03.04.2002

Presserat

Radikale Kritik ist zulässig

Beschwerde der SVP des Kantons Waadt gegen L'Hebdo abgewiesen.

Die Zeitschrift L'Hebdo hat behauptet, ein Wahlerfolg der SVP bei den Waadtländer Gemeindewahlen sei eine "realistischere Gefahr" als eine Verseuchung von Wahlzetteln mit Milzbrand. Das ist berufsethisch zulässig, sofern diese Wertung für die Leserschaft als solche erkennbar ist. Unter der gleichen Bedingung ist es mit der journalistischen Berufsethik vereinbar, für die Beschreibung des Wahlerfolgs einer Partei medizinische Begriffe wie "Krankheit" und "Epidemie" zu verwenden. Zu diesen Schlüssen ist des Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.

Im November 2001 veröffentlichte L'Hebdo ein Editorial seiner Chefredaktorin mit dem Titel "Bulletins empoisonnés" (vergiftete Wahlzettel). Darin wertete die Chefredaktorin eine Vorsichtsmassnahme, die Lausannes Behörden wegen der theoretischen Möglichkeit der Verseuchung von Wahlzetteln durch Milzbrand angeordnet hatten, als unverhältnismässig. Demgegenüber stelle ein weiterer Wahlerfolg der SVP eine wesentlich "realistischere Gefahr" dar. In der gleichen Ausgabe erschien zudem ein Artikel, worin ein Hebdo-Journalist die sich wiederholenden Wahlerfolge der SVP in der Westschweiz kommentierte: Von einer leichten Ansteckung könne keine Rede mehr sein; vielmehr sei jetzt eine richtige "Epidemie" ausgebrochen. Die SVP des Kantons Waadt gelangte daraufhin mit einer Beschwerde an den Presserat und machte geltend, es sei unzulässig, eine politische Partei wie die SVP mit einem tödlichen Gift zu vergleichen. Ebenso sei der Vergleich mit einer ansteckenden Krankheit persönlichkeitsverletzend und diskriminierend. L'Hebdo wies die Beschwerde als unbegründet zurück.


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