28.03.2023

SWA-Jahresmeeting

Von grüner Power und Gemüse in Plastik

Nachhaltigkeit in Marketing und Kommunikation hat sich wie ein roter – oder grüner? – Faden durch das Werbemarkt-Treffen gezogen. Über 300 Personen sind der Einladung des SWA nach Zürich-Oerlikon gefolgt. Auf der Bühne begrüsst wurde ein Überraschungsgast. Und es ging um Gurken.
SWA-Jahresmeeting: Von grüner Power und Gemüse in Plastik
Sprach am SWA-Jahresmeeting über Gurken: Johanna Gollnhofer, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Marketing und Customer Insight an der Universität St. Gallen. (Bild: persoenlich.com/cbe)
von Christian Beck

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Schweizer Unternehmen haben die Relevanz von Nachhaltigkeit für den langfristigen Unternehmenserfolg erkannt und erste Massnahmen ergriffen. Doch: Kommuniziert wird nur ein Bruchteil davon. Dies geht aus der am Dienstag publizierten Swiss-Sustainability-Benchmark-Studie 2023 der ZHAW hervor (persoenlich.com berichtete).

Nachhaltigkeit in Marketing und Kommunikation war gleichentags denn auch Thema am SWA-Jahresmeeting in der Eventlocation StageOne in Zürich-Oerlikon – oder, wie es auf der Einladung hiess: «Green Power for Advertisers». «Unser ‹Patient Welt› sagt schon länger Halt. Aber dafür braucht es Haltung», so Roger Harlacher, Präsident des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands (SWA). Purpose dürfe nicht nur auf dem Papier stehen, es müsse auch umgesetzt werden. Es bleibe aber keine Zeit mehr «für ä tüüfä, gsundä Schlaf».

Es war kein Zufall, dass SWA-Präsident Roger Harlacher aus der ZHAW-Studie zitierte, schliesslich brachte sich der SWA beratend ein. Doch: «Können Marketing, Werbung und Kommunikation überhaupt nachhaltig sein?» Und: «Wie soll eine Branche, die primär dazu da ist, das Konsumverhalten der Menschen anzukurbeln, nachhaltig sein?» Diese Fragen wurden bereits in der Einladung gestellt. Der Anlass vor über 300 Werbeauftraggebern, Agenturvertreterinnen und Marketingfachleuten sollte Antworten liefern.

«Kommunikation bedeutet Einfluss»

«Was heisst eigentlich Nachhaltigkeit?» Diese Frage stellte Johanna Gollnhofer, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Marketing und Customer Insight an der Universität St. Gallen. Früher sei die Rede gewesen von einem «langen, stabilen Wachstum». Vor ein paar Jahren sei es zu einem Twist gekommen und «Purpose» sei plötzlich als Synonym für «Nachhaltigkeit» verwendet worden.

Gollnhofer fragte das Publikum, welche Gurke sie als nachhaltiger empfinden: eine in Plastikfolie eingepackte oder eine ohne Folie. Das Publikum war sich unschlüssig. Tatsächlich gebe es zwei mögliche Antworten: Eine Gurke ohne Plastikfolie reduziere Plastikabfall. Aber eine Gurke in Plastikfolie reduziere hingegen Lebensmittelverschwendung. Gollnhofer wollte damit veranschaulichen, dass Nachhaltigkeit ein sehr vielschichtiges Thema sei.

Johanna Gollnhofer nahm den Faden zur ZHAW-Nachhaltigkeitsstudie ebenfalls auf. Es sei wichtig, über die Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens zu kommunizieren, denn: «Kommunikation bedeutet Einfluss.» Ihr Tipp: «Erstmal mit einem kleinen Claim starten. Also nicht: ‹Wir sind zu 100 Prozent nachhaltig›, sondern besser: ‹Wir sind auf dem Weg zu 100 Prozent Nachhaltigkeit›.»

Nachhaltigkeit muss cool werden

«Viele Menschen haben gar keinen Bock auf Nachhaltigkeit», sagte Jan Pechmann, Geschäftsführer von Bam und Initiator des Marketing For Future Awards. Die Konsumenten würden Nachhaltigkeit mit Vernunft, Verzicht, Verteuerung und Verbot assoziieren. «Wir müssen es schaffen, dass Nachhaltigkeit cool ist.» Gerade das Marketing sei eine kräftige Macht, um Nachhaltigkeit genau so zu positionieren.

«Wo hört Greenwashing auf? Und: Wo fängt ernst gemeintes Engagement an?», fragte Pechmann. Es sei eine Gratwanderung. Oder in anderen Worten: «Ist man einfach ein bisschen weniger scheisse oder schon richtig gut?» Es müsse gelingen, nicht inhaltslos, sondern substanziell zu sein. Grosse Unternehmen würden weitgehend an glaubhafter Nachhaltigkeitskommunikation scheitern.

Auf dem Weg zu guter Nachhaltigkeitskommunikation müsse man zwei Gates passieren: die lange Nase und die Langeweile. Man dürfe nichts schönreden, die Kommunikation dürfe aber auch nicht öde sein. Heute gelte wie schon vor 35 Jahren: «Starke Unternehmen müssen wissen, wofür sie stehen», so Pechmann. Nachhaltigkeitskommunikation sei mehr als ein Nachplappern von Trendthemen. «Sie müssen es schaffen, ein ganz eigenes Thema zu setzen.»

Nachhaltigkeitskommunikation ist ein Marathon

Ein Beispiel aus der Praxis kam von Swisscom. «Sollen wir mit Nachhaltigkeit werben? Diese Frage haben wir uns gestellt», so Michel Siegenthaler, Head of Commercial & Marketing Management von Swisscom. Die Frage habe klar mit Ja beantwortet werden können.

«Nachhaltigkeit ist kein Trend, auf den wir aufspringen, sondern Nachhaltigkeit ist seit 25 Jahren Teil unserer DNA.» Er zeigte die aktuelle «Jetzt statt irgendwann»-Kampagne aus dem Hause Serviceplan Suisse (persoenlich.com berichtete). Siegenthaler warnte das Publikum: «Neue Markenattribute werden nicht über Nacht aufgebaut.» Nachhaltigkeitskommunikation sei kein Sprint, sondern ein Marathon. Kontinuität sei zentral.

Zum Abschluss wurde der aktuelle «Werber des Jahres» auf die Bühne gebeten. André Hefti, Marketingleiter von Schweiz Tourismus, wurde am Montagabend ausgezeichnet. «Ich hatte schon viele Berufsbezeichnungen, aber den ‹Werber› gibt es erst seit 24 Stunden.» Und so habe er auch nicht innert 24 Stunden zum Nachhaltigkeitsexperten werden können.

Schweiz Tourismus selber habe gar kein Produkt. So müsse man die Feriendestinationen dazu motivieren, grüner zu werden. Hefti kündigte eine neue Kampagne an, die ab Juni das nachhaltige Reiseland Schweiz bewerben soll.



Hier geht es zur persoenlich.com-Fotogalerie.

Im Vorfeld des SWA-Jahresmeetings fand die 74. Generalversammlung statt.



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