02.06.2000

Der Presserat zu Indiskretion bei hängiger Administrativuntersuchung

Berufsethische Regeln gelten auch für satirische Rubriken.

Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Medien über mögliche Dysfunktionen einer staatlichen Dienststelle berichten. Staatsangestellte in höheren Funktionen haben sich der öffentlichen Kritik zu stellen, sofern diese im Zusammenhang mit ihrem Amt steht. Die Verpflichtung der Medien zur Information der Öffentlichkeit kann es rechtfertigen, einzelne Elemente einer laufenden Administrationsuntersuchung zu veröffentlichen, bevor die Untersuchung abgeschlossen ist. Sofern die veröffentlichen Informationen jedoch schwerwiegende Vorwürfe gegen die betroffenen Beamten enthalten, ist diesen vor der Publikation die Gelegenheit zu einer Stellungnahme einzuräumen. Dies gilt auch, wenn solche Informationen im Rahmen einer satirischen Rubrik publik gemacht werden. Die Redaktionen können zwar frei darüber entscheiden, in welchem redaktionellen Gefäss sie eine Information veröffentlichen. Sie müssen sich aber in jedem Fall an die berufsethischen Regeln halten. Zu diesen Schlüssen ist der Schweizer Presserat in einer am Freitag veröffentlichen Stellungnahme gelangt.

Im November 1999 veröffentlichte der "Quotidien jurassien" in seiner damals wöchentlich erscheinenden satirischen Rubrik Auszüge aus dem Bericht über eine Administrativuntersuchung, die von der jurassischen Regierung gegen ein kantonales Amt angeordnet worden war. Laut den publizierten Auszügen wurden schwerwiegende Mängel auf allen Ebenen festgestellt und empfohlen, den Chef des betroffenen Amtes wegen Unfähigkeit möglichst rasch zu entlassen. Daraufhin gelangte der Informationsdienst des Kantons Jura an den Presserat und stellte zur Diskussion, ob die Behandlung solch heikler Informationen in einer satirischen Rubrik mit der journalistischen Berufsethik vereinbar sei und ob die im Medienbericht identifizierbaren Betroffenen nicht vor der Publikation hätten angehört werden müssen. Schliesslich wurde in der Beschwerde auch die Frage des journalistischen Umgangs mit Dokumenten aufgeworfen, die einem laufenden Administrationsverfahren entstammen.



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