20.03.2021

NZZ am Sonntag

Die Redaktion wehrt sich in einem Brief

Die plötzliche Absetzung von Chefredaktor Luzi Bernet sorgt für Befremden. Befürchtet wird ein Machtkalkül von Eric Gujer. Mit der Ernennung von Jonas Projer soll die NZZaS politisch neu ausgerichtet werden.
NZZ am Sonntag: Die Redaktion wehrt sich in einem Brief
Wird von der Belegschaft als «Identifikationsfigur des Hauses» bezeichnet: Luzi Bernet, abgesetzter Chefredaktor der NZZ am Sonntag. (Bild: NZZ)

Die Redaktion der NZZ am Sonntag ist befremdet über den Abgang ihres Chefredaktors Luzi Bernet. Momentan soll ein Brief die Runde machen, in dem sich die Belegschaft gegen diesen Personalentscheid wehrt, heisst es im Tages-Anzeiger. Wie viele Personen diesen Brief unterzeichnet haben, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Am 12. März teilte die NZZ-Gruppe mit, dass Blick-TV-Chefredaktor Jonas Projer auf Bernet folgen soll. Bernet beende seine Tätigkeit wegen «unterschiedlicher Auffassungen über die weitere Entwicklung des Blattes». persoenlich.com-Recherchen zeigten, dass Bernets Abgang nicht freiwillig war und er sich an einer internen virtuellen Mitarbeiterinformation sehr enttäuscht zeigte.

Im Brief der Redaktion, der laut Tagi «noch nicht offiziell überreicht wurde», heisst es, dass es unverständlich sei, wie man Bernet «Knall auf Fall fallengelassen» habe. «Er hat als Nachrichtenchef die Entwicklung des Newsrooms massgeblich vorangetrieben und als Leiter des Ressorts Zürich dessen Onlineauftritt gestärkt.» Forderungen werden im Brief laut Tagi keine gestellt.

Leise kritisiert wird jedoch die Wahl von Projer. Es dränge sich die Frage auf, «ob ein dem Posten angemessenes Auswahlverfahren stattgefunden» habe. Laut Tagi sollen auch SRF-Kulturchefin Susanne Wille, Blick-Gruppen-Chefredaktor Christian Dorer und Patrik Müller, Chefredaktor Zentralredaktion CH Media, angefragt worden sein. Alle drei hätten abgelehnt. Laut NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod soll es zudem Gespräche mit internen Kandidatinnen gegeben haben. Man habe aber «ein anderes Profil» gesucht.

Laut dem Tages-Anzeiger-Bericht soll es auch um Machtfragen bei der weiteren Zusammenführung von NZZ und NZZ am Sonntag gehen. Bernet sei bei diesem Konzentrationsprozess ein Bremser gewesen, von Projer sei dies nicht zu erwarten. So könnte also NZZ-Chefredaktor Eric Gujer die linksliberale NZZaS auf den politischen Kurs des Mutterblatts bringen, so die Befürchtung. (cbe)


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KOMMENTARE

Xaver Stalder
21.03.2021 12:56 Uhr
Die abrupte Absetzung von Luzi Bernet erinnert mich an jene von Markus Spillmann, der ebenso unerwartet 2014 als Chefredaktor der NZZ abgesetzt wurde. Bei Beiden ist es offensichtlich die offene, linksliberale Haltung, die nicht mehr genehm war, obwohl man offiziell administrativ-technische Gründe vorgab. Nun soll also auch die beliebte NZZ a So den Rechtsrutsch nachvollziehen, den die NZZ schon 2015 unter Eric Gujer vollzogen hat. Vermutlich wird die kompetente und mutige Inlandredaktorin Anja Burri, welche das Fehlverhalten auch bürgerlicher Politikerinnen und Politiker beim richtigen Namen nennt, unter der neuen Ägide unter Druck kommen.
Rudolf Penzinger
20.03.2021 10:06 Uhr
Schön langsam wird man sich fragen müssen, ob man bei der NZZ seinerzeit mit Somm nicht das kleinere Übel bekommen hätte.
Urs Heinz Aerni
20.03.2021 09:34 Uhr
Was würde passieren, wenn die Geschäftsleitung eines Reisecar-Unternehmens den Chauffeur ohne Vorwarnung mit einem jungen Sportpiloten auswechselte? Richtig, die Seniorinnen und Senioren würden schleunigst aussteigen und ein neues Reiseunternehmen suchen. Dass deswegen neue und junge zahlungskräftige Reisegäste zusteigen würden? Die sitzen schon längst in den zu ihnen passenden Vehikeln. Mein Leser-Reiseunternehmen NZZ AM SONNTAG machte nun genau diesen Fehler.
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