16.01.2020

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Journalisten kritisieren Verleger massiv

Die Tamedia-Redaktionen rufen in einem offenen Brief dazu auf, redaktionelle Beiträge und Werbung konsequenter zu trennen und warnen vor dem «völligen Verlust der Glaubwürdigkeit der Medien». Wie der Verband Schweizer Medien darauf reagiert.
Native Advertising: Journalisten kritisieren Verleger massiv
Die Tamedia-Personalkommissionen appellieren an die Verleger und den Verlegerverband, redaktionelle Beiträge und Werbung konsequent zu trennen. (Bild: persoenlich.com)

Der Diskurs um die Glaubwürdigkeit in den Medien hat eine erneute Zuspitzung erreicht: Nachdem der Presserat Ende Jahr die NZZ am Sonntag wegen eines Beitrags, der als «Sponsored content» erschienen ist, gerügt hat, schalten sich nun Tamedia-Journalisten ein. In einem offenen Brief, signiert von den Präsidentinnen und Präsidenten der Personalkommissionen der Tamedia Deutschschweiz, verlangen sie vom Verband Schweizer Medien (VSM) die «Einhaltung ihres eigenen Code of Conduct».

Denn die NZZ am Sonntag sei keineswegs das einzige Medium, das gegen den Grundsatz verstosse, «redaktionelle Inhalte und Werbung klar voneinander zu trennen». Auch die Tamedia nehme in Kauf, mit dieser Praxis die Leserschaft «bewusst zu täuschen», da Layout und Schriftbild solcher bezahlten Beiträge oftmals kaum unterscheidbar von journalistischen Inhalten seien.

«Büchse der Pandora» geöffnet

Den unterzeichneten Journalisten, darunter Markus Dütschler (Bund/BZ), Andrea Fischer (Redaktion Tamedia), Thomas Hasler (Tages-Anzeiger) und Pascal Jäggi (Zürcher Regionalzeitungen), sei bewusst, dass Zeitungen unter dem massiven Rückgang von Inseraten leiden, jedoch setzten die Verleger mit diesem Trend die Glaubwürdigkeit der Medien aufs Spiel. «Die Verleger richten mit ihrer Praxis grossen Schaden an», heisst es. Ebenfalls wird befürchtet, dass durch die verschärfte Konkurrenzsituation weitere «raffiniertere Formen» praktiziert werden. Somit öffneten die Schweizer Verleger mit dieser Praxis die «Büchse der Pandora».

«Bis anhin haben wir bei den Verlegern keine Bereitschaft feststellen können, unsere Besorgnis ernst zu nehmen», heisst es im offenen Brief konsterniert. Der VSM will zum Brief keine Stellung nehmen, «da er lediglich Einzelbeispiele aufliste», wie es auf Anfrage heisst. Geschäftsführer Andreas Häuptli sagt, dass beim VSM der «Code of Coduct» gelte. «Die Verlage haben gerade in diesen bewegten Zeiten, in denen das Vertrauen in die Medien beziehungsweise die unabhängige Berichterstattung äusserst wichtig ist, ein hohes Bewusstsein entwickelt, die Beziehung zu den Lesern zu pflegen und keine Irritation aufkommen zu lassen», so Häuptli gegenüber persoenlich.com.

Beim Presserat seien 2019 «grad eine Handvoll Beschwerden zu diesem Thema eingegangen». Häuptli: «Die Briefschreiber tun der Branche und ihrem eigenen Berufsstand keinen Gefallen mit einer Überdramatisierung.» (lol/cbe)



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Kommentare

  • Rudolf Penzinger, 17.01.2020 10:14 Uhr
    Supino tritt gegenüber seinen Journalisten und nach aussen immer wieder für die strikte "Trennung von Information und Kommentar" auf. Bei der Tarnung von Werbung als redaktionellem Beitrag dagegen erweist er sich als käuflich: Geld stinkt nicht im Hause C.
  • Ueli Custer, 17.01.2020 07:30 Uhr
    Der "Sponsored Content", der in den gedruckten Zeitungen immer mehr überhand nimmt, ist ganz eindeutig und offensichtlich darauf angelegt, die Leserschaft zu täuschen. Die mehr oder weniger grossen Vermerke irgendwo am Rand sind reine Alibiübungen. Das tragische daran ist, dass sich die Verlage damit ihr eigenes Grab schaufeln. Dumme Schlagworte wie Lügenpresse haben es so noch einfacher, sich zu verbreiten und den gedruckten Medien den endgültigen Todesstoss zu versetzen. Mehr Weitsicht täte not!
  • Erich Ed. Müller, 17.01.2020 06:14 Uhr
    «Die Briefschreiber tun der Branche und ihrem eigenen Berufsstand keinen Gefallen mit einer Überdramatisierung.» Drohen statt Handeln. Pecunia non olet.
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