szene. Es ist wahnsinnig erfrischend, mit den Besten der Welt in Diskussionen zu steigen. Wir müssen in diesem Austausch nicht allzu bescheiden sein, doch in der Schweizer Szene haben wir nicht genug internationale Talente und zu selten frische Perspektiven. Gerade darum ist es wichtig, das Weltniveau in Cannes in all seinen Facetten auszuleuchten.»



Michael Conrad
Werbelegende, ehemaliger Kreativchef Leo Burnett International

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«Liegt sie nicht bei jedem Einzelnen ganz individuell? Für mich war und ist ‹Cannes› ein ‹Hub of Progress›. 1982 habe ich für mich in Cannes Education entdeckt. Mit 13 Kollegen studierten wir eine Woche, was es alles braucht, eine Idee löwenreif zu machen – und damit besser. Einige Teilnehmer sind im Folgejahr mit Gold, zwei Silber und Bronze heimgereist. 1986 begannen wir die Effektivität von hohen Auszeichnungen führender Kreativ-Wettbewerbe zu untersuchen. Nach vier Untersuchungen innerhalb von 16 Jahren präsentierten wir die schlagend positiven Resultate 2001 in Cannes. Mit dieser Untersuchung konnte ich auch P&G’s Jim Stengel überzeugen, das Cannes Festival zu besuchen, was er mit 30 Kollegen 2002 startete und mit P&G über die Jahre durchzog. Sein Nachfolger bis heute. Die Erfolge hinter diesem Move, für P&G und für das Festival, sind eine extra Story. 1994 habe ich in Cannes mit John Hegarty (Jurypräsident) den späteren Zusammenschluss von BBH und Leo Burnett initiiert. 1996 war ich Jurypräsident und habe unter anderem mit Filmjury Judge Alexandre Gama beschlossen, mit Leo Burnett die Agentur Neogama in Sao Paulo zu gründen. Neogama wurde später mit BBH verheiratet. 2001 war Leo Burnett die mistausgezeichnete Agentur der Welt, auch in Cannes. 2002 habe ich mit Roger Hatchuel die Roger Hatchuel Akademie gestartet, deren Dean ich bis 2006 war. Sie ist ein wegbereitendes Sommer Camp für mittlerweile 500 junge Kreative aus allen Ecken der Welt. 2003, nach meinem Retirement von Leo Burnett Worldwide, habe ich die Idee zur heutigen Berlin School of Creative Leadership erstmals in Cannes diskutiert und bin mit elementaren Support heimgereist. Bester Netzwerk-Start, das heute etwa aktive 500 Supporter von Werbung, Medien, Journalisten, Unterhaltungsindustrien, Design, Mode, Architektur, der Kommunikationstechnologie und Marketing umfasst. 2009 haben wir von der Berlin School of Creative Leadership mit dem Cannes-Lions-Management das 10-tägige ‹Cannes Creative Leaders Programme› initiiert und gehen heute ins zehnte Jahr. Für viele Teilnehmer war es ein Karriereschub. Und so bin ich gespannt, was Cannes 2019 mir zu bieten hat.»



Christof Kaufmann
CEO Werbeweischer und Schweizer Cannes-Lions-Repräsentant

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«Als Schweizer Repräsentant der Cannes Lions möchte ich unseren kreativen Partnern, dem Nachwuchs und natürlich Kunden zu weitsichtigen Einblicken und tollem Netzwerk verhelfen. Entgegen oberflächlicher Klischees ist Cannes sowohl weltweit das grösste Kreativfestival als auch Fenster zur Kommunikation in all ihren Dimensionen. Unvergesslich zum Beispiel der Vortrag ‹Real News in the Age of Fake News› von Pulitzer-Preisträger David Remnick. Oder der Alibaba-Stand, der sprichwörtlich die Augen für das Ausmass des Online-Geschehens öffnete. In Cannes werden bahnbrechende Entwicklungen sichtbar und Zukunftsvisionen spürbar. Mein Vorsatz für 2019: ‹Bleicher zurückkommen als ich hingehe›; sprich möglichst viel Zeit in inspirierenden Vorträgen und zukunftsweisenden Gesprächen in spannenden Runden verbringen.»



Frank Bodin

Gründer Bodin.Consulting Präsident ADC Switzerland

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«Die Cannes Lions sind nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch ein Anlass. Mindestens so wertvoll wie die Löwen sind die Begegnungen, die ich über die Jahre mitnehmen durfte – Bereicherungen, Challenges manchmal, immer eine Motivation ist der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. Meinen ersten Löwen – das war 1995 für die Tibet-Kampagne – konnte ich nicht abholen, denn die Agentur hatte nicht mit einem Gewinn gerechnet. Dafür bin ich seit 1996 mit unzähligen wunderbaren Cannes-Erlebnissen entschädigt worden: Unvergessen die Jurierung mit Marcello Serpa, immer schön der Austausch mit meinem Freund Jacques Séguéla, erinnerungswürdig als ich Michael Conrad für den ADC Switzerland anfragte, legendär die Abende in der Baside de Saint Antoine und in meiner ehemaligen Zweitwohnung direkt am Meer, bereichernd mit Lang Lang zu frühstücken und, und, und. Und ja, die bezauberndste Begegnung bleibt eine Löwin, Halle Berry.»



Alex Schmid
Dialogic – Alex Schmid Consulting

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«‹We change lives› haben wir jeweils in der Cannes Jury gesagt. Dies hat uns vor Augen geführt, wie wichtig unsere Arbeit und die damit verbunden Lions für den Einzelnen sind. Im Rampenlicht strahlen an der Côte zwar die Agenturen und Brands, dahinter stehen aber extrem hart arbeitende und höchst engagierte Supertalente. Und wem es in jungen Jahren gelingt, eine Auszeichnung zu gewinnen, den wird dieser Moment ein Leben lang begleiten. Spätabends bin ich mit Pablo Alzugaray, Gründer von Shackleton (unter anderem 17 Grand Prix, Cannes Agency of the Year), damals Jurypräsident, ins Gespräch gekommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass er aus Patagonien stammt, mit Direct noch nie etwas zu tun hatte und von seinem Chef ans Montreux Symposium for Marketing Communication gesandt wurde, welches mein Vater und ich damals organisiert hatten. Pablo war von One-to-One Marketing derart begeistert, dass er im Anschluss in die Branche einstieg und in Spanien seine Agentur gründete.»



Alexander Jaggy

Mitgründer und Geschäftsführer Kreation Thjnk

Porträt Alexander Jaggy

«1. Bedeutung: Die Cannes Lions sind vielleicht nicht der härteste Kreativwettbewerb auf dem Planeten, aber der gefühlte Kreativ-Urmeter mit einer grossen Strahlkraft. Im Gegensatz zur amerikanischen One Show oder dem britischen D&AD stehen bei den Cannes Lions Substanz und Begehrlichkeit in einem leichten Missverhältnis. Auch weil die Vergabe um die Juryplätze nicht transparent und konsequent auf Qualität ausgelegt ist. Um Talent anzuziehen, ist der Wettbewerb wertvoller als für Auftraggeber. 2. Erfahrung: Radiojury 2006 in Cannes. Brasilien schnitt nicht sonderlich gut ab. Vor der Pressekonferenz, bei der die komplette Jury an einem 15 Meter langen Tisch sass, lehnte sich der brasilianische Kollege zu mir herüber und meinte: ‹Pass auf, Alex, jetzt redet erst der Jurypräsident 5 und dann ich 15 Minuten.› Ich dachte: Der hat auch noch ein gesundes Selbstvertrauen – zumal unser Jurypräsident kein Geringerer war als der belgische Starkreative Guillaume Van der Stighelen. Es kam genauso wie vorausgesagt. Erst sprach Guillaume kurz über das Juryergebnis, und dann wurde mein Kollege von drei brasilianischen Journalistinnen so übel in die Zange genommen – ich dachte, das überlebt der nicht. Man muss dazu wissen: Von brasilianischen Juroren wird erwartet, dass man sich bis zur Selbstaufgabe für Arbeiten des eigenen Landes einsetzt. Mein Kollege ertrug den Gruppentätsch mit Fassung und ‹flipflopte› danach locker rüber zur Martinez-Bar.»



Peter Beck

Präsident Swissfilm Association und Creative Director / Producer von Beck & Friends

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«Aus unserer Sicht hat sich das Festival seit seiner Gründung in Bezug auf das Filmschaffen sehr verändert: gegründet für Werbefilme, entwickelt zum Kommunikationsfestival und heute Festival of Creativity. Auch wenn hie und da bezüglich Werbefilm noch von der Königsdisziplin gesprochen wird, haben die Filme an diesem Festival nicht mehr den Stellenwert wie früher. Die berühmte Cannes-Rolle hat keine hohe Bedeutung mehr, das zeigt sich auch daran, dass von den heute 27 Kategorien noch deren 2 (Film Lions und Film Craft Lions) explizit fürs Filmschaffen vorgesehen sind. Natürlich gibt es andere wichtige Aspekte, welche die Bedeutung des Festivals definieren. Stichworte wie internationales Netzwerk, Erfahrungsaustausch, Inspiration und Werkschau des professionellen Kreativschaffens stehen dafür. Zwei Wörter für die tollste Cannes-Erfahrung: Swiss Party.»



Pascal Deville

Creative Director/Partner Freundliche Grüsse, Einreicher

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«Die Cannes Lions trennen die Spreu vom Weizen und bleiben damit der Massstab für kreative Leistung auf Weltniveau. Das Festival mag zwar in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz einen antiquierten Eindruck machen, gleichzeitig schafft man es aber auch heute nur mit Kreativität, eine Marke nachhaltig zu differenzieren. Dies werden auch dieses Jahr wieder Kampagnen von Nike, Burger King und New York Times beweisen. Meine tollste Erfahrung in Cannes war ein angeregtes Gespräch mit einem jungen Kreativen aus den USA. Wir sprachen über Ideen und Musik und tauschten am Ende unsere Visitenkarten aus. Auf seiner stand: Damian Kulash, Lead Singer ‹OK Go›. Ausserhalb von Cannes war es die Nachricht über den Gewinn unseres ersten Löwen vor zwei Jahren – mit anschliessender Poolparty auf einem Hochhaus in Zürich.»



Dominic Sturm

Präsident Swiss Design Association

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«Als Designer und Präsident der Swiss Design Association freut es mich sehr, dass die Cannes Lions dem Design als Disziplin die gebührende Wichtigkeit beimessen. Als Jurymitglied in der Kategorie Design kommt mir die grosse Ehre zu die diesjährigen Eingaben mitzubewerten. Es ist mir als Juror ein Anliegen einem zeitgemässen Designbegriff Rechnung zu tragen. Durch die Deindustrialisierung und Digitalisierung verändern sich die Gestaltungsprozesse und der Designbegriff gerade grundlegend. Die Zeiten sind vorbei, in denen Design allein für eine schöne Vase oder ein aussagekräftiges Logo steht. Das autor- und objektorientierte Paradigma des Designs wird heute durch die Idee des Designs als kontextueller Prozess ersetzt. Entsprechend vielschichtig und multidimensional präsentiert sich heute Design als Disziplin, als Prozess und als Resultat. In diesem Sinne freue ich mich auf eine spannende Woche in Cannes.»



persoenlich.com berichtet vor Ort über das Cannes Lions Festival, das vom 17. bis 21. Juni 2019 stattfindet. Alle Berichte und Interviews zu den Cannes Lions 2019 finden Sie hier laufend ergänzt.


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