14.08.2000

"Es geht nicht an, dass man Zeitungen stiehlt"

Mit jeder Street Parade schwappt neben einer Techno- jeweils auch eine Abfallwelle über die Stadt Zürich hinweg. So auch dieses Jahr. "Bereits vor der Parade wurden illegale Mülldeponien von total 6,2 Tonnen ausgehoben und entsorgt", schreibt der Verein Street Parade in einer Pressemitteilung. Wie Pressesprecher Stefan Epli erklärte, handelt es sich dabei vorallem um Stapel von Exemplaren der Sonderausgabe von 20 Minuten, die vom Abfall-Verantwortlichen der Street Parade und seinen Leuten kurzerhand aufgeladen und entsorgt wurden. Exemplare, die eigentlich noch hätten verteilt werden sollen. Doch auch die Exemplare, die von den Kolporteuren unter die Raver gebracht wurden, landeten häufig ebenfalls ungelesen irgendwo am Boden. "persoenlich.com" wollte von 20 Minuten-Chefredaktor Urs Weber (Bild) wissen, was da schief gelaufen ist. Das Interview:
"Es geht nicht an, dass man Zeitungen stiehlt"

Herr Weber, die Bahnhofstrasse sah am Samstag Abend aus wie im Oktober, mit dem Unterschied, dass die Passanten durch Tausende von Exemplaren der 20-Minuten-Sonderausgabe "party zone" raschelten anstatt durchs Herbstlaub. Das kann ja wohl nicht in Ihrem Sinn gewesen sein?

Wir haben mit unserer Sonderausgabe das beste Serviceangebot für die Raver geliefert. Unser Ziel war, etwas zur Street Parade beizutragen; nützliche Informationen zu vermitteln. Wir haben den Eindruck, dass uns dies gelungen ist. Die, die wollten, konnten von unseren Tipps profitieren – die anderen konnten es einfach lassen.

Gemäss eigenen Beobachtungen wurde die Spezialausgabe kaum gelesen – die Leute wollten tanzen.

Wir haben bereits am Sonntag darüber diskutiert, ob die Verteilung tatsächlich zu einem falschen Zeitpunkt erfolgt ist. Am Inhalt kann es nicht gelegen haben – der war sehr gut. Heute würde ich sagen, dass wir die Sonderausgabe vielleicht besser am Freitag entweder 20 Minuten beilegen oder aber am Nachmittag durch Kolporteure verteilen hätten lassen sollen. Aber man muss ja erst einmal Erfahrungen sammeln.

Musste 20 Minuten die Stadt Zürich für die zusätzlich zum "normalen" Pensum anfallende Abfallmenge entschädigen?

Meines Wissens nicht. Und mit dem Verein Street Parade haben wir im Vorfeld gesprochen. Sehen Sie, 20 Minunten wird 5mal wöchentlich verteilt, und es fällt relativ wenig Abfall an. Uns gibt es 260 Mal im Jahr; die Street Parade einmal .

Was als Werbung gedacht war, entpuppt sich also als Schuss nach hinten?

Für uns zeigt sich die Situation so, dass wir alle Bewilligungen der Stadt für die Verteilung der Sonderausgabe hatten. Der Verein Street Parade hat uns einen gewissen Teil der Zeitungen gestohlen. Wir hingegen haben uns in allen Teilen korrekt verhalten.

Stehlen ist ein hartes Wort...

Ja, aber es geht nicht an, dass man Zeitungen einfach einpackt – wir müssen jetzt schauen, was das Ganze für Konsequenzen hat.

Gemäss Stefan Epli, Pressesprecher der Street Parade, droht 20 Minuten mit einer Klage gegenüber dem Verein Street Parade für die Entsorgung der für die Kolporteure bereitgestellten ungelesenen Exemplare?

Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass die Zeitungen gestohlen wurden. Wenn sich herausstellt, dass uns ein Schaden erwachsen ist, werden wir rechtliche Schritte prüfen. Sicherlich werden wir aber erst einmal mit dem Verein reden. Richtig ist, dass wir heute morgen mit unserem Anwalt gesprochen haben.

Es heisst, Sie wollen Lars Ottmer, Abfall-Verantwortlicher der Stadt Zürich, ebenfalls wegen Sachbeschädigung verklagen?

Nein, das ist falsch. Es geht uns nur um den Verein Street Parade, auf dessen Veranlassung die Zeitungen gestohlen wurden.

Der Verein Street Parade wollte von Anfang an vermeiden, dass jeder entlang der Route Flyer und Werbung verteilt. Der Sicherheitsdienst, der die Zeitungsstapel entsorgte, begründet das u.a. auch mit Sicherheitsapekten.

Die Stapel waren alle auf Privatgrund deponiert, wobei wir das mit den jeweiligen Besitzern abgesprochen hatten. Wir haben keine Zeitungsstapel auf dem Gelände der Street Parade deponiert. Somit gab es meines Erachtens auch keine Sicherheitsprobleme. Wer das behauptet, müsste mir das erst einmal genauer erläutern.

"Believe in love", hiess das Motto der diesjährigen Parade. Und nun soviel Ärger...

Es ist ja nicht so, dass das Ganze ein riesiger Vorfall wäre – wir nehmen das alles relativ cool. Ich finde es einfach schade. Wir wollten was für die Street Parade tun, das war alles. Dramatik ist deswegen noch lange nicht angesagt.

Herr Weber, wird es nächstes Jahr wieder eine Sonderausgabe von 20 Minuten zur Street Parade geben?

Ach, das ist noch so weit weg (lacht). Keine Ahnung, mal sehen.


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