14.01.2023

Indiskretionsaffäre

SaW macht Mails von Lauener an Ringier publik

Die Schweiz am Wochenende hat prominent über «intensive» Kontakte zwischen Peter Lauener, dem früheren Kommunikationschef von Alain Berset, und Ringier-CEO Marc Walder in der Coronapandemie berichtet. Tamedia kritisiert Walder, die NZZ fordert Aufklärung.
Indiskretionsaffäre: SaW macht Mails von Lauener an Ringier publik
Peter Lauener, ehemaliger EDI-Kommunikationschef, und Bundesrat Alain Berset. (Bild: Keystone/Alessandro della Valle)
von Michèle Widmer

Die Schweiz am Wochenende berichtete ausführlich über die Strafuntersuchung gegen Peter Lauener, Alain Bersets ehemaligem Kommunikationschef. Lauener habe dem Ringier-Verlag wiederholt vertrauliche Informationen zu geplanten Covid-Massnahmen des Bundesrats übermittelt – oft mit Vermerken wie «Sehr unter uns» oder «Wie immer vertraulich». Mit Zitaten aus Einvernahmeprotokollen und Mails werden im Bericht die «intensiven» Kontakte zu Ringier CEO Marc Walder beleuchtet. 

Einvernommen wurde Lauener vom Sonderermittler des Bundes, Peter Marti. Der ausserordentliche Staatsanwalt war eingesetzt worden, um in Sachen Crypto-Leaks zu ermitteln.

Mehrere Angestellte der Bundesverwaltung waren verdächtigt worden, im Zusammenhang mit der Crypto-Affäre vertrauliche Informationen an die Medien weitergegeben zu haben. Marti weitete seine Ermittlungen dann allerdings auch auf weitere mögliche Fälle von Amtsgeheimnisverletzungen im Zusammenhang mit der Coronapolitik des Bundesrats aus.

Ins Visier geriet dabei insbesondere des ehemalige Kommunikationschef des Innendepartements. Lauener soll laut dem Zeitungsbericht einen direkten Draht zu Ringier-Chef Marc Walder gehabt und diesen wiederholt über bevorstehende Corona-Entscheide des Bundesrats in Kenntnis gesetzt haben.

Auch Ringier-Chef Walder und Bundesrat Berset wurden laut der Zeitung als Auskunftspersonen von Sonderermittler Peter Marti angehört. Lauener musste nach der Einvernahme einige Tage in Untersuchungshaft verbringen.

Ermittlungen wegen Versiegelung blockiert

Der frühere Zürcher Oberrichter Marti hatte seinen Haftantrag damit begründet, dass ein dringender Tatverdacht bestehe, dass es zu Absprachen mit diversen Verfahrensbeteiligten kommen und Beweismittel beiseitegeschafft werden könnten.

Der ausserordentliche Staatsanwalt konnte jedoch verschiedene elektronische Geräte, die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, nicht auswerten. Lauener hatte deren Versiegelung beantragt. Das Zwangsmassnahmengericht Bern hat noch nicht über eine mögliche Entsiegelung entschieden.

Diese Versiegelung sei der Grund, dass die Ermittlungen derzeit blockiert seien, sagte Sonderermittler Marti am Samstag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. Mit Verweis auf das laufende Verfahren wollte sich Marti nicht weiter zur Affäre äussern.

Kein Kommentar von Ringier

Lauener hatte im vergangenen September seinerseits Strafanzeige gegen Marti eingereicht. Er wirft dem Sonderermittler Amtsmissbrauch und allenfalls weitere Delikte vor. Nun ermittelt der ausserordentliche Staatsanwalt Stephan Zimmerli gegen Marti. Lauener hatte Ende August seine Stelle im Innendepartement verlassen und arbeitet jetzt bei der Politikberatungsagentur Les Tailleurs Communication (persoenlich.com berichtete). Lauener äusserte sich auf Anfrage der SaW nicht zu den Vorwürfen. 

Ringier kommentiert die Enthüllungen vom Wochenende nicht. Auf Anfrage verweist Kommunikationschefin Johanna Walser auf ein früheres Statement: «Ringier wurde im Rahmen der Ermittlungen des ausserordentlichen Staatsanwalts des Bundes, Peter Marti, mit einer Untersuchung gegen eine Drittperson konfrontiert. Weder Ringier, Tochtergesellschaften, Organe, noch Mitarbeitende sind Beschuldigte in diesem Verfahren.» Ringier kooperiere mit den zuständigen Behörden unter Wahrung des Quellenschutzes. Weitere Kommentare würden aufgrund des laufenden Verfahrens keine gemacht.

Berset äussert sich nicht weiter

Bundespräsident Berset hat in der Sendung «Forum» des Westschweizer Radios RTS Stellung genommen zum angeblichen Informationsleck. In Bezug auf einen Medienbericht sprach er von «illegalen Indiskretionen», die er aber nicht näher kommentieren wolle. Angesichts eines laufenden Verfahrens, das sich nicht gegen ihn richte, könne er dazu nichts sagen, sagte er. Er sprach aber von «recht skandalösen» Indiskretionen. Man müsse jetzt die Justiz arbeiten lassen. Er könne sich vorstellen, dass diese Indiskretionen von Amtes wegen verfolgt würden, so Berset weiter.

Für diese Indiskretionen interessiert sich inzwischen auch das Parlament. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates werde Berset wohl zu einer Anhörung einladen, sagte deren Vizepräsident Werner Salzmann (SVP/BE) am Sonntag gegenüber dem Schweizer Radio SRF. Das genaue Vorgehen werde man in der nächsten Sitzung mit den GPK-Mitgliedern besprechen und dann festlegen.

Bersets Rücktritt gefordert

Der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer wurde noch deutlicher. Wenn Berset nicht zurücktrete, müsse man diesen Fall untersuchen, sagte das nationalrätliche GPK-Mitglied in der «Tagesschau»-Hauptausgabe von SRF am Sonntagabend. Er werde einen Antrag in der GPK-N stellen, den E-Mail-Verkehr zwischen Lauener und der gesamten Ringier-Presse einzufordern, allenfalls auch E-Mails von Berset. Heers GPK-N-Kollegin Katharina Prelicz-Huber sagte, ebenfalls in der «Tagesschau»-Hauptausgabe vom Sonntagabend, ihr komme das «eher wie eine Kampagne» vor.

Der Artikel der SaW wurde am Wochenende von weiteren Medien aufgenommen. Die Sonntagszeitung fragte bei Politikern nach. FDP-Ständerat Andrea Caroni findet Bersets Darstellung, wonach dieser von nichts wusste, «nicht sehr plausibel», wie er gegenüber der Zeitung sagte. Für ihn sei es kaum vorstellbar, dass Berset gar nichts von den systematischen Aktionen seines Kommunikationschefs gewusst haben soll. «Und wenn Berset wirklich nichts mitbekommen hat, wäre das wiederum ein Führungsversagen», sagt Caroni.

NZZ fordert Aufklärung

Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser äusserte sich in einem Kommentar pointiert. «Für Ringier steht die Glaubwürdigkeit des ganzen Verlags auf dem Spiel».

Auch NZZ-Inlandchefin Christina Neuhaus äusserte sich in einem Kommentar zur Affäre um den Informationsaustausch zwischen dem Departement des Inneren (EDI) und Ringier. Diese müsse ausgeleuchtet werden bis in den dunkelsten Winkel, fordert sie. Nur schon der Verdacht, dass Ringier-CEO Marc Walder früher von geplanten Pandemiemassnahmen wusste als Bersets Bundesratskollegen, genüge, um das Vertrauen in Politik und Medien zu untergraben.

Angereichert mit Material von Keystone-SDA.



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Kommentare

  • Pete Mijnssen, 17.01.2023 16:48 Uhr
    Natürlich ist das Verhalten von Peter Lauener unverantwortlich und an «Teflonminister» BR Alain Berset wird diesmal bestimmt etwas hängenbleiben, evtl sogar zum Rücktritt führen. Je nachdem, was da noch rauskommt. Weit schlimmer für unsere Branche ist aber das Verhalten von Ringier-Chef Marc Walder. Er hat damit vermutlich massgeblich zum Scheitern des Mediengesetzes geführt. Man erinnert sich: Anfang letztes Jahr zitierte die Weltwoche genüsslich aus einem internen Ringier-Redaktionscall Walders Anweisungen zur «regierungstreuen Covid-Berichterstattung». In der Folge wurde das Mediengesetz mit 54.6% abgelehnt. Die Bombe hatte ihre Wirkung erzielt. Fazit: Wer solche Branche-Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
  • Claude Bürki, 16.01.2023 07:36 Uhr
    Das ganze Gehabe um AB kommt einer Burleske in mehreren Akten gleich. Fakt ist: Passieren wird ihm wohl kaum etwas; er ist "unberührbar". Aber er sollte seinen Hut nehmen...
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