14.07.2019

Neue Medien Zentralschweiz

«Diese Hörer in ihren goldenen Jahren sind hellwach»

Gleich zwei Zentralschweizer Sender fallen bei den neusten Mediapulse-Zahlen auf: Radio Eviva hat die längste Hördauer und Radio Central den höchsten Marktanteil bei den Männern. CEO und Programmleiter Roman Spirig über Musik, Messuhren und Mid-Ager.
Neue Medien Zentralschweiz: «Diese Hörer in ihren goldenen Jahren sind hellwach»
«Was sich uns nicht erschliesst ist, warum andere Musikspartensender des Landes eine derart tiefe Hördauer aufweisen», so Roman Spirig, CEO und Programmleitung der Radios Central, Sunhine und Eviva. (Bild: zVg.)

Herr Spirig, Radio Eviva hat die längste Hördauer aller Privatradios. 1 Stunde und 18 Minuten täglich halten Sie die Hörer bei der Stange (persoenlich.com berichtete). Haben Sie eine Erklärung dafür?
Jein. Zum einen ist es kein Zufallstreffer. Radio Eviva hat seit Jahren eine sehr lange Hördauer. Die Hörerinnen- und Hörer des «ErVolksmusiksenders» sind sehr treu und leben und lieben das Programm, die Tradition und die Musik von Radio Eviva. Eviva hat seine Musik ständig angepasst und den Mix verfeinert. Zudem spielen wir einen Musikanteil von Schweizer Musik über 80 Prozent. Volksmusik ist nicht gleich Volksmusik, da kann man auch viel falsch machen.

Sie machen offenbar viel richtig …
Dass mittlerweile die Hördauer derart lange ist, sagt uns, wir sind bei dieser spannenden Wanderung auf dem richtigen Weg, sicherlich aber noch nicht auf dem Gipfel angekommen. Was sich uns nicht erschliesst ist, warum andere Musikspartensender des Landes eine derart tiefe Hördauer aufweisen. Beispielsweise reine Rock- oder Hitsender. Machen die etwas falsch oder gibt es einfach zu wenig Hörer, die «ihre» Musik länger als eine halbe Stunde am Stück hören möchten?

Böse Zungen könnten sagen: Die Hörer schlafen beim Eviva-Programm ein …
(Lacht.) Wenn Sie Eviva-Hörerinnen und -Hörer kennen würden, würden sie bestimmt das Gegenteil behaupten. Diese Hörer in ihren goldenen Jahren sind hellwach. Gibt es einen kleinen Sendeausfall oder ein Lied, das nicht passt, rufen sie sofort an. Dies schätzen wir sehr. Apropos einschlafen: Die meisten Eviva-Hörerinnen und -Hörer scheinen gerade umgekehrt zu denken … Das erste, was sie am Morgen tun, ist Radio Eviva – «ihr Begleiter durch den Tag» – einschalten. Sie stehen also eher mit Eviva auf. Mir berichten Leute in der sehr interessanten Werbezielgruppe 50+, dass sie Radio Eviva auch sehr gerne auf ihren Weg zum Golfplatz, zum Wandern, zum Turnverein oder zum «go poschtä» mitnehmen.

«Traditionell kann auch konservativ heissen, muss es aber nicht»

Dann sprechen Sie die Zielgruppe 50+ auch hauptsächlich an – oder welche haben Sie im Visier?
Hauptsächlich sind es Leute, die traditionell ausgerichtet sind, Brauchtum und vor allem diese Musik mögen. Und traditionell kann auch konservativ heissen, muss es aber nicht. Die Vielfalt an Leuten, die Freude an Volksmusik haben, erfreut und erstaunt uns immer wieder enorm. Da ist der studierte Anwalt, der in seinem Büro Eviva hört, ebenso mit dabei wie der Bauer, der morgens früh in den Stall geht wie auch die fitte Grossmutter, die gerne mit dem E-Bike eine Ausfahrt macht. Von der Werbewirtschaft wird gerade diese Zielgruppe vermehrt gerne auch über nationale Vermittler gebucht. Kein Wunder: Diese Generationen haben Vermögen angespart, sind fitter denn je, wissen, was sie wollen und können ein echt gutes Werbeangebot erkennen und einschätzen. Es ist also wichtig, in gutem seriösen Umfeld auch die richtige seriöse Botschaft zu senden.

Ihr Medienhaus liefert eine weitere interessante Zahl: Radio Central hat im ersten Halbjahr 2019 den höchsten Marktanteil bei den Männern. Was macht Central zu einem Männerradio?
Dass Radio Central den grössten Marktanteil aller Schweizer Privatradios bei den Männern hat, heisst nicht, dass Radio Central ein «Männerradio» ist. Auch der Top-7-Marktanteil bei Frauen unterstreicht dies. Dass nun aber mehr Männer als Frauen Central hören, hat sicherlich auch damit zu tun, dass Central viel auf Livesport wie Eishockey und Fussball setzt, viel Schwingveranstaltungen überträgt, aber auch im breiten Musikmix auch mal gute Rock-Classics, Country oder starke Evergreens einbaut. Ich denke, das gefällt vielen Männern neben den starken Newsbeiträgen und Unterhaltung. Frauen berichten uns aber ebenso von ihrem Radio Central, wenn sie den breiten Musikmix ansprechen, sich über die Unterhaltung freuen und die regionalen Infos schätzen. Beim Sport spüren wir dagegen noch sehr unterschiedliche Interessen von Mann und Frau, wenn diese auch immer mehr verschmelzen.

Trotzdem: 104‘700 Männer hören täglich zu – und «nur» 77‘000 Frauen. Wie kann Radio Central weiblicher werden?
Wir hören sehr genau hin, wenn Frauen über Radio Central sprechen. Wir sind sehr stolz, dass bereits 77'000 Frauen täglich im Durchschnitt weit über eine Stunde Radio Central hören. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, davon träumen aktuell wohl einige «junggetrimmte» Radios. Das heisst natürlich aber auch für uns, noch mehr für Frauen zu tun. Wir begreifen, dass es noch mehr Frauenthemen gibt, die Frauen brennend interessieren – und gerade deshalb auch Männer gerne hinhören. Familienthemen und Rubriken gehören hier ebenso dazu wie Ratgeberthemen und interessante Peoplethemen. Schliesslich finden wir es sehr spannend, was sich Frauen innerhalb der «Classics» täglich zwischen 10 und 11 Uhr wie auch im Wunschkonzert zwischen 19 und 20 Uhr wünschen. Auch dies analysieren wir laufend, um den bestmöglichen Mix für Frau und Mann zu finden.

«Dies ist der Lohn der täglichen Arbeit»

Unter die Top 3 kommt Radio Central auch beim Gesamt-Marktanteil mit 2,48 Prozent, gleichauf mit Radio 24. Macht Sie das stolz?
Tatsächlich ist dies für all unsere Programm-Macherinnen und -Macher der Lohn der täglichen Arbeit, der am meisten stolz macht. Zu den Top 3 der Schweiz zu gehören bedeutet, dass ein gut gemachtes Infotainment-Radio seine Berechtigung hat – entgegen dem Trend der Oberflächlichkeiten. Bei Central gibt es keine strenge Formatierung, von wegen ein Beitrag darf nur 1 Minute und 30 Sekunden lang sein, während gewissen Stunden darf kein Wort gesprochen et cetera. Wenn etwas passiert, ist Central dabei und informiert. Ein Morgengast darf auch mal sechs Minuten am Stück im Interview reden, solange es spannend bleibt. Das wäre in anderen Formatradios unmöglich. Dass dies dann derart intensiv gehört wird mit einem Top-3-Marktanteil, ist für alle Bemühungen in Programm, Marketing und Verkauf mehr als schön.

Bei der Reichweite sieht es weniger gut aus. Sie haben im Vorjahresvergleich 18‘850 Hörer verloren. Ein signifikanter Verlust. Wie das?
Wir sind, wie alle Privatradios, Schwankungen ausgesetzt. Sieht man sich die Top 10 der Privatradios an, haben in diesem ersten Semester alle an Reichweite verloren. Es kann aber ebenso im nächsten Semester wieder um denselben Wert nach oben gehen. Damit mussten wir Privaten leider leben lernen. Das hat auch mit der Anzahl Messuhren zu tun, welche zwar gut funktionieren, aber eben im regionalen Bereich aus unserer Sicht an der unteren Grenze verteilt sind. Mehr Probanden würden stabilere Werte ergeben. Eine Messuhr eines Probanden steht für sehr viele Leute. Die Situation ist zwar immer noch viel befriedigender als die TV-Messung, geschweige denn die Zeitungsleser-«Umfragen» oder dem Humbug, der mit Onlineklicks stattfindet – aber wir möchten die beste Mediaforschung weit und breit noch weiter verbessert sehen. Also mehr Uhren und damit Probanden die mitmachen.

«Auch dieser Rutsch bringt uns nicht aus dem Gleichgewicht»

Dritter Sender in Ihrem Bunde ist Radio Sunshine. Auch hier ein signifikanter Verlust: 95‘070 statt 120‘510 Hörer. Sunshine rutscht von Platz 11 auf 15 ab. Was ist passiert?
Auch dieser Rutsch lässt uns einiges hinterfragen, bringt uns aber nicht aus dem Gleichgewicht bei Sunshine Radio. Wir haben schon Sprünge um mehr als 20'000 aufwärts wie abwärts erlebt. Wie schon beschrieben, die wenigen Radio-Messuhren in der Region stehen für sehr viel Bevölkerung. Da kann es schon zu Schwankungen kommen. Für den nationalen Markt mag das funktionieren, für Regionalradios ist das immer wieder ärgerlich, weil man wahrscheinlich plus/minus ähnlich viele Hörerinnen und Hörer hat wie im letzten Semester, die Reichwerte aber schwankt. Wir achten deshalb viel lieber zusätzlich auf aussagekräftigere Marktanteile und damit auch die Hördauer (Marktanteil = Hördauer x Reichweite, Anm. der Red.). Es freut uns, mit Sunshine Radio überdeutlich in der Heimat seit 1983 – in der Region Zug (Wemf24) – klarer Marktleader zu sein.

Die Sunshine-Morgenshow sendet neu aus Luzern, tagsüber kommt das Programm wie bisher aus Rotkreuz. Warum das?
Wir lassen die Sonne neu am Morgen mit der Sunshine-Morgenshow «Sunny Side Up» in Luzern aufgehen und senden dann ab High-Noon aus Zug – sprich Rotkreuz. Damit können wir endlich einem langen Wunsch aus Programm und Vermarktung entsprechen. In Luzern kann man mit der Morgenshow vermehrt Gäste in der neu eingerichteten «Radio-WG» begrüssen. Musikstars, Promis, Sportlergrössen und so weiter passen dort bestens hinein – ebenso wie Hörerinnen und Hörer als Gäste. Unsere fliegenden Reporter haben damit zusätzlich die Möglichkeit, in Luzern und Rotkreuz für die Sunshine-Shows zu produzieren. Die Wege sind kürzer.

Zwei Standorte sind aber nicht sehr wirtschaftlich …
Es ist aktuell in Zeiten, in denen alles zentralisiert wird im Medienbusiness, zwar nicht gerade der Trend, mehrere Standorte zu stärken. Wir finden aber gerade jetzt sollte Medienvielfalt und damit eine vielfältige Strategie an Standorten gefördert werden. Der Alltag für die Programm-Macherinnen und -Macher und damit ganz bestimmt auch für die Hörerinnen und Hörer wird so viel spannender. Von Zug und Luzern aus ein Hitradio für die Zentralschweiz zu machen, ist der Auftrag von Sunshine.


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