Herr Forrer, mit welchen Umsatzeinbussen rechnen Sie?
Als Folge der Schliessung verzeichnen wir keinen Umsatz. Im Frühling sind gewöhnlich unsere stärksten Monate, wenn das Leben auf den Plätzen und in den Parks beginnt und man sich gerne draussen aufhält. Rechnet man das überdurchschnittlich schöne Wetter dieser Wochen noch ein, wird die Einbusse noch schmerzhafter.
Bringt Sie diese Situation in Existenznöte?
Wir sind zum Glück sehr schlank aufgestellt und kennen unsere Kosten sehr genau. Wir konnten uns somit schnell einen Überblick über unsere Liquiditätssituation der nächsten Monate schaffen. Der unbürokratische Zugang zu Kurzarbeitsgeld war dann schliesslich unsere Rettung und wir sind froh, dass unsere knapp 100 Mitarbeiter finanziell abgesichert sind. Grosse finanziellen Herausforderungen sind die hohen Mieten an unseren hochfrequentierten Standorten.
Konnten Sie dafür eine Lösung aushandeln?
Die Mieten konnten wir in den meisten Fällen stunden, aber fällig werden diese dennoch in Zukunft. Ich hoffe immer noch auf die Solidarität und Einsicht der Eigentümer. Die Pandemie trifft die ganze Bevölkerung und daher finde ich es auch richtig, wenn alle einen Teil an den Schaden geben. Wir haben den Eigentümern einen 50/50-Split zwischen Mieter und Vermieter vorgeschlagen. Wir versuchen nun in der Krise genauso bescheiden zu bleiben, wie in den vergangenen positiveren Jahren und beeinflussen das, was wir beeinflussen können – am Ende kommt es dann hoffentlich schon gut.
«Wir konnten unseren Onlineshop hochfahren und den Umsatz verfünffachen»
Doch vorerst ist es schwierig. Was enttäuscht Sie am meisten?
Der grosse Frust sind die tollen Projekte, welche wir nun hinten anstellen oder gar absagen müssen. Im Unterschied zum Retail haben wir aber den Vorteil, dass wir keine grossen Lagerkosten haben und unsere Grünbohnen in der eigenen Rösterei nach Bedarf rösten können.
Haben Sie andere Quellen für Einnahmen finden können?
Wir konnten unseren Onlineshop hochfahren und den Umsatz verfünffachen. Wir lernen derzeit viel im Bereich SEO und SEM, optimieren unseren Shop und viele Mitarbeiter und Kunden helfen uns bei der organischen Verbreitung unseres Contents. Dennoch: Die hohen Versandkosten lassen die Margen schwinden, da haben die grossen Onlineshops mit ihren Volumen einen Wettbewerbsvorteil, der durch die Schweizerische Post unnötig ungleich lange Spiesse schafft. Ausserdem versuchen wir nun verstärkt, guten Kaffee in die Unternehmen zu bringen, die wieder vermehrt von Kapselkaffee auf Bohnen umstellen.
Wie bleiben Sie trotz geschlossenen Bars in Kontakt mit den Kunden?
Über die sozialen Medien und unseren Blog. Uns ist es ein Anliegen, nicht in jeder Kommunikation die Hand aufzuhalten und mit «kauft, kauft, kauft» auf den Onlineshop hinzuweisen. Wir machen weiter mit unserer Strategie, dass wir unsere Begeisterung für Kaffee, unsere Werte und all die Facetten, die damit verbunden sind – vom Kaffeesourcing über das Rösten und den Zubereitungsarten bis zum Vorstellen unserer Mitarbeiter – mit unserer Community teilen. Besonders schön finden wir die zahlreichen Zuschriften von Kunden, die uns erzählen, wie wir Teil ihres Alltags waren, und es kaum erwarten können, endlich wieder mit einem Becher von uns in der Hand die Normalität zu zelebrieren. Diese Kommunikation erfolgt sehr liebevoll direkt, aber auch über die sozialen Medien.
«Uns ist es ein Anliegen, nicht in jeder Kommunikation die Hand aufzuhalten und mit kauft, kauft, kauft auf den Onlineshop hinzuweisen»
Was für Kanäle und Tools nutzen Sie?
Das E-Mail steht im Vordergrund, weil es eine persönliche Sprache und personalisierten Inhalt erlaubt. Bei Social Media fokussieren wir auf Instagram, wobei es in den letzten Wochen auch immer wieder spannende Geschichten auf LinkedIn gab, gerade im Kontext Homeoffice. Alle Kanäle managen wir zentral auf HubSpot.
Wie viel Geld konnten Sie in den letzten 30 Tagen für Marketingmassnahmen ausgeben?
Wir pushen derzeit ausschliesslich unseren Shop mit SEM, aber sehr moderat. Wir haben 2000 Franken ausgegeben.
Und wie hoch wäre das Budget vorgesehen – in normalen Zeiten?
Wir versuchen so agil wie möglich zu handeln. Sehen wir eine spannende Möglichkeit, lernen wir und implementieren möglichst rasch. Eine ehrliche Diskussion über den Effekt scheint uns dabei wichtiger, als ein starres Budget.
Wann, rechnen Sie, werden erste Bars wieder öffnen können?
Wir sind positiv und hoffen auf eine Wiedereröffnung aller Bars innerhalb eines Monats. Derzeit gehen wir davon aus, dass dies Ende April der Fall sein wird.
«Ich bin froh, dass wir eine Presse haben, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist und keine Panik schürt»
Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Wir werden in einer Übergangsphase mit Plexiglas, No-Cash-Payment und natürlich mit allen hygienischen Vorschriften starten. Zusätzlich werden wir die Mitarbeiter in den Teams weniger mischen, damit wir nicht auf einmal die gesamte Belegschaft isolieren müssen, falls jemand krank werden sollte. Aber vor allem sind wir uns bewusst, dass gemeinsames Kaffeetrinken nach dem Lockdown eine grosse Rolle im Leben der Leute spielen wird. Da man unseren Kaffee mitnehmen kann, gehen wir davon aus, dass die Nachfrage gross sein wird. Man setzt sich wohl eher mit einem Kaffee auf den Sechseläutenplatz, an den See oder in den Park als in ein enges Café. Wir haben nach dem Lockdown also einen Auftrag, den Kunden wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und freuen uns wahnsinnig darauf.
Was für Learnings werden Sie persönlich aus dieser Krise ziehen?
Wenn ich sehe, wie andere Länder mit der Krise umgehen, dann wird uns vor Augen geführt, wie privilegiert wir in der Schweiz und wie wichtig eine funktionierende Gesellschaft und Demokratie sind. Ausserdem bin ich froh, dass wir eine Presse haben, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist und nicht Panik schürt.
Und in Bezug auf Ihre Firma?
Die Krise hat mich persönlich aber auch geschäftlich darin bestärkt, finanziell nicht auf dem letzten Zacken zu leben. Ich denke etwas für schwierigere Zeiten auf die Seite zu legen wird generell an Popularität gewinnen. Weiter hat sich mein Vertrauen in unser politisches System und speziell in den Bundesrat verstärkt. Trotz allem geniesse ich die entschleunigte Zeit mit weniger Terminen und Kontakten auch, wohl wissend, dass sich dies wieder ändern wird. Ich freue mich darauf anderen Menschen wieder normal zu begegnen, wenn alles vorbei ist.
Christian Forrer hat die Fragen schriftlich beantwortet.