13.08.2019

Tabakproduktegesetz

Werbung wird zum Sündenbock gestempelt

KS/CS Kommunikation zeigt sich befremdet über die Forderungen der ständerätlichen Gesundheitskommission.

KS/CS Kommunikation Schweiz befürwortet einen verschärften Jugendschutz im Tabakproduktegesetz (TabPG) klar. Dennoch ist die Dachorganisation der kommerziellen Kommunikation sehr befremdet, dass die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-SR) in ihrer Sitzung vom 12. August 2019 beschlossen hat, zusätzliche Werberestriktionen im zweiten Entwurf zum TabPG zu unterstützen (persoenlich.com berichtete).

Mit ihrem Entscheid stelle sich die SGK-SR sowohl gegen die verfassungsmässig garantierte Wirtschaftsfreiheit wie auch gegen den Rückweisungsbeschluss des Parlaments zum ersten Entwurf des Tabakproduktgesetzes aus dem Jahr 2016. Damals kam klar zum Ausdruck, dass die Mehrheit der Legislative keine weiteren Werbeeinschränkungen will, heisst es in einer Mitteilung. In der Vernehmlassung zum zweiten Entwurf des Tabakproduktegesetzes habe KS/CS Kommunikation Schweiz vor allem gegen zwei zusätzliche Restriktionen protestiert und die ersatzlose Streichung der folgenden Artikel verlangt: Kantone dürfen strengere Vorschriften erlassen als der Bund (Art. 20) und Warnhinweise sind bereits in der Selbstregulierung geregelt (Art. 19 Abs. 1 und 2).

Leider sei die SGK-SR diesen Überlegungen nicht gefolgt und verlange im Gegenteil noch zusätzliche Werbeverbote gegenüber dem Rückweisungsbeschluss des Parlaments zum ersten Entwurf des Tabakproduktgesetzes aus dem Jahr 2016. Einmal mehr muss die kommerzielle Kommunikation als Sündenbock herhalten, schreibt KS/CS Kommunikation. «Zu Unrecht, wie wir meinen.»

Selbstregulierung statt Werbeverbote

Gegen Werbeverbote spreche die bestehende Selbstregulierung. Der Bundesrat sagt: «Wo sich die Selbstregulierung und -kontrolle bewährt hat, ist es weder sinnvoll noch zielführend, gesetzgeberisch tätig zu werden». EU und OECD würden ebenfalls die aussergerichtliche Streitbeilegung und Regulierung (Alternative Dispute Resolution, ADR) befürworten. Die Tabakindustrie hat sich bereits seit 2005 verpflichtet, ihre Werbung ausschliesslich an Erwachsene zu richten, so KS/CS Kommunikation. Die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen würden ebenfalls dieser Selbstregulierung entspringen und seien in der heutigen Grösse gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Branche habe zudem im vergangenen Jahr freiwillig einen Kodex unterzeichnet, der ihren Mitgliedern untersage, elektronische Zigaretten an Minderjährige abzugeben.

Jugendliche rauchen immer weniger

Die bisherigen Werbeverbote reichen laut KS/CS Kommunikation aus. Das bestätige unter anderem die Stiftung Sucht Schweiz. Gemäss ihrer Langzeitstudie «Wöchentlicher Tabakkonsum von Jugendlichen (1968-2018)» rauchen die 13- und 15-jährigen Mädchen und Jungen seit 2010 kontinuierlich weniger. In die gleiche Richtung deutet der «Jugendgesundheitsbericht 2019» des Kantons Basel-Stadt. Diese Langzeitstudie zeigt, dass der Konsum von Zigaretten, Cannabis und Alkohol der Schülerschaft der 9. Klasse deutlich zurückgegangen ist; regelmässig rauchen heute lediglich noch drei Prozent. «Wie ist dieser massive Rückgang zu erklären, wenn die Werbemöglichkeiten im gleichen Zeitraum nicht weiter eingeschränkt worden sind?», fragt KS/CS Kommunikation in der Mitteilung.

Werbeverbote sind Tropfen auf einem heissen Stein

Leider sei es mehr und mehr politische Sitte geworden, der kommerziellen Kommunikation die Schuld für latente gesellschaftliche Probleme in die Schuhe zu schieben. Dass dies zu weit gehe, habe selbst Pro Juventute Ende 2013 im Rahmen der damaligen Beratung zum Konsumkreditgesetz (KKG) zugestanden: «Ein Verbot von Werbung für Kleinkredite zielt am eigentlichen Problem vorbei. Jugendlich sind heute konstant Konsummöglichkeiten ausgesetzt. Ein Verbot von Werbung für Kleinkredite ist da höchstens ein Tropfen auf einen heissen Stein». An den «konstanten Konsummöglichkeiten» hat sich seither sicher nichts geändert, heisst es in der Mitteilung weiter. Das gesellschaftliche Umfeld, Peergroups sowie die Erziehung und das Vorbild der Eltern würden primär darüber entscheiden, ob Kinder und Jugendliche zum Glimmstängel greifen.

Totale Werbeverbote sind verfassungswidrig

Ein totales Werbe- und Vermarktungsverbot sei weder verhältnismässig, noch entspräche es der Verfassung. Ein Totalverbot wäre ein unzulässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Tabakindustrie, so die Dachorganisation. Eingeschränkt würden zudem ihre Meinungsäusserungsfreiheit, die Informationsfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Medienfreiheit der Kommunikationswirtschaft. «Das steht übrigens nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der WHO, die für die Ratifizierung der Framework Convention on Tobacco Control (FCTC) kein totales Werbeverbot vorsieht», so KS/CS Kommunikation.

Werbeverbote schränken die Bürgerrechte ein

«Werberestriktionen bei Tabakprodukten und alkoholischen Getränken unterstützen wir im Zeichen des Kinder- und Jungenschutzes», heisst es weiter. Den gleichen Massstab an zucker-, salz- und fetthaltige Lebens- und Genussmittel anzulegen, hält KS/CS Kommunikation dagegen «als viel zu weit gehend». Nicht nur die freie Marktwirtschaft und die bürgerlichen Rechte würden massiv beeinträchtig, sondern auch die Hoheit der Erziehungsberechtigten.

«Dass die Heilkraft von Werbeverboten übrigens eine Utopie ist, zeigen Vergleiche mit Ländern wie Frankreich, die seit Jahren ein Tabakwerbeverbot kennen, aber trotzdem höhere Quoten an Raucherinnen und Rauchern aufweisen als die Schweiz», so die Dachorganisation abschliessend.

«Ein Lichtblick»

Die Allianz für ein starkes Tabakproduktegesetz nimmt Kenntnis vom Entscheid der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates SGK-S und bezeichnet dies in einer Mitteilung als «ein Lichtblick». Um Kinder- und Jugendliche vor dem Einstieg in den Tabakkonsum zu bewahren, brauche es aber nicht nur partielle, sondern umfassende Einschränkungen bei Tabakwerbung, Tabakpromotion und -sponsoring, so die Allianz für ein starkes Tabakproduktesetz. (pd/cbe)



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