09.09.2018

Verzicht auf Print- und TV-Werbung

«Es könnte durchaus ein Weckruf sein»

Der Swisscom-Entscheid, fast keine Inserate oder TV-Ads mehr zu machen, könnte Signalwirkung haben, sagt Roland Ehler. Der Direktor vom Werbeauftraggeber-Verband kritisiert zudem den Bundesrat. Die Beschränkungen der SRG würden dem Schweizer TV-Markt schaden.
Verzicht auf Print- und TV-Werbung: «Es könnte durchaus ein Weckruf sein»
Roland Ehler ist Direktor des Schweizer Werbeauftraggeber-Verbandes SWA/ASA. Bis 2012 arbeitete er bei der Swisscom. (Bild: zVg.)

Herr Ehrler, mit der Swisscom verzichtet eine der grössten Werbeauftraggeberinnen 2019 weitgehend auf Printwerbung (persoenlich.com berichtete). Machen das andere Auftraggeber schon lange?  
Die Printmedien sind nach wie vor eine wichtige Informationsquelle für Konsumenten und Träger von Werbung. Allerdings investieren die Werbeauftraggeber seit einigen Jahren mehr und mehr in digitale Kanäle. Dabei gibt es schon länger Werbeauftraggeber, die beispielsweise ganz auf Digital setzen oder andere, welche noch einen guten Anteil Print im Mediamix haben. Neu ist hier nur, dass ein Unternehmen, wie Swisscom, solche Ankündigungen zur Mediastrategie in Fachmedien äussert. Am Ende des Tages geht es aber um den Return on Investment und damit darum, welche Medien, einen Beitrag zum Werbeerfolg leisten. Das muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden.

Könnte dieser Entscheid Signalwirkung haben?  
Es könnte durchaus ein Weckruf für weitere Werbeauftraggeber sein, ihren Mediamix grundsätzlich zu hinterfragen und allenfalls anzupassen. Dabei ist es bei den klassischen Medien wie TV, Print und Outdoor nach wie vor schwierig, den genauen Anteil am Werbeerfolg zu messen. Hier haben es die digitalen Kanäle einfacher.

«Die Printbranche hat es verpasst, ihre Mediaforschungen weiterzuentwickeln»

Print bietet ein sicheres, meist hochwertiges Umfeld. Gibt es Auftraggeber, denen das qualitative Umfeld ihrer Werbung ein zentrales Anliegen ist? 
Für mich gehören die Qualität und die Quantität zur Gesamtleistung eines Medien- oder Werbeangebotes. Leider lassen sich aber qualitative Aspekte weniger in Zahlen fassen und damit hat sich die Branche vermehrt auf alles Quantitative abgestützt.

Machen Sie ein Beispiel?
Ist ein flüchtiger Leser von «20 Minuten» gleich viel wert wie ein Leser, der die «Bilanz» eine Stunde lang aufmerksam liest? Wohl kaum. Warum werden dann heute beide gleich gewichtet? Hier hat es die Printbranche verpasst, ihre Mediaforschungen weiterzuentwickeln.

Sehen Sie Möglichkeiten, wie qualitative Daten, etwa diejenigen des Medienqualitätsratings, in die Mediaplanung von Kampagnen einfliessen können?
Sicher gibt es Möglichkeiten dazu, die Anbieter müssten diese nur anpacken. Mit den sinkenden Einnahmen im Printbereich hat der Druck auf die Mediaforschung leider gerade in den letzten Jahren zugenommen. Die Schweizer Werbeauftraggeber investieren immer noch über eine Milliarde Franken in die Printmedien. Deshalb darf gerade jetzt nicht an der Forschung gespart werden.

«Das schadet dem gesamten Schweizer TV-Markt»

Was wäre hier zu tun?
Der SWA fordert zum Beispiel, dass neben den quantitativen Daten der Leserschafsforschung vermehrt auch qualitative Aspekte wie etwa die Lesedauer oder die Anzahl Pick-ups – also wie oft ein Titel zum Lesen in die Hände genommen wird – gemessen und publiziert werden.

Nochmals zurück zur Swisscom. Sie will ja auch weitgehend auf TV-Werbung verzichten. Warum ist auch diese Gattung weniger attraktiv geworden in den letzten Jahren?
TV ist nach wie vor ein Massenmedium mit raschem Reichweitenaufbau, auf das viele Unternehmen setzen. Gefragt sind wegen der vermehrten zeitversetzten Nutzung vor allem alle programmnahen Platzierungen, Integrationen und Sponsorings. Wegweisende Innovationen gab es bis auf den «OK Button» nur wenige, und auch dieser ist nicht ganz neu. Gerade vor zehn Jahren hatte die Swisscom das definitive Aus für die interaktive TV-Fernbedienung «Betty TV» beschlossen. Dafür ist heute die Verbreitung von interaktiven Fernbedienungen und TV-Geräten wesentlich grösser als damals, und das könnte diesmal zum Erfolg führen. Das einzig richtig Neue im Free-TV sind die zahlreichen neuen Sender, ansonsten hat sich der TV-Markt kaum weiter entwickelt.

Dass nun der Bundesrat der SRG zielgruppenspezifische Werbung verbieten will, ist diesbezüglich auch nicht gerade förderlich. 
Dieser Entscheid des Bundesrats ist für die Werbeauftraggeber eine schlechte Nachricht. Werbung soll grundsätzlich effektiv und effizient sowie nach neusten Technologien und Erkenntnissen in Medien ausgespielt werden können. Deshalb drängt sich das Targeting, wie wir es aus dem Internet bestens kennen, auch für das Fernsehen auf. Leider wird dies nun politisch verhindert. Das schadet dem gesamten Schweizer TV-Markt.

Was wäre nötig, damit Innovation stattfinden könnte?
Es braucht ein liberales Radio- und TV-Gesetz oder elektronisches Mediengesetz und einen Bundesrat sowie eine Verwaltung, welche die Interessen der Wirtschaft richtig einordnen. Heute dominieren leider Werbeverbote, Auflagen und Einschränkungen die Mediengesetzgebung. Damit wird die kommerzielle Kommunikation zu einem Spielball der Politik. Das ist gefährlich.

Die Verlage haben es sehr schwer. Glauben Sie, dass die neue Firma Tamedia-Goldbach eine Alternative bieten kann zu Google und Facebook?
Nein, es wäre aus meiner Sicht vermessen, an so etwas zu glauben. Ein Schweizer Vermarkter kann es nur schwer mit diesen innovativen Playern aufnehmen. Trotzdem hat dieses neue Konstrukt in der Schweizer Werbevermarktung grosse Chancen, ihren Kunden attraktive, crossmediale Kommunikationslösungen aus einer Hand zu bieten. Wir sind gespannt darauf.

Und wie schätzen Sie die Anstrengungen von Ringier ein? Inwiefern kann «Sherlock», diese auf AI-basierende Technologie (persoenlich.com berichtete), eine Alternative zu den Internetgiganten sein?
Ringier baut hier an einer eigenen Autobahn um ihre zahlreichen Unternehmen und Kundendaten zu vernetzen. Wenn es gelingt daraus spannende Angebote für Werbeauftraggeber zu formen, kann das sehr interessant sein. Warten wir mal ab, was daraus wird.


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