30.08.2017

Umbau bei Tamedia

Drei Chefs für sieben Ressorts – was macht der Rest?

Nach der Ankündigung des Radikal-Umbaus der Bezahlmedien herrscht in den Redaktionen Verunsicherung. Beim Tagi wissen die Ressortleiter noch nicht, wie es für sie weitergeht. Zwar sichert Tamedia jedem eine «Aufgabe» zu, Vertragsanpassungen sind aber mittelfristig nicht auszuschliessen.
Umbau bei Tamedia: Drei Chefs für sieben Ressorts – was macht der Rest?
Eine Ressortleitersitzung beim «Tages-Anzeiger». (Bild: Keystone)
von Michèle Widmer

Trotz heftiger Kritik und einer Protestaktion in Bern verkündete Tamedia vor einer Woche radikale Umstrukturierungen bei den bezahlten Tageszeitungen. Kurz vor Mittag ging am letzten Mittwoch der interne Newsletter an die rund 3500 Angestellten raus. Zwei Tamedia-Redaktionen in Zürich und Lausanne bedienen die 14 Bezahlmedien des Verlags ab 2018 mit Inhalten aus Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport. Für Kultur, Gesellschaft und Wissen wird die Mantelredaktion in Zürich Inhalte zur Verfügung stellen. Betroffen von der neuen Organisation sind etwa tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verteilt auf die ganze Schweiz.

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Die Verunsicherungen in den Redaktionen ist gross. Tamedia wiederholt zwar immer wieder, dass mit der neuen Struktur keine Entlassungen verbunden sind und «alle Mitarbeitenden ab Januar 2018 eine Aufgabe in einer der Redaktionen» haben werden. Allerdings ist anzunehmen, dass durch die Bildung von sogenannten Kompetenzzentren verschiedene Positionen in den Redaktionen der einzelnen Titel überflüssig werden.

«Alle Mitarbeitenden wechseln mit dem bisherigen Lohn in die neue Organisation», sagt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer auf Anfrage von persoenlich.com. Im ersten Halbjahr 2018 werde eine Projektgruppe die zukünftigen Funktionen und möglichen Karrierewege für Journalistinnen und Journalisten bei Tamedia weiterentwickeln. Anschliessend werde man entscheiden, in welchen Fällen Vertragsanpassungen notwendig sind. 

Drei Leiter für sieben Ressorts

Als nächstes steht in den Kompetenzzentren in Zürich, Bern und Lausanne die Bildung der neuen Einheiten an. «Das braucht noch etwas Zeit», sagte Chefredaktor Deutschschweiz, Arthur Rutishauser gegenüber persoenlich.com. Schaut man sich die neue Organisation etwas genauer an, sind viele Fragen offen. Klar ist aber: Die Umstrukturierung dürfte, zumindest vorerst, nicht primär die Mitarbeitenden in den unteren Hierarchiestufen treffen, sondern vor allem solche mit Leitungsfunktionen.

Ab Januar 2018 leitet der jetzige Tagi-Redaktionsleiter Iwan Städler die Ressorts Ausland, Kultur und Gesellschaft der Tamedia Redaktion. Er wird zudem Chef der Blattmacher. Adrian Zurbriggen, bisher stellvertretender Chefredaktor der «Berner Zeitung» übernimmt die Ressorts Inland und Sport. Zudem wird der Berner der Stellvertreter von Rutishauser in der Mantelredaktion. Und: Die Ressorts Wirtschaft und Wissen leitet ab 2018 der bisherige Textchef Armin Müller.

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Wer wird Inlandchef oder Ressortleiter Kultur?

Wenn alle Ressorts der Tamedia-Redaktion auf drei Personen verteilt sind, fragt man sich, was mit den restlichen Ressortleiterinnen und Ressortleiter des «Tages-Anzeigers» passiert. Laut Zimmer wird es in Zürich und Bern «natürlich weiterhin Ressortleiter geben». Sie seien den Mitgliedern der Chefredaktion Tamedia Deutschweiz, Armin Müller, Iwan Städler, Adrian Zurbriggen und Michael Marti, unterstellt.

Wer in Zukunft welche Ressorts führt, ist bisher noch unklar. Fraglich ist, ob einfach die Tagi-Ressortleiter übernommen werden, oder ob mögliche Kandidaten von «Bund» oder «Berner Zeitung» eine Chance erhalten. Beim «Tages-Anzeiger» betroffen sind im Inland Ressortchef Daniel Foppa, der Wirtschaftsleiter Peter Burkhardt, Kulturchef Guido Kalberer, in der Gesellschaft ist es Bettina Weber und im Wissen Nik Walter. Im Ausland stehen mit Sandro Benini und Christof Münger sogar mit zwei Ressortleitern Gespräche an.

Im Sport ist die Situation nochmals anders. Denn künftig bezieht auch «20 Minuten» die Berichterstattung der Tamedia-Redaktion. Werden die Sportressorts vom Gratisblatt und den Bezahltiteln auf Anfang Jahr zusammengelegt, hat es wohl mehrere Chefs zuviel. Zurzeit werden die Ressorts von Ueli Kägi (Tagi), Alexandra Stäuble («20 Minuten»), Adrian Ruch («Berner Zeitung») und Alex Trunz («Bund») geleitet. 

Die Betroffenen werden das unbehagliche Gefühl im Magen wohl noch etwas aushalten müssen. Laut Zimmer werden die Ressortleiter «bis Ende September» bestimmt.

Zweiklassengesellschaft wegen «Seite 3»

Bereits seit Wochen für Unruhe in der Tagi-Redaktion sorgt darüber hinaus die Einführung einer «Seite 3». Inspirieren lassen hat sich der «Tages-Anzeiger» bei der «Süddeutschen Zeitung», welche täglich eine Reportage oder eine Analyse auf der dritten Seite veröffentlicht. Die beiden Zeitungen kooperieren seit Anfang Jahr in der Auslandberichterstattung. Wie sich das neue «Seite 3»-Team zusammensetzen wird, ist laut Rutishauser «noch in Planung». Klar sei allerdings, dass das Hintergrund-Team künftig vor allem Inhalte für die «Seite 3» erstellen werde.

Wie persoenlich.com weiss, sorgt die Rekrutierung für das Team beim Tagi schon länger für Ärger. Die Rede ist von einer Zweiklassengesellschaft in der Redaktion – von Zulieferern und Edelfedern. Auch hierbei stellt sich die Frage nach der Leitung. Wird Edgar Schuler, zurzeit Hintergrundleiter, künftig «Seite 3»-Chef? Oder wird das jemand anderes?

Bei all den Unsicherheiten in den Redaktionen fragt man sich, weshalb Tamedia nicht zu einem späteren Zeitpunkt über das gesamte Paket informiert hat. «Wir wollten sofort kommunizieren, nachdem der Verwaltungsrat entschieden hat», sagt CEO Christoph Tonini an der Halbjahreskonferenz am Dienstag. Die Einzelheiten wolle man nun zusammen mit den Mitarbeitenden ausarbeiten.



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