04.09.2003

Keine Schonung für die neue WoZ

Am Donnerstag ist die Wochenzeitung WoZ im neuen Gewand erschienen. Anlässlich ihrer Vorstellung vor der Presse fand im Zürcher Schiffbau eine prominent besetzte Blattkritik statt: Hannes Britschgi (Chefredaktor Facts), André Daguet (VR-Präsident Work), Fredy Gsteiger (Produzent "Echo der Zeit"), Peter Hartmeier (Chefredaktor Tages-Anzeiger) sowie Hanspeter Spörri gaben ihr Urteil ab. Wer Schonung erwartete, lag falsch.
Keine Schonung für die neue WoZ

"Für mich ist das Layout rundum geglückt -- ein Wurf!". Wenngleich sich nicht alle Kritiker so euphorisch äusserten wie Tagi-Chefredaktor Peter Hartmeier, so war sich die Herrenrunde doch einig: Formal ist der Relaunch geglückt, die Gestalter Tom Menzi und Daniel Stähli haben ihren Auftrag erfüllt. Ex-Weltwoche-Chef Fredy Gsteiger bezeichnet die Form als ausgezeichnet, Bund-Chefredaktor Hanspeter Spörri ist sich sicher, dass das Layout "funktioniert" und Facts-Chef Hannes Britschgi lobte den guten Rhythmus. Das optisch sehr schöne Blatt sei eine Freude fürs Auge, vielleicht aber etwas zu vornehm. Peter Hartmeier prophezeite denn auch, die neue WoZ werde ihren Platz auf die Tischchen nicht nur der Salon-Linken finden.

Daniel Stähli (rechts) und Tom Menzi zeichnen für die Gestaltung der neuen WoZ verantwortlich.

Einzig André Daguet bemängelte, dass durch die "frischere" und "bravere" Gestaltung die Unverwechselbarkeit des Blatts verloren gegangen sei. Es fehle auch die Übersicht, Interviews oder Kommentare etwa liessen sich nicht auf Anhieb als solche erkennen. Fredy Gsteiger hielt entgegen, die Gestaltung sei nicht brav, sondern seriös; die neue WoZ gebe sich ohne optische Reize oder Gags klar als Lesezeitung zu erkennen. Ein Urteil, dem Peter Hartmeier beipflichtete: "Lesen ist eben anstrengend."

Weit weniger Lob erhielt die erste Ausgabe der neuen WochenZeitung für ihre Themensetzung. André Daguet befürchtete, dass das erklärte Ziel von "mehr Wärme" mehr Lifestyle bedeute. Auch wünschte er sich mehr Recherche. Zudem vermisste der SMUV-Vizepräsident Profil und Relevanz, wie er anhand verschiedener Beispiele ausführte. "Echo der Zeit"-Produzent Gsteiger befand ebenfalls, man habe sich trotz "breitem und tiefen Themenangebot" vielleicht etwas zu stark bei der Kür aufgehalten.

Bezüglich der Darbietung der Inhalte bemängelte Gsteiger, ausgerechnet die Schrift der Dachzeilen sei am schwersten lesbar. Zudem seien die Anrisse auf der Frontseite des Blattes nicht optimal ausgesucht. Er riet zu zwingenderen Themen an dieser prominenten Stelle, damit man Leute mit einem Grundinteresse für die WoZ jeden Donnerstag zu Käufern machen könne. Ins gleiche Horn stiess André Daguet: Die Frontseite als Einstieg in die Zeitung sei noch zu wenig gut.

Einigermassen vernichtend fiel das Urteil von Hannes Britschgi aus. Als Beurteilungskriterien nannte er "Neuheit", "Aussage" und "Erzählform". Im Bezug auf die Neuheit bemerkte der früherer Fernsehmann, die Nummer sei nachgerade "retro". Mindestens sieben Texte mit dem Muster "200 Jahre Inzucht" (wahlweise auch: "30 Jahre Militärputsch in Chile", oder: "70 Jahre Globi") wies er nach.

Einigermassen vernichtend fiel das Urteil von Hannes Britschgi aus. Als Beurteilungskriterien nannte er "Neuheit", "Aussage" und "Erzählform". Im Bezug auf die Neuheit bemerkte der früherer Fernsehmann, die Nummer sei nachgerade "retro". Mindestens sieben Texte mit dem Muster "200 Jahre Inzucht" (wahlweise auch: "30 Jahre Militärputsch in Chile", oder: "70 Jahre Globi") wies er nach.

Von der Aussage her, so Britschgi alsdann, würden zu viele Fragen gestellt und zu wenig Antworten gegeben. Dies verleitete Hanspeter Spörri zu der Bemerkung, er habe lieber Fragezeichen als falsche Antworten. Seine Meinung bilde er sich gerne selber, dabei solle in die WochenZeitung lediglich unterstützen. "Ich danke der WoZ, dass sie nicht zuhauf einfache Antworten anbietet!" Es sei toll, so Spörri weiter, wenn Linke im Interview mit Gesinnungsgenossen nicht Bestätigungsfragen stellten, sondern sich um eine Gegenposition bemühten.

Zur Erzählform stellte Hannes Britschgi fest, es bestünden noch Steigerungsmöglichkeiten. Insgesamt habe die vorliegende Nummer weder bezüglich Unverzichtbarkeit noch hinsichtlich des Vergnügens, das sie bereiten wolle, erfüllt. Der Facts-Macher vermutete, dass ob der grossen Investitionen in Verpackung und Design des Produkts die Kraft für die Geschichten nicht mehr gereicht habe -- ein Befund, der im informellen Gespräch von "persoenlich.com" mit WoZ-Redaktoren zumindest teilweise bestätigt wurde.

Peter Hartmeier begrüsste demgegenüber den Mut, in dieser schwierigen Zeit eine neue Zeitung auf den Markt zu bringen. "Das ist ein willkommener Motivationsschub für die ganze Branche." Es fehle in der ersten Nummer allerdings noch etwas an Debattierfreudigkeit. Erstens wolle er von der WoZ erfahren, was im ganzen Land -- und nicht nur in Zürich -- passiere. Zweitens wünsche er sich, dass die WoZ vermehrt nach jungen Talenten mit einem neuen Zugang zur Sprache suche. Drittens erwarte er Recherchen, deren Ergebnisse über das Bekannte hinausführten. Und viertens solle die Zeitung berichten, wie die Linke lebe und denke -- gleichsam als sozialer Spiegel des Landes.

Von monströsen Anstrengungen gezeichnet: Inland- und Wirtschaftsredaktor Constantin Seibt.

Von monströsen Anstrengungen gezeichnet: Inland- und Wirtschaftsredaktor Constantin Seibt.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren