Herr Spillmann, wie informiert sich eine 13-Jährige oder ein 13-Jähriger heute?
Das würde ich die Jugendlichen immer selbst fragen. Klar ist aber: Mobil und digital, ohne Handy wird es schwierig. Und ohne Bewegtbild auch.
Welches wichtige Wissen fehlt den Jugendlichen in Bezug auf Journalismus und Medien?
Je nach Alter sicher das Bewusstsein dafür, was Journalismus überhaupt ist und was ihn von Nicht-Journalismus unterscheidet. TikTok ist keine Onlinezeitung. Und nicht jeder YouTube-Star ein Journalist.
Der Workshop «Newsroom», den Sie zusammen mit dem Medieninstitut vom Verlegerverband (VSM) konzipiert haben, setzt hier an. Wie kamen Sie zu diesem Mandat?
Die Burgergemeinde Bern wollte einen Beitrag zur Medienbildung leisten und bat mich um Vorschläge. Daraus entstand das Projekt. Auf Marianne Läderach vom Medieninstitut bin ich zugegangen, weil dieses das digitale Lehrmittel «Was-lese-ich?» herausgibt. Und auf das Polit-Forum Bern, weil es mit seinen Angeboten zur politischen Bildung eine attraktive Umgebung bietet. Klassen können «Newsroom» kombinieren mit einem Besuch der Ausstellung im Käfigturm in Bern.
«Der Journalismus steht wie wohl nie zuvor in seiner Geschichte in Konkurrenz mit anderen Informationsangeboten»
Sie waren früher NZZ-Chefredaktor und Präsident des Stiftungsrates vom Presserat – heute sind Sie Inhaber eines Beratungsunternehmens. Warum engagieren Sie sich für Medienkompetenz bei Jugendlichen?
Der Journalismus steht wie wohl nie zuvor in seiner Geschichte in Konkurrenz mit anderen Informationsangeboten. Diese sind teilweise sehr gut gemacht, keine Frage, und sie können individuell auch einen Mehrwert bieten. Aber sie gehorchen in der Regel völlig anderen Standards in Sachen Transparenz, kommerziellen Interessen, ideellen oder politischen Motiven. Und immer mehr werden sie nicht mehr nur von Menschen produziert und kuratiert. So gesehen halte ich Medienkompetenz inzwischen für genauso wichtig wie Rechnen, Schreiben oder Lesen. Gerade in einer freiheitlichen Gesellschaft wie der unsrigen.
Wie haben Sie sich auf den aktuellen Stand gebracht in Sachen Jugendliche und ihr Verhältnis zu journalistischen Medien? Haben Sie sich mehr an Theorie oder Praxis orientiert?
Eigentlich nur an der Praxis. Wir haben uns im Projekt immer wieder mit Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schülern ausgetauscht, ob das, was wir da planen, auch alters- und stufengerecht ist.
Das Interesse von Jugendlichen zu wecken ist eine Herausforderung: Wie schaffen Sie es, dass die Schülerinnen und Schüler nach zwei Stunden nicht gelangweilt, sondern informiert und vielleicht sogar inspiriert aus dem Kurs laufen?
Der Workshop ist sehr interaktiv aufgebaut, mit vielen praktischen Beispielen und etwas Gamification. Theorie gibt es nur als Beifang.
Der Workshop wird von Journalistinnen und Journalisten geleitet. Wie viele werden das sein? Können Sie da schon Namen nennen?
Es sind für 2023 etwa ein Dutzend. Eine erste Gruppe ist bereits geschult, im August kommt eine zweite dazu, dann auch unter Einschluss der Romandie. Wir achten dabei auf eine gute Mischung aus verschiedenen Medien, Alter, Geschlecht und Sprache.
Die Medienbranche kämpft mit einem Nachwuchsproblem. Inwiefern hängt das mit der fehlenden Medienkompetenz bei Jugendlichen zusammen? Oder sind eher die schlechten Arbeitsbedingungen schuld?
Den einen Grund gibt es nicht. Ich halte es allerdings auch für müssig, danach zu suchen. Wichtiger scheint mir, dass aktiv verschiedene Massnahmen ergriffen werden. Eine ist, das Verständnis bei Jugendlichen zu wecken, was Journalismus eigentlich ist.
«Dass Jugendliche für Inhalte bezahlen, ist nicht realistisch»
Zudem ist die Zahlungsbereitschaft für journalistische Produkte tief. Glauben Sie, der Kurs kann hier für mehr Bewusstsein sorgen?
Dass Jugendliche für Inhalte bezahlen, ist nicht realistisch. Dass sie erkennen, dass Journalismus einen Preis hat und ein Beruf ist, hingegen schon.
Buchen werden den Kurs wohl vor allem Lehrerinnen und Lehrer. Wie machen Sie diese auf das Angebot aufmerksam?
Wir informieren einerseits durch entsprechende Mailings, andererseits über unsere Landingpage beziehungsweise über das Polit-Forum in Bern, wo die Workshops stattfinden.
Der Kurs ist ab Juni buchbar. Welches Feedback hatten Sie bisher auf das Angebot?
Wir haben im Mai zwei Pilot-Workshops durchgeführt, die bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen auf ein sehr positives Echo stiessen. Für Juni und dann ab September nach den Sommerferien gibt es nun die ersten regulären Buchungen.
Wie blickt das «Newsroom»-Konzept in die Zukunft? Welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für das Angebot?
Als Nächstes folgt eine französische Version, die ab Herbst ebenfalls gebucht werden kann. Zudem werden wir immer wieder Anpassungen vornehmen, damit der Workshop aktuell und interessant bleibt. Und natürlich gibt es viele Ideen, wie es weitergehen könnte.