13.06.2025

SRG | VSM

Das steht alles auch noch in der Vereinbarung

Das Kooperationsabkommen zwischen SRG und Verlegerverband umfasst deutlich mehr Punkte, als die Parteien bisher bekanntgegeben haben. persoenlich.com kennt das Dokument und nennt neun bisher nicht genannte Aspekte der Vereinbarung.
SRG | VSM: Das steht alles auch noch in der Vereinbarung
Was steht alles in der Vereinbarung? SRG-Generaldirektorin Susanne Wille am 15. Mai bei der Präsentation des Abkommens mit dem Verlegerverband. (Bild: Urs Flüeler)

Als die Spitzen von SRG und Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) am 15. Mai in Luzern eine gemeinsame Vereinbarung präsentierten, sprachen sie über ein Dokument, das noch gar nicht öffentlich vorlag (persoenlich.com berichtete). Ausser einer Medienmitteilung und mündlichen Ausführungen dazu gab es keine weiteren Informationen zum Inhalt. SRG und VSM wollen vor einer Veröffentlichung des Wortlauts den Entscheid der Wettbewerbskommission Weko abwarten, welche die «Grundsatzvereinbarung» derzeit prüft.

persoenlich.com kennt das Dokument und nennt und bewertet jene Punkte, die noch nicht öffentlich bekannt sind. Dabei handelt es sich alles um weitere Schritte des Entgegenkommens und der Selbstbeschränkung von Seiten der SRG.

SRG zahlt VSM 180'000 Franken
Eine Bestimmung in der Vereinbarung, über die man sich auf den ersten Blick wundern mag, erweist sich bei genauerem Hinsehen für den Verlegerverband als finanziell lukrativ. «Die SRG SSR ist bereit, dem VSM als Mitglied beizutreten», steht geschrieben. Da sich der Mitgliederbeitrag am Umsatz eines Unternehmens bemisst, würde die SRG gemäss Beitragsreglement jährlich 180'000 Franken an den VSM zahlen.

Ein Account pro Plattform und Thema
Für grosse Aufregung sorgte der vermeintlich komplette Rückzug der SRG von Drittplattformen. Grund dafür war eine missverständliche Formulierung in der Medienmitteilung. Klar ist: Die SRG bleibt gemäss ihrer bisherigen Strategie präsent auf YouTube, Instagram, TikTok & Co., um Publika anzusprechen, die sie mit den eigenen Plattformen nicht erreicht. Allerdings soll die Präsenz der SRG auf den Tech-Plattformen reduziert und konzentriert werden. «Die SRG SSR beschränkt sich pro ausländische Plattform auf maximal einen Kanal/Brand pro Programmkategorie und Sprache», steht in der Vereinbarung. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass der YouTube-Kanal «SRF Impact» aufgehoben oder in den grösseren Kanal «SRF Dokus & Reportagen» integriert werden müsste.

Keine zusätzlichen Newsletter
Eine bisher nicht kommunizierte Einschränkung betrifft die redaktionellen Newsletter der SRG. So soll die aktuelle Anzahl eingefroren und das Angebot nicht ausgebaut werden. Auch inhaltlich macht die Vereinbarung Vorgaben. So dürfen Newsletter künftig keine aktuellen Textbeiträge aus den Bereichen Nachrichten und Sport enthalten, sondern sollen auf Sendungen oder das Online-Angebot hinweisen. Wie bei der Umfanglimite für Online-Texte geht es auch bei dieser Bestimmung darum, das textbasierte Angebot der SRG einzuschränken.

Halbe Million für Login-Promo
Anders als bisher kommuniziert, trägt die SRG nicht nur «die Weiterentwicklung der Login-Allianz mit», sondern verpflichtet sich zu einer gross angelegten TV-Werbekampagne für das gemeinsame Login der Schweizer Medien. «Die SRG SSR stellt der Login-Allianz für die Bewerbung des Logins einmalig ein unentgeltliches TV-Werbekontingent in der Höhe von CHF 500'000 zur Verfügung», heisst es in der Vereinbarung. Eine solche Kommunikationsoffensive ist allerdings erst dann sinnvoll, wenn Tamedia, CH Media und die NZZ auch dieses User-Login verwenden – was noch nicht oder nicht mehr der Fall ist (persoenlich.com berichtete).

Auch Vermarkter profitieren
Wie Mitte Mai kommuniziert, wird die SRG «den Grossteil ihrer Online-Marketingmittel bei privaten Schweizer Medienhäusern» investieren. Im Text der «Grundsatzvereinbarung» ist dieser Anteil mit 60 Prozent beziffert. Was bisher nicht bekannt war: Auch von den übrigen 40 Prozent profitieren die Verlage. Diesen Anteil der Marketingausgaben für das Online-Angebot, respektive für Social-Media-Angebote, verpflichtet sich die SRG über die Vermarkter der Verlage zu buchen, also via Goldbach, Audienzz oder Admeira.

Private verkaufen SRG-Filme
Die SRG soll nicht nur auf ihren eigenen Streamingplattformen Inhalte der privaten Medien verbreiten. Sie soll umgekehrt den Verlagen Inhalte liefern, welche diese auf ihren kostenpflichtigen Streamingplattformen zeigen können. «Die Abgeltung der Lizenzrechte basiert auf dem Modell einer Beteiligung von 50 Prozent an den entsprechenden Erlösen», steht in der Vereinbarung. Von dieser Bestimmung profitiert vor allem CH Media mit Oneplus.

Barrierefreier Zugang ohne Zeichengrenze
Was bereits bekannt ist und vor allem intern für Kritik sorgte: Die SRG muss den Umfang der online publizierten Texte auf 2400 Zeichen beschränken (persoenlich.com berichtete). Eine Ausnahme, von der bisher noch nicht öffentlich die Rede war, gibt es für den barrierefreien Zugang zum SRG-Angebot. Was das genau heisst, wird in der «Grundsatzvereinbarung» nicht weiter ausgeführt. Für gehörlose und hörbehinderte Menschen ermöglichen Online-Texte einen barrierefreien Zugang zum Audio-Angebot. Damit könnte sich die Katze in den Schwanz beissen, indem die Ausnahmebestimmung die Beschränkung aushebelt. Denn eine Begrenzung der Textmenge reduziert das barrierefreie Angebot, das die SRG gemäss Konzession bereitzustellen verpflichtet ist.

Rückkehr zur Onlineforschung
Als Mediapulse per Ende 2024 die Onlineforschung einstellte, entschied sich die SRG fortan, keine Daten mehr zur Nutzung ihrer Websites und Apps gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern erheben und öffentlich publizieren zu lassen. Mit dem Verzicht liessen sich Kosten sparen, und ausserdem könne man wegen des Online-Werbeverbots auf diese Daten verzichten, begründete die SRG den Schritt (persoenlich.com berichtete). Bei der Mediapulse-Nachfolgelösung Online Data Switzerland sind nur die Verleger vertreten. Gemäss der Vereinbarung zwischen SRG und Verlegerverband VSM verpflichtet sich die SRG, künftig wieder monatlich Online-Nutzungszahlen auszuweisen. Das Interesse der Verleger an dieser Bestimmung liegt auf der Hand: Sie wollen sehen, wie sich die SRG online entwickelt, um bei einer allzu positiven Entwicklung weitere Einschränkungen zu fordern.

Einschränkung beim Livesport
Bei den Einschränkungen des Sportangebots ist die Formulierung in der Vereinbarung härter als bisher öffentlich kommuniziert. Sie lautet: «Das Angebot an Livesport der SRG SSR unterscheidet sich in seiner Gesamtheit substanziell von demjenigen kommerzieller Anbieter.» Dieser Wortlaut lässt offen, welches Angebot welcher kommerzieller Anbieter zu welchem Zeitpunkt zum Massstab genommen werden soll, um das für die SRG noch zulässige Angebot zu definieren. Heisst das, alle Sportarten, die TV24 von CH Media überträgt, von Fussball über Eishockey bis Unihockey, sind fortan für die SRG tabu? Wie bei so manchen anderen Punkten in der Vereinbarung steckt auch hier der Teufel im Detail.


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KOMMENTARE

Ronald Joho-Schumacher
13.06.2025 16:54 Uhr
Für CHF 180'000 p.a. die Seele verkauft. Bravo.
Tek Berhe
13.06.2025 16:23 Uhr
Die SRG SSR muss sicherstellen, dass in der Kommunkation und im Auftritt klar herauskommt, dass OneLog weiterhin für die SRG-Plattfoormen freiwillig ist.
Peter Tschudi
13.06.2025 10:47 Uhr
Aus meiner Sicht geht es bei diesen "Absprachen" im Vorfeld der 200 Franken Initiative primär um den Erhalt von finanziellen Pfründen, weniger um gewinnbringende Symbiosen und intelligente Weiterentwicklungen des Medienplatzes Schweiz. Soweit alles durchschaubar. Wenn sich die Diskussion (seit 10+ Jahren) dreht um eine maximale Anzahl Zeichen pro Textbeitrag statt um Innovation und befruchtenden Wettbewerb .. was soll man dazu noch sagen? Im Wissen dass die 200 Franken Initiative sehr gute Chancen zur Annahme hat (meine Prognose: 55-58% Ja) sind alle ohne Not gemachten inhaltlichen Selbstbeschränkungen seitens der SRG strategisch nicht klug. In einem kommenden 200 Franken Konzept vergibt man sich damit Handlungsspielraum, um den Service Public fundamental neu zu denken. 200 Franken sollten der SRG reichen für die Rückbesinnung aufs Wesentliche der Konzession. Für "die Privaten" wird es dann umso mehr Spielraum geben. Selbstregulierung also, im positiven Sinne - wer braucht dafür dubiose Vereinbarungen?
Cyril Meier
13.06.2025 08:18 Uhr
Die Politik war und ist ja unwillens u/o unfähig, der SRG klare Vorgaben i.S. "Service-Public"-Mandat zu machen. Da wundert's nicht, wenn nun derart degoutante Kartell-Absprachen entstehen. Deprimierend für uns Steuerzahler und Mediennutzer.
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