26.09.2019

GfM True Talk

Wie man heute Marken führt

«The New Approach for Building Brands»: Unter diesem Motto lud die Gesellschaft für Marketing ein. Auf dem Programm stand ein Referat vom «Godfather of Branding». Anschliessend diskutierten Marketinggrössen von Schindler, Migros, Ringier und UCC Coffee.
GfM True Talk: Wie man heute Marken führt
Der Bogen D im Zürcher Viadukt hatte sich gut gefüllt mit Marketinggesellschaftern, um dem Referat von Erich Joachimsthaler zu lauschen. (Bilder: Markus Senn)
von Loric Lehmann

Am Mittwochabend fand der «gfm True Talk» der Gesellschaft für Marketing (GfM) statt. Man traf sich, ganz dem Zeitgeist entsprechend, in einem agilen Coworking-Space im Viadukt des Zürcher Kreis 5. Eine Tribüne aus Sperrholz. Einige Stühle davor. Eine Leinwand. Ein Projektor. Beim Warten auf den Referenten drehten sich die Gespräche um Autos, die Branche, den nicht ganz unerwarteten Verkauf der «Annabelle» (persoenlich.com berichtete). Man hörte den Zug vorbeirauschen, sodass immer wieder der ganze Bogen wackelte. Nach einigen Verzögerungen durch «Kommunikationsmissverständnisse» wie Jean-Marc Grand, der Geschäftsführer von GfM kurz nach geplantem Referatsstarts vermeldete, begann das heiss erwartete Referat von Erich Joachimsthaler, CEO von Vivaldi, einer Beraterfirma im Feld des Brandings.

«The Godfather of Branding!», wurde Joachimsthaler euphorisch angekündigt. Er lebe schon länger auf der anderen Seite des Teichs, daher spreche er «Denglisch», erklärt Jean Marc Grand weiter. «Hallo zusammen. Ich wollte die Präsentation unbedingt in Englisch halten. Aber Jean-Marc hat mir gesagt, ich hätte vor sechs Monaten versprochen es in Deutsch zu tun. Ach, vor sechs Monaten!» Aufgeregtes Lachen des Markenbildungspaten.

«Wie integriert sich die Pizza in mein Leben?»

Joachimsthaler referierte über die optimale Führung einer Marke. Er erklärte, wie dies früher gemacht wurde und nannte dies die «World of Walls». Ab den 60er-Jahren hätte es, ganz in «Mad-Men»-Manier, gereicht, sich einen knackigen Slogan für einen Brand zu halten, ein qualitatives gutes Produkt zu haben, um damit erfolgreich eine Marke zu führen. Nun aber befänden wir uns im «World of Webs»: Durch die zunehmende Vernetzung reiche es nicht, einem Kunden nur ein knackiges Produkt zu verkaufen. Er erklärte dies anhand der Entwicklung des Brands Dominos Pizza. Dominos sei die Aktie, die in den letzten Jahren am meisten an Wert gewonnen hätte, erklärte der Deutsch-Amerikaner.

Früher hätte Dominos die Kundenbindung lediglich durch das Versprechen «30 Minuten Lieferzeit oder die Pizza ist gratis» vollzogen. Dann sei es wichtig gewesen, beim Kunden Emotionen zu wecken. Dies sei geschehen durch Event-Sponsorings, wie beispielsweise das nationale Basketballturnier der College-Teams. «Dann kam die Ära der Erlebnisse», sagt Joachimsthaler. Man konnte Pizza online bestellen, so wie man seine Pizza am liebsten hätte. Nun aber hätte Dominos «sukzessive die Interaktivität vergrössert». Man könne über mehrere Plattformen seine eigene Pizza bestellen. «Irgendwann fliegt einfach meine Lieblingspizza mit einer Drohne ans Fussballfeld, wo ich mit meinem Sohn ein Spiel schaue.» Denn Dominos wisse infolge Erfahrung und Daten genau, wann der einzelne Kunde Lust auf eine Pizza hätte. Es sei deshalb wichtig, dass die Pizza sich perfekt in das Leben des Kunden integriert und dies sei heutzutage eben wichtig bei der Markenführung.

Diskussion der Marketinggrössen

Anschliessend diskutierten Alexander Özbahadir, CMO Schindler, Nadine Hess, Head of Brand Management bei der Migros, Nicolas Pernet, Head of Publishing & New Business Blick Group bei Ringier, sowie André Eiermann, Marketing Director DACH UCC Coffee, über die Markenführung auf dem Schweizer Markt.

Nicolas Pernet erklärte die Schwierigkeiten des Brandings, die ihn beschäftigen. Die Medienkrise und die Bedrohung durch die Tech-Giganten seien natürlich ein Thema. Man unterscheide sich aber von diesen, indem «wir den Content selber machen». Als Medium habe man «die Glaubwürdigkeit und die Relevanz», was etwa Google oder Facebook nur begrenzt hätten.

Für Nadine Hess, sei die Struktur der Genossenschaftsgruppe eine grosse Herausforderung. «Wir sind natürlich extrem agil», meint sie dazu ironisch. Diese Probleme hätte man bei UCC Coffee gar nicht: Das kleine Unternehmen habe durch die flachen Hierarchien und der grossen Eigenständigkeit grosses Potential für Innovationen, erklärt André Eiermann.

Alexander Özbahadir erzählte, dass sich bei der Lift-Firma oft die Frage stelle, wer genau der Kunde ist. «Ist es die Hausverwaltung? Oder der Hauseigentümer? Oder der Endkunde, der dann im Lift steht?» Ausserdem sei bei Schindler noch offen, wie man die Digitalisierung in den Lift bringen könnte.


Daten, Daten, Daten

Schwierig sei es ausserdem die Leser zu überzeugen, den Medien die Daten freiwillig zu geben, meint der Pernet weiter. «Die User sind bei den Daten mittlerweile sehr sensibilisiert darauf zu achten, ihre Daten nicht einfach so herzugeben.» Ganz anders als bei Google und Facebook. Mit dem Interaktionsgefäss «Migipedia» sei es jedoch der Migros gelungen mit dem Kunden direkt in Kontakt zu treten, erklärte Hess. «Da kann der Kunde kommentieren, Content kreieren und auch teilen.» Damit hätte man, neben Cumulus, eine gute Datensammelmaschinerie erschaffen. Dies sei aber auch sehr ressourcenintensiv. Weiter wolle man mit dem neusten Thema der «Café National»-Kampagne wissen, was der Kunde im Kaffeegeschäft genau für Produkte präferiert, um so ebenfalls das Geschäft mit den Daten voranzutreiben.

André Eiermann sagte bei UCC Coffee benutzen man vor allem Events in der hauseigenen «Coffee Academy», um den Kunden zu sich zu holen. Weiter werden auch die sozialen Medien dazu gebraucht mit dem Kunden direkt in Kontakt zu treten und ohne Zwischenstationen eine Antwort zu bekommen. «Allerdings mussten wir dabei viel durch Trial und Error versuchen.» Bei Ringier seien natürlich auch Innovationen wichtig. «Wir müssen uns ständig neuerfinden und etwas auch einfach mal versuchen.» Dies sei auch beim bald startenden Blick TV so. «Geschwindigkeit geht da halt auch über Qualität». Dann nehme man halt auch ein verwackeltes Handybild eines Users, um den Primeur zu garantieren.

Wichtig sei es, in Prozessen und nicht in Produkte zu denken sowie die genauen Bedürfnisse des Endkunden zu verstehen, resümiert Özbahadir gegen Ende. Schlussendlich brauche es aber auch einfach «Mut», um etwas Neues zu probieren, meint Hess abschliessend zum Thema Markenführung im Jahr 2019.



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