05.09.2003

"Maili Wolf, wie spart man 20 Millionen?"

Die Redaktion des Tages-Anzeigers hatte eine Aussprache mit der Tamedia-Unternehmensleitung gewünscht, angesetzt wurde sie auf Freitagmorgen. "persoenlich.com" hat sich im Vorfeld mit Verlagsleiterin Maili Wolf (Bild) unterhalten. Ist bei der Redaktion zuviel Luft im Budget? Droht eine Einstellung des Magazins? Und mit wem könnte der Tagi kooperieren? Das Interview:
"Maili Wolf, wie spart man 20 Millionen?"

Die Redaktion hat auf einer Aussprache mit der Unternehmensleitung bestanden. Droht der Aufstand?

Nicht, dass ich wüsste. Es ist absolut normal, dass man das Konzept des Tages-Anzeigers im multimedialen Umfeld für die nächsten paar Jahre nochmals überdenkt. Dass man Strukturen und Abläufe hinterfragt, ist ebenfalls das Normalste der Welt. Ich gehe davon aus, dass die Redaktion das auch weiss -- und sonst ist es höchste Zeit. Ebenso normal ist übrigens, dass eine Redaktion den Wunsch hat, solche Prozesse mit den Verantwortlichen zu diskutieren; das tun wir heute.

Die Tagi-Redaktion blieb von Kürzungen bisher weitgehend verschont -- es fiel gar das Wort "geschützte Werkstatt". Wie beurteilen Sie die Mentalität?

Bevor ich die Stelle hier angenommen habe, hatte ich Gelegenheit, die Redaktion in verschiedenen Retraiten kennenzulernen. Sie hat mit sehr gefallen und ist mit ein Grund dafür, dass sich hier angefangen habe.

Chefredaktor Peter Hartmeier bezeichnet die Inseratesituation als "schlicht und einfach katastrophal". Er sagt aber auch, Sparen allein sei noch kein Konzept. Was bleibt dann sonst?

Eine Katastrophe würde ich das nicht nennen, auch wenn Tageszeitungen bei den Inserenten zweifelsohne schon gefragter waren und die konjunkturelle Lage nicht gerade zu Freude Anlass gibt. -- Es gibt eben "sparen" und "sparen", das Wort an und für sich sagt ja noch nichts aus. Ich würde daher von "optimieren" reden: Optimieren lässt sich vieles, ohne dass man dabei an Qualität oder Leserbenefits verlieren muss. Man kann mit neuen Angebotsformen und mit einem zielorientierten Mitteleinsatz mit weniger Geld das Gleiche erreichen.

Die vom Verwaltungsrat geforderte Maximalvariante würde laut Presseberichten Einsparungen von vierzig Prozent des Redaktionsbudgets bedeuten. Wie spart man 20 Mio. Franken?

Das war keine Forderung des Verwaltungsrates und zu konkreten Zahlen können wir im Moment nichts sagen, weil sie Bestandteil der laufenden Gesamtanalyse sind. Aber ich gehe -- unter Berufung auf Roger Köppel -- davon aus, dass Qualität keine Frage der absoluten Kosten ist. Wir kommen also wieder auf das Optimierungspotential zurück.

Es ist in der Tagi-Reaktion also noch Luft drin?

Das kann ich so nicht sagen, wir befinden uns noch mitten im Beurteilungsprozess.

Kann man mit 30 statt 50 Mio. Franken überhaupt noch einen Tagi machen?

Die Zahlen sind spekulativ.

Sie dementieren sie?

Ich dementiere gar nichts, aber sie sind ein Detail im Gesamtkonzept. Ich spüre, dass man weiter am Qualitätsniveau des Tages-Anzeigers festhalten will. Dass recherchierte Geschichten teurer sind als Agenturmeldungen, ist absolut klar. Und unter diesen Prämissen guckt man jetzt den Redaktionsetat an. Wir dürfen nie vergessen, dass eine Zeitung nur dann journalistisch unabhängig agieren kann, wenn sie auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Diese Unabhängigkeit ist mit den gegenwärtigen Resultaten gefährdet. Und ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass man die Kosten immer optimieren kann, sowohl in Redaktionen als auch in Verlagen.

Wie viele Redaktions-Stellen müssten bei der Maximalvariante gestrichen werden?

Man kann das doch nicht einfach an Köpfen festmachen, das ist absolut der falsche Ansatz! Wenn man die Philosophie eines Titels bestimmt hat, dann setzt man sich hin und überlegt sich, was es zur Umsetzung braucht. Das sind dann nicht Köpfe oder Stellen, das sind vor allem die Abläufe. Und das sind materielle, personelle und finanzielle Ressourcen.

Wo steht denn heute die Renovation des Blauen Bundes, welche der Auslöser für die Umbaubemühungen beim Tages-Anzeiger war?

Man kann nicht bei einem Teil beginnen, sondern muss erst das Ganze angucken, sonst zerfällt das -- die guten Ideen gehen dabei ja nicht verloren. Hier geht es primär ums Konzept und nicht ums Sparen: Was ist für eine Grossstadtzeitung mit Fokus Zürich im multimedialen Umfeld möglich?

Die Renovation des Lokalteils wurde also sistiert?

Es wurden von den involvierten Projektgruppen verschiedene Überlegungen gemacht, die am Markt sicher erfolgreich sind und die sicher auch umgesetzt werden -- allerdings im Rahmen des Gesamten und nicht losgelöst. Schliesslich bewerben wir auch nicht den Blauen Bund, sondern den gesamten Tages-Anzeiger.

Könnte der Zürich-Bund allenfalls sogar so bleiben, wie er heute ist?

Nein. Aber es ist, wie gesagt, alles noch offen -- insofern ist unser Gespräch verfrüht. Ich bin einfach sehr zuversichtlich und habe Vertrauen in die Redaktion. Verschiedenes wurde ja bereits umgesetzt: Der Kulturteil ist weniger elitär, der Züritipp wurde dank redaktioneller Stärkung zum Ausgehmagazin, Titel und Lead im Hauptblatt sind aussagekräftiger geworden, man schöpft die formalen Mittel des Journalismus --- etwa Grafiken -- mehr aus. Auf all das haben wir viel positives Feedback erhalten.

Im Zuge der Sparmassnahmen wird die Einstellung des Magazins befürchtet. Wann droht der Samstag ohne Tagi-Magi?

Da droht von mir aus gesehen gar nichts. Wir können das ohne Qualitätsverlust oder Stellenabbau durchziehen, das Redaktionskonzept muss nicht verändert werden. Das ist vielleicht gerade ein Beispiel, wie man optimieren kann. Ich glaube fest daran, dass es das Magazin noch lange geben wird. Aber absegnen muss das letztlich der Verwaltungsrat.

Was genau ist beim Tagi die Aufgabe der Hamburger Consultants Arkwright, also jener Berater, welche Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel bei der Evaluation von Facts famoserweise um seine Meinung baten?

Die Verlagsleitung und die Chefredaktion sind stark im Tagesgeschäft involivert. Eine Analyse in dieser Grössenordnung können wir also nie und nimmer allein bewältigen. Die Consultants setzen unsere Erkenntnisse strukturiert um und stellen insbesondere Erkenntnisse aus anderen Märkten im In- und Ausland bereit. Sie können sich beispielsweise vorstellen, dass Peter Hartmeier und ich zeitlich nicht in der Lage wären zu evaluieren, ob sich in anderen Märkten im Rubrikengeschäft eine Verschiebung vom Print ins Online ergeben hat.

Der Tagi macht sich gemäss Peter Hartmeier für Kooperationen mit Regionalzeitungen bereit. Wer kommt in Frage?

Was Peter Hartmeier damit sagen will, ist, dass man sich für Partnerschaften öffnet. Eine meiner Thesen lautet, dass Medienunternehmen durch ihre Netzwerke erfolgreicher werden. Mit anderen Worten: Die übliche Wertschöpfungskette muss geöffnet werden. Für traditionelle Verlagen und Tageszeitungen bedeutet das einen Kulturwandel. Vor nicht allzu langer Zeit hat man ja alles selber gemacht. Im Vertrieb heisst das, dass das Gartentörchen nur noch einmal klackt, statt wie zuvor alle fünf Minuten. Die Aussage zur Öffnung ist also eher generell, im Bezug auf eine Abo-Verwaltung etwa oder eine Administrationsabteilung.

Und bei der Redaktion?

Ich muss auch hier generell bleiben: Man kann sich beispielsweise Auslands-Korrespondenten mit verschiedenen Medien teilen, was der Tagi heute schon teilweise macht. Vor Jahren wurden Dokumentationen zusammengelegt, und auch Radio- und Fernsehseiten können heute eingekauft werden.

Die Vorschläge der Chefredaktion zur Erneuerung des Blatts müssen dem Verwaltungsrat bis Ende September vorliegen. Bis wann sind definitive Entscheide zu erwarten?

Das kann ich so nicht sagen, das wären alles Spekulationen. Es handelt sich, wie gesagt, um einen laufenden Prozess, der in die richtige Richtung geht. Ziel ist es, die Analyse noch im laufenden Jahr abzuschliessen.

Es gibt doch aber bestimmt einen Fahrplan. Der Verwaltungsrat wird ja irgendwann einmal Nägel mit Köpfen machen wollen.

Die normalen Verwaltungsratssitzungen sind terminiert, da werden laufende Geschäfte besprochen und abgesegnet. Wenn man die Strategie des Tages-Anzeigers für die nächsten Jahre festlegen will, dann ist das ein laufender Prozess, wo die Ausgangslage dargelegt und Schritte definiert werden. Da gibt es aber nicht ein Datum, wo plötzlich die Welt anders ist.

Nicht?

Nein.

Man muss sich bei Projekten doch für eine Variante entscheiden und die dann auch durchziehen. Wann ist denn dieser Zeitpunkt, an dem entschieden wird?

Der Auftrag des Verwaltungsrates lautete, die Gesamtanalyse noch im laufenden Jahr zu erstellen. Über Details der Traktandenlisten geben wir keine Auskunft. Es geht aber immer um die grundsätziche Frage, wie ausbaufähig und flexibel die seit dem Chefredaktorenwechsel eingeschlagene Richtung ist -- bis hin zu den Auswirkungen für den Verlag.


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