24.01.2017

SRF Jahresmedienkonferenz

«Die Jugendkultur ist international»

12- bis 35-Jährige sollen vermehrt über das Internet angesprochen werden. Dazu plant SRF über 20 neue Webformate. Um mögliche gemeinsame Formate anzudenken, sucht Bereichsleiter Stefano Semeria das Gespräch mit ausländischen Service-Public-Stationen, wie er am Rande der Jahresmedienkonferenz im persoenlich.com-Interview sagt.
SRF Jahresmedienkonferenz: «Die Jugendkultur ist international»
Stefano Semeria, Bereichsleiter «Junge Zielgruppen»: «Wir möchten viel produzieren, um zu sehen, was bei den jungen Zuschauern hängen bleibt.» (Bild: SRF/Lukas Mäder)
von Christian Beck

Herr Semeria*, das Kinderprogramm «Zambo» hatte gerade einmal 9000 Zuschauer mit einem Durchschnittsalter von 53 Jahren. Nun findet es nur noch online statt (persoenlich.com berichtete). Sie haben also Ihre Lehren daraus gezogen.
Wenn das Kinderprogramm im Vollprogramm läuft, hat man immer das Problem, dass es entweder eingeschränkte Programmierungsmöglichkeiten gibt oder durch Sport oder andere Ereignisse keine Kontinuität gewährleistet ist. ARD und ZDF spürten das im Winter extrem durch die ganzen Skiveranstaltungen. Sie haben aber einen grossen Vorteil: sie haben mit «Kika» einen monothematischen zusätzlichen Sender. Dieses Budget haben wir aber nicht, deshalb mussten wir fokussieren. Die Plattform der Kinder und angehenden Jugendlichen ist unter anderem das Web.

Auch das Jugendprogramm soll nun vermehrt online stattfinden. Gibt es keinen Versuch mehr, die Jungen vor das lineare Fernsehen zu locken?
Doch, beispielsweise mit «How I met my Schätzli», diese Serie wird am Valentinstag am Fernsehen ausgestrahlt. Wir produzieren ja nicht alleine für die digitalen Plattformen. Wenn ein Programm im Haus als sendenswert im linearen Angebot erachtet wird, dann machen wir das. Die Erstveröffentlichung-Plattform ist einfach das Netz, weil da jenes Publikum ist, das wir hauptsächlich ansprechen wollen.

Acht von zehn der 15- bis 29-Jährigen schalten aber immer noch regelmässig den Fernseher ein. Das ist nicht zu vernachlässigen.
Nein. Aber diese Werte werden beispielsweise bei Nachrichtensendungen, Sportveranstaltungen und grossen Samstagabend-Shows gemessen, die einen hohen Anteil auch beim jungen Publikum haben. Das lineare Fernsehen ist einer der Wege, Junge zu erreichen. Wir wollen aber auch die Lebenswelt und Lebensrealität der Jungen mitabbilden in unseren Formaten. Und da sind wir am Fernsehen nicht zuallererst am richtigen Ort mit unseren Angeboten. Wir können es gezielter und besser digital anbieten.

Junge_Zielgruppe_Multipic

20 Webformate sind in Planung oder teilweise schon realisiert. Ab März sind diese verfügbar. Haben Sie hier den Bogen nicht etwas überspannt?
Nein, unsere Kollegen von «Funk» in Deutschland haben seit Herbst 40 Formate veröffentlicht und legen in diesem Frühjahr nochmals 30 neue Formate nach. Die hauen mit ihrem Budget ganz viel schön raus, um danach zu sehen, was hängen bleibt. Mit dem viel geringeren Budget können wir uns diese hohe Zahl an Formaten nicht leisten. Wir müssen viel planvoller vorgehen. Trotzdem wollen wir viel produzieren, um zu sehen, was ankommt. Wir brauchen diese hohe Zahl, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können.

Ist «Funk» von ARD und ZDF für Sie ein Vorbild?
Nein, die haben ja jetzt zwei Jahre lang gebraucht, um überhaupt an den Start gehen zu können. Wir haben das innerhalb von einem halben Jahr geschafft. Die Situation und Ausgangsvoraussetzungen in Deutschland waren und sind jedoch auch ganz andere. Interessant ist aber sicher, sich auszutauschen. Wir treffen uns noch diese Woche und klären unter anderem die Frage, ob wir möglicherweise gewisse Formate auch gemeinsam produzieren können. Jugendkultur ist ja schliesslich auch international. Auch mit anderen Ländern wollen wir das Gespräch suchen.

Wo ist der grösste Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz?
In Deutschland ist die Youtuber-Szene viel weiter gewachsen. In Deutschland wurden von Beginn weg Youtuber ins Jugendprogramm eingebunden, die auch ihr vorhandenes Publikum mitbringen. In Deutschland ist ein sogenannter Youtube-Star mit einer Million Abonnenten fast noch am unteren Ende der Berühmtheitsskala, in der Schweiz hat ein erfolgreicher Youtuber höchstens mehrere zehntausend Abonnenten – sofern nicht auf Englisch produziert wird.

In einem früheren persoenlich.com-Interview sagten Sie, auch der Einsatz von Snapchat sei denkbar. Ist da schon etwas konkret?
In Zusammenarbeit mit externen jungen kreativen Snapchat-Experten denken wir im Moment über die Realisierung eines fiktionalen Formats nach. Produktionszeitpunkt, Handlungsort und Thema sind noch offen.



SRF schuf nun den neuen Bereich «Junge Zielgruppen». Was ist da neu?
Der Name des Bereiches ist neu, die Redaktionen sind die bestehenden, sprich das Kinderprogramm «Zambo», das Schulfernsehen «mySchool» und die Radio- und Onlinemarke «Virus». Diese wurden zusammengefasst. Damit kann von den Ideen und Erfahrungen der bisherigen Arbeit für das junge Segment profitiert werden. Neben dieser Bündelung wollen wir durch Impulse, die aus diesen Redaktionen kommen oder auch von extern, neue Programminhalte für digitale Plattformen schaffen.

Mit der Bündelung wurden auch Stellen gestrichen, alleine bei «Zambo» 3,8 Vollzeitstellen. Kommen da noch mehr?
Das war der einzige Abbau. Fluktuationen gibt es immer – und wir wollen Stellen, bei denen es sich ergibt, auch mit sehr jungen Leuten besetzen. Wir brauchen das, um die Augenhöhe mit dem Publikum herstellen zu können. Wir haben aber kein Budget, um auf irgendeine Weise unsere Ressourcen aufzustocken.


*Stefano Semeria arbeitet seit 2011 bei SRF. Zuvor war er unter anderem als Programmplaner bei der ARD, als Leiter Programmplanung Fernsehen ORB/RBB und als Head of International Format Research bei ProSiebenSat.1 tätig.




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