Am Dienstagmittag entrollten Protestierende vor dem Gebäude der TX Group in Zürich ein Transparent mit der Aufschrift «Solidarität mit den Betroffenen – Stopp Abbau». Weit über hundert Mitarbeitende von Tamedia und 20 Minuten sowie Medienschaffende von anderen Medienhäusern versammelten sich an der Werdstrasse, um gegen den laufenden Stellenabbau ein «starkes Zeichen zu setzen», wie es im Aufruf der Personalkommissionen hiess (persoenlich.com berichtete). Laut dem Journalistenverband Impressum nahmen an der Aktion rund 300 Leute teil.
Letzte Woche wurde bekannt, dass 20 Minuten in der West- und Deutschschweiz insgesamt 35 Stellen streichen will. Tamedia will ausserdem in der Romandie 28 Stellen streichen, in der Deutschschweiz sollen es 20 Stellen sein. Die TX Group habe es mit dem massiven Abbau von insgesamt 80 Stellen geschafft, die überregionale Solidarität zu wecken, schrieb Impressum.
Mehrere Rednerinnen und Redner sprachen vor den Protestierenden von immer neuen Sparaktionen, die zum Teil in der Öffentlichkeit gar nicht bekannt seien. Tamedia-Bundeshausredaktor Markus Häfliger sagte in seinem Votum: «Der Qualitätsjournalismus in der Schweiz stirbt scheibchenweise.» Westschweiz-Korrespondent Philippe Reichen berichtete von der Situation in der Romandie, wo mehrere Journalistinnen und Journalisten in diesen Tagen die Kündigung erhalten haben.
Auch Stephanie Vonarburg (Vizepräsidentin von Syndicom) und Urs Thalmann (Geschäftsführer von Impressum) äusserten sich an der Protestveranstaltung. Die Gewerkschaft und der Journalistenverband unterstützen die Aktion, die gleichzeitig in der Westschweiz stattgefunden hat.
In Lausanne nahmen laut Impressum rund 140 Journalisten und Mitarbeitende von 24 Heures, der Tribune de Genève und der Redaktion T (gemeinsame Redaktion der Westschweizer Titel von Tamedia) teil. Ihnen schlossen sich Kolleginnen und Kollegen der Redaktion von 20 minutes an, zu der lematin.ch und Sport-Center gehören. Einer der protestierenden Westschweizer Journalisten prangerte einen Konzern an, der «kein anderes Ziel als den Profit um jeden Preis» habe und dessen Politik zum «Grounding der Westschweizer Presse» führe.
Drei Forderungen
In Zürich lasen die Verantwortlichen der Personalkommissionen vor den Anwesenden einen offenen Brief vor, der an Pietro Supino, den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitungen, die Verlagsverantwortlichen sowie die Aktionärinnen und Aktionäre adressiert ist.
«Wir verstehen, dass das Unternehmen vor grossen wirtschaftlichen Herausforderungen steht, um die digitale Transformation in den nächsten Jahren zum Erfolg zu führen. Tatsache ist aber auch, dass dieser Prozess während der Übergangszeit wirtschaftlich nur mit qualitativ starken Printmedien gelingen wird», heisst es darin. Diese Zweispurigkeit fordere auch die Redaktionen heraus. So arbeiteten die Mitarbeitenden von TES (Tamedia Editorial Service) seit Jahren unter enormem Zeitdruck. Der Stellenabbau in den vergangenen Jahren habe die Arbeitsbelastung auf allen Stufen deutlich erhöht.
Die Pekos schreiben von einer «verschlechterten» Stimmung in den Redaktionen. Die Belegschaft sei «ratlos», wie die Zukunft von Tamedia und 20 Minuten aussehen werde. Es fehle eine publizistische Vision, die über die marktwirtschaftlichen Faktoren hinausgehe. Die ständige Furcht vor weiteren Einsparungen und Stellenkürzungen blockiere Motivation und Kreativität. Mit jeder gestrichenen Stelle werde es schwieriger, einen glaubwürdigen und guten Journalisten zu machen.
Konkret gelangen die Pekos im offenen Brief mit drei Forderungen an die Chefetage:
- Verzicht auf weitere Einsparungen mindestens bis 2025.
- Aktionärinnen und Aktionäre sollen verstehen, warum sie in den nächsten Jahren weniger Dividenden erhalten werden.
- Ein ehrlicher gegenseitiger Austausch der Geschäftsleitungen mit den Redaktionen.
Im Namen der Geschäftsleitungen hat die neue Tamedia-CEO Jessica Peppel-Schulz am Dienstag den offenen Brief entgegengenommen. Auf Anfrage von persoenlich.com antwortete die Pressestelle: «Es ist das gute Recht der Mitarbeitenden, sich zu versammeln und ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen.»
Angereichert mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
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31.10.2023 15:51 Uhr