Herr Matter, Sie haben soeben die Programmhighlights für das Jahr 2018 vorgestellt (persoenlich.com berichtete). Was, wenn am 4. März die No-Billag-Initiative angenommen wird?
Produktionen, die in eine weitere Staffel gehen – wie «Wilder» oder «Der Bestatter» –, würden natürlich gestoppt. Es würde keinen Sinn mehr machen, weil es SRF und das heutige Programm ab 2019 nicht mehr geben würde. Wenn man drei Viertel seiner Einnahmen verliert, geht das alles nicht mehr.
Zuversichtlich dürfte Sie stimmen, dass laut der neusten Abstimmungsumfrage von Tamedia 59 Prozent die Initiative ablehnen würden…
Das ist ein positives Signal, aber das Ergebnis kennen wir erst am 4. März.
Man hört Stimmen von Personen, die zwar ein Nein in die Urne legen wollen, aber dennoch verlangen, dass künftig gespart wird. Wo schnallen Sie den Gürtel enger?
Einen konkreten Plan gibt es noch nicht. Zuerst müssen wir die Abstimmung abwarten. Klar ist jedoch bereits, dass wir ab 2019 deutlich sparen müssen. Nicht nur die Gebühren werden auf 365 Franken reduziert, sondern auch der Anteil für die SRG wird von vornherein auf 1,2 Milliarden Franken beschränkt, das sind 50 Millionen Franken weniger als im letzten und im laufenden Jahr. Das ist viel Geld. Gleichzeitig werden die Werbeeinnahmen in den nächsten Jahren weiter sinken. Auch das wird dazu führen, dass wir stark sparen müssen.
Und wie?
Es wird darum gehen, das vielfältige Angebot, welches vom Publikum geschätzt wird, nicht zu beschädigen. Wir müssen schauen, wo wir innerhalb der SRG noch effizienter arbeiten können.
Hatten Sie bei der aktuellen Programmplanung bereits im Hinterkopf, dass Sie den Gürtel werden enger schnallen müssen?
Wir führen jedes Jahr sehr harte Diskussionen, wie viele Mittel in die einzelnen Produktionen fliessen. Wir achten darauf, dass Produktionen, die es schon länger gibt, von Jahr zu Jahr mit weniger Mittel auskommen. Die Prozesse sind ja auch entsprechend besser eingespielt.
Im Februar finden in Südkorea die Olympischen Winterspiele statt. Vor vier Jahren schickte die SRG 340 Mitarbeiter nach Sotschi. Und dieses Jahr?
Deutlich weniger, genauer: 80 Personen weniger als bei Sotschi. Das hat damit zu tun, dass wir technische Innovationen nutzen können. Viele der Leute, die früher noch an die Schauplätze reisen mussten und im Hintergrund die Technik betreuten, sind nun hier im Studio. Wir lösen das über schnelle Datenleitungen und steuern Sendungen, die aus Südkorea kommen, von Zürich aus. Hier sind wir mit anderen kleinen Sendern zusammen einmal mehr Pionier.
Das hat nun aber nichts mit «No Billag» zu tun, sondern mit dem stetigen Sparauftrag…
Genau. Schon vor Jahren haben wir die «Tagesschau» automatisiert und arbeiten dort mit deutlich weniger Personalaufwand als früher. Diese Mittel stecken wir dafür in Produktionen wie «Der Bestatter», «Wilder» oder «Seitentriebe». Solche Entscheidungen fällt man nicht von einem Tag auf den anderen. Das sind Prozesse, die über mehrere Jahre laufen.
Blicken wir auf den Oktober, da werden Sie 65 Jahre alt. Bleiben Sie länger, sollte die Initiative angenommen werden? Einen Nachfolger zu finden, dürfte ja dann schwierig sein.
Wenn die Initiative angenommen wird, braucht es sowieso keinen Nachfolger.
Der Kapitän soll das sinkende Schiff als Letzter verlassen. Jemand muss ja das Herunterfahren des Betriebes leiten.
Zum Herunterfahren würde das Team ohnehin stark verkleinert. Was aus mir wird, diskutieren wir nach dem 4. März, das habe ich mit SRG-Generaldirektor Gilles Marchand schon vor Monaten abgemacht. Dies gilt sowohl bei Annahme als auch bei Ablehnung der Initiative.
Am Neujahrsempfang der «Schaffhauser Nachrichten» vor gut zwei Wochen verrieten Sie, Roger Schawinskis Buch «No Billag?» noch nicht gelesen zu haben. Haben Sie dies mittlerweile nachgeholt?
Ja. Damals war das Buch erst seit ein paar Tagen auf dem Markt – und ich war schlicht nicht dazugekommen, in eine Buchhandlung zu gehen. Mittlerweile habe ich das Buch gekauft und noch am gleichen Tag gelesen. Ich habe gesehen, dass Roger Schawinski die Geschichte der SRG abarbeitet, auch seine persönliche. Ich habe auch gesehen, was er heute über uns sagt. Er schreibt, dass man das Programm, wie wir es heute machen, gar nicht sehr viel anders machen könne. Diese Zustimmung hat mich durchaus gefreut.
Schawinski ist ein Gegner der Initiative. Welches Argument der Befürworter nervt Sie am meisten?
Nerven ist das falsche Wort in einer politischen Diskussion. Es gehört dazu, dass man sich unterschiedliche Positionen anhört. Aber das Argument, welches ich grundfalsch finde, ist, dass Sendungen wie «Echo der Zeit» oder «10vor10» Luxus seien. In einer direkten Demokratie, in der alle Stimmbürger regelmässig an die Urne gerufen werden und zu teils komplexen Fragen ihre Meinung abgeben müssen, ist Information kein Luxus, sondern ein tägliches Bedürfnis.
Und genau dies wollten auch viele SRF-Mitarbeiter so vermitteln. Brotz, Wille, Dahinten – sie alle posteten und twitterten fleissig. Nun ist es sehr ruhig geworden…
Es ist vieles schon gesagt worden (lacht). Die Kampagne fing sehr früh an, und wir sagten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gleich zu Beginn, dass sie sich zurückhalten sollen. Grob falsche Angaben und Fakten dürfen sie zwar durchaus korrigieren, aber auf keinen Fall irgendwelche Meinungsäusserungen zu einem Ja oder Nein abgeben. Das ist nicht Teil unseres Auftrages. Wir sind hier, um sachgerecht zu informieren und alle Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Unsere eigene Meinung ist hier nicht gefragt.
Wo verbringen Sie den 4. März?
Der Tag beginnt bei mir zu Hause, später fahre ich sicher ins Studio Leutschenbach. Ich hoffe, dass ich dazu komme, etwas Sport zu treiben.
Interviewmarathon ist ja auch eine Art Sport…
Ich lasse es auf mich zukommen.
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07.02.2018 05:39 Uhr
26.01.2018 01:11 Uhr