15.04.2010

Schweizer Regionalmedien

Neue Besitzverhältnisse

Tamedia übernimmt die Zürichsee Zeitung, die NZZ die "Thurgauer Zeitung".
Schweizer Regionalmedien: Neue Besitzverhältnisse

Die Medienhäuser NZZ-Mediengruppe und Tamedia haben sich auf den Tausch ihrer Regionalzeitungsbeteiligungen in den Kantonen Thurgau und Zürich geeinigt. Die Ver­legerfamilie Gut verkauft ihre Mehrheits­beteiligung an der Zürichsee Zeitung an Tame­dia. Mit diesen Schritten sollen für die be­tei­ligten Tages­zeitungen vorteilhaftere wirt­schaftliche Perspektiven geschaffen werden. Dies schreiben die Verlage in einer Pressemitteilung vom frühen Donnerstagmorgen.

Thurgauer Zeitung erweitert Tag­blatt-Zeitungsverbund

Tamedia tritt der FPH Freie Presse Holding AG, einer Tochter der NZZ-Mediengruppe, ihre 100-Prozent-Beteiligung an der Huber & Co. AG, der Herausgeberin der Thurgauer Zei­tung, ab. Die Thurgauer Zeitung wird ab Anfang 2011 in die Tagblatt Medien integriert. Die Thurgauer Zei­tung erweitert so den führen­den Zeitungsverbund der Ost­schweiz mit den Titeln St. Galler Tagblatt, Tagblatt für den Kanton Thur­gau, Ap­pen­zel­ler Zei­tung, Toggen­bur­ger Tagblatt, Wiler Zeitung und Der Rheintaler. Aus der Verbindung der Thur­gauer Zeitung mit der Thurgauer Ausgabe des Tagblatts entsteht damit eine publizistisch starke und wirt­schaft­lich tragfähige Stimme für den ganzen Thur­gau. Druck und Her­stell­ung der Thurgauer Zeitung werden Anfang 2011 ins Zeitungsdruckzentrum der Tag­blatt Medien nach St. Gallen wechseln.

Der 2006 gegründete Zeitungsver­bund Nordostschweiz, der neben der Thurgauer Zeitung den Winter­thurer Landboten sowie die Schaffhauser Nachrichten umfasst, wird bis Ende 2010 fortgeführt. Anschliessend gehen die in der Huber & Co. AG zusammengefassten Verlags- und Verkaufs­aufgaben für die Thurgauer Zeitung sowie den Winterthurer Land­boten an die jeweilige Zeitung zurück. Tame­dia wird in den nächsten Wochen Gespräche mit der Ziegler Druck und Verlags AG, der Herausgeberin des Landboten, über die zu­künftige Zu­sammenarbeit aufnehmen. Aus Sicht von Tame­dia steht dabei eine Partner­schaft des Landboten mit den Zürcher Landzei­tungen im Vor­der­grund.

Verlegerfamilie Gut und FPH verkaufen Landzeitungen an Tamedia

Die Verlegerfamilie Gut als Mehrheitsaktionärin der Zürichsee Zeitung sowie die NZZ-Tochter FPH Freie Presse Holding AG treten Tamedia ihre Beteiligungen an den Zürcher Landzeitungen ab. 60 Prozent der Zürichsee Presse AG, der Herausgeberin der Zürichsee Zeitungen, übernimmt Tamedia von der Familie Gut beziehungsweise ihrer Holding­gesellschaft Zürichsee Medien AG. Die Verlegerfamilie Gut regelt damit ihre Nachfolge­planung in der Zürichsee Medien AG und die Zukunft der Zürichsee Zeitung. Theodor Gut bleibt Verleger der Zürichsee Zeitung. Die verbleibenden 40 Prozent der Aktien übernim­mt Tamedia von der NZZ-Tochter FPH Freie Presse Holding AG.

Die FPH Freie Presse Holding AG tritt zudem ihre 100-Prozent-Beteiligung an der Zürcher Unterland Medien AG und ihre 38-Prozent-Beteiligung an der Zürcher Oberland Medien AG an Tamedia ab. Als Folge der Beteiligungen an den drei regionalen Medienhäusern wird Tamedia neu indirekt eine Beteiligung am Zei­tungs­­druck­zentrum DZO Druck in Oetwil am See halten. Gleichzeitig mit den Regionalzeitungen Zürcher Unterländer und Zürichsee Zeitung ge­hen auch mehrere Anzeiger an Tamedia über.

Mit den Besitzveränderungen entstünden nun sinnvollere publizistische Strukturen, sagte Verleger Theodor Gut gegenüber der SDA. Auf die Kontinuität werde grössten Wert gelegt. Die "Zürichsee-Zeitung" soll weiter ihre redaktionelle Stärke vor allem im Lokalen ausspielen. Mit der Tamedia sei abgesichert, dass die "Zürichsee-Zeitung" ein eigenständiger Titel bleibe. Dies zeige auch der Fakt, dass er selber Verleger bleibe. Gut nannte neben der Weiterführung als eigenständiger Titel einen weiteren Grund für den Verkauf: Er sei nun 62 Jahre alt und habe keinen Nachfolger in der Familie.

Gemäss Gut müssen die Zürcher Landzeitungen in Zukunft "besser arbeiten". Einen Stellenabbau schliesst er deshalb nicht aus. In welchem Rahmen dieser aber ist, konnte Gut nicht sagen. Neben der "Zürichsee-Zeitung" geht auch das Druckzentrum in Oetwil am See an die Tamedia. Insgesamt sind dies 120 Stellen. Der Verkauf tangiert hingegen den Rest der Zürichsee Medien nicht, darunter das Radio Zürisee. Bei den Zürichsee Medien verbleiben rund 100 Stellen.

Chance zur Stärkung des Zeitungsmarktes Zürich

Wie es in der Pressemitteilung weiter heisst, möchte Tamedia die Zürcher Landzeitungen als eigenstän­dige Regionalzeitungen weiter­füh­ren. Voraussetzung dafür sind deutliche Ergebnisver­besserungen durch Kosteneinspa­rungen und Umsatzsteige­run­gen. Die Bündelung des Zürcher Unterländers, der Zürich­see Zeitung und des Tages-Anzeigers unter einem ge­meinsamen Unternehmens­dach bietet dafür gute Voraussetzungen. In den nächsten Mona­ten sollen in Gesprächen mit den Partnern Publicitas, Ziegler Druck und Verlags AG und Zürcher Oberländer mögliche Perspektiven in Einkauf, Druck, Lo­gistik, Redak­tion, Verlag, Vermark­tung und Vorstufe geprüft werden.

Thurgauer Regierung enttäuscht über gebrochene Tamedia-Versprechen

Die Thurgauer Regierung ist über die Übernahme der "Thurgauer Zeitung" durch die "NZZ-Gruppe" nicht erfreut. Regierungspräsident Claudius Graf betont, erwünscht gewesen sei Zeitungsvielfalt, jetzt sei man bei nur noch einer Zeitung im Kanton angekommen. Graf reklamiert in seiner Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur SDA vor allem nicht eingehaltene Versprechen der Tamedia. Diese habe ihre Zusagen gegenüber der Thurgauer Bevölkerung "klar und überhaupt nicht" erfüllt.

Bei der Übernahme der "Thurgauer Zeitung" von der Huber Co. AG 2005 hatte Tamedia erklärt, diese Übernahme sichere die Unabhängigkeit der "Thurgauer Zeitung" und die Medienvielfalt im Thurgau und der Standort Frauenfeld soll erhalten bleiben. Inzwischen ist von der Huber Co. AG in Frauenfeld nicht mehr viel übrig: Die Buchhandlung wurde an Orell Füssli verkauft, der Buch- und Zeitschriftenverlag ausgelagert, die Druckerei stillgelegt und seit Mittwoch ist bekannt, dass die Liegenschaften verkauft sind. Das Redaktionsgebäude ist noch auf fünf Jahre gemietet.

Graf betonte am Donnerstag, die Kantonsregierung hoffe, dass die künftigeinzige Zeitung im Thurgau Bestand haben und "nicht nur eine Unterzeitung des St. Galler Tagblatts sein wird". Gewünscht werde eine Zeitung, die "wirklich eine Zeitung für den Thurgau" sei und Idendität schaffe. Derzeit bezieht die "Thurgauer Zeitung" ihren überregionalen Mantelteil vom Winterthurer "Landboten".

impressum fordert Erhalt von Medienvielfalt

Der Journalistenverband impressum verleiht in einer Mitteilung vom Donnerstagnachmittag seiner Besorgnis über die Übernahmen Ausdruck. Redaktionelle Zusammenarbeiten würden zu stossenden Meinungs- und Medienmonopolen führen. Ein Stellenabbau sei bereits angekündigt worden, aus Sicht des Verbandes sei auf die Ausdünnung oder Schliessung von Redaktionen jedoch strikte zu verzichten. Verschiedene Medien dürften nicht dieselben Inhalte publizieren – auch nicht konzernintern.

Der Verband appelliert in ihrer Mitteilung an die soziale und publizistische Verantwortung des Grossverlags Tamedia und fordert, dass die bisherigen Redaktionen sowohl des "Tages-Anzeigers" als auch der neu zu Tamedia gestossenen Landzeitungen im bisherigen Umfang bestehen bleiben. Dieselbe Forderung geht an die NZZ, als Besitzerin des "St. Galler Tagblatts" und der "Thurgauer Zeitung".

Schaffhauser Nachrichten bleiben bei ihrer Strategie

Die "Schaffhauser Nachrichten" bleiben auch nach dem Besitzerwechsel bei der "Thurgauer Zeitung" bei ihrer bewährten Strategie: Die Zeitung bleibe eigenständig, sei aber für Kooperationen offen, sagte Verleger und Chefredaktor Norbert Neininger gegenüber der SDA. Die "Thurgauer Zeitung" habe innerhalb weniger Jahre nun zum zweiten Mal den Besitzer gewechselt, sagte Neininger. Dadurch erhöhe sich der Druck auf seine Zeitung nicht – das nähmen nur immer die anderen Medien an.

Die "Schaffhauser Nachrichten" pflegen derzeit eine Zusammenarbeit mit der "Thurgauer Zeitung" und dem Winterthurer "Landboten" im Bereich der Inseratebewirtschaftung. Zudem übernehmen sie auch redaktionelle Angebote des "Landboten". Letztere werden jeweils den Schaffhauser Bedürfnissen angepasst.

Da die Besitzverhältnisse beim "Landboten" gleich bleiben, ändere sich daran nichts, so Neininger. Die Auswirkungen auf den Inseratekombi fürchte er nicht. Dieser habe ursprünglich drei Zürcher Landzeitungen, den "Landboten" und die "Schaffhauser Nachrichten" umfasst. Durch den Wechsel der Landzeitungen zur Tamedia-Gruppe könnte theoretisch – so Neininger – womöglich dieser "Urkombi" wieder auferstehen. Vorläufig aber habe man auch noch einen Vertrag mit der "Thurgauer Zeitung".



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