24.10.2022

Avenir Suisse

Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter

Die Digitalisierung hat die Medienlandschaft umgepflügt. Trotzdem verharrt die Schweizer Medienpolitik weiter in analogen Denkmustern. In einer neuen Studie entwickelt die Denkfabrik Ideen für eine Medienordnung der Zukunft.
Avenir Suisse: Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter
Eine Studie zeigt auf, wie die Schweizer Medienordnung ins 21. Jahrhundert überführt werden kann. (Bild: Keystone/Martin Rütschi)

Zeitungen, Radio und Fernsehen verlieren zunehmend ihr Publikum – so weit, so bekannt. Doch gleichzeitig ist im Mediensektor auch viel Neues entstanden. Onlineplattformen verzeichnen stetig wachsende Zugriffszahlen, die traditionellen Verlage haben sich zu multimedialen Organisationen gewandelt, und Medien-Start-ups wurden gegründet. Auf aggregierter Ebene gibt es heute deutlich mehr Medienschaffende als noch vor 20 Jahren, heisst es in einer Mitteilung von Avenir Suisse.

Derweil habe sich bei der Medienpolitik kaum etwas geändert. Nur der Umfang der bestehenden Medienförderung hat zugenommen, wie es weiter heisst. Seit der Jahrtausendwende sind die Subventionen für den Mediensektor um über 20 Prozent auf 1,5 Milliarden Franken gestiegen. Diese Gelder finanzieren laut Avenir Suisse überwiegend medienpolitische Instrumente, die aus der Zeit gefallen und wenig zielgerichtet sind.

«Die heutige Medienförderung führt damit zu ungewünschten Nebeneffekten», schreibt die Dankfabrik. So komme es etwa zu Wettbewerbsverzerrungen: Private Medien würden verdrängt, worunter die Medienvielfalt leide. «In der kurzen Frist lassen sich solche Probleme mindern. Langfristig braucht es aber eine neue Medienordnung, in der Marktversagen gezielt angegangen werden», so Avenir Suisse.

Problematische Nebeneffekte reduzieren

Prinzipiell gilt laut Mitteilung: Die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Medien in der Schweiz sind gut. Problematisch seien aber gewisse Aktivitäten von (teil-)staatlichen Firmen wie der Post sowie Eingriffe auf kommunaler und kantonaler Ebene. Dabei werde manchmal die Publizistik gefährlich nahe an die Politik gerückt sowie der Wettbewerb verzerrt.

«Der Elefant in der heutigen Medienordnung ist derweil die SRG», heisst es. Sie erhält jährlich gut 1,2 Milliarden Franken. Das entspricht über 80 Prozent der gesamten Schweizer Medienförderung. Sie ist damit das zentrale Element des medialen Service public. «Das heutige Preis-/Angebots-Bündel des Grundversorgungsauftrags passt jedoch nicht mehr in die digitale Welt», so Avenir Suisse. Der Auftrag müsse entsprechend neu ausgesteckt werden:

Angebot: Fokussierung des Leistungsauftrags der SRG auf Medieninhalte, die Private nicht anbieten und die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft relevant sind. Mit der Angebotsschärfung sollte auch ein verbindlicher Ertragspfad für die SRG eingeführt werden.

Preis: Das alte Gebührenmodell wurde 2019 durch ein Abgabenmodell ersetzt, das einer Zwecksteuer gleichkommt. Um die Pflichtabgaben zu reduzieren und die Wettbewerbs-verzerrungen der SRG zu mindern, bietet sich ein neues «Gebührenmodell 2.0» an.

Marktversagen gezielt angehen

Die kurzfristigen Massnahmen können nicht alle Defizite des veralteten Gesamtsystems beseitigen. Daher schlagen die Autoren der Studie auch grundlegende Reformen vor:

Stärkung der Kontrollfunktion über Projekte oder Personen: Ein allfälliges Marktversagen bei der Schaffung von neuem Wissen (unter anderem im Bereich des investigativen Journalismus) könnte nach Vorbild der Grundlagenforschung über eine Projekt- oder Subjektförderungen adressiert werden. In der Studie werden verschiedene Ideen erarbeitet und diskutiert.

Ergänzung des Medienangebots über einen Public Content Provider mit Lizenzauktion: Eine Weiterentwicklung der SRG sollte langfristig in die Richtung eines Public Content Providers führen. Dabei würden anhand eines Leistungsauftrags gesellschaftlich relevante Medieninhalte produziert, die der Markt nicht herstellt. Im Gegensatz zu heute würden die Medieninhalte aber nicht von der SRG selbst ausgespielt, sondern an private Medienorganisationen auf Programmstufe auktioniert werden. Was in der Theorie abstrakt klingt, wird in der Studie anhand eines Szenarios beispielhaft dargestellt.

Eine solche Reform der Medienordnung hätte laut Mitteliung diverse Vorteile. Die Medienförderung könnte sowohl zielgerichteter als auch effizienter erfolgen. Die Technologieneutralität wäre gewährleistet und die Verzerrungen des Wettbewerbs würden im Gegensatz zu heute geringer ausfallen, womit die Medienvielfalt weniger gefährdet wäre. Für Jürg Müller, Co-Autor der Studie, ist deshalb klar: «Die Schweizer Medienpolitik ist aus der Zeit gefallen. Es braucht neue Ansätze, um die Versorgung mit demokratiepolitisch relevanten Medieninhalten sicherzustellen.»

Die 96-seitige Studie «avenir debatte: Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter» von Jürg Müller, Basil Ammann und Laurenz Grabher ist online abrufbar. (pd/cbe)



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